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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bismarck während des Krimkrieges.

der französischen, russischen und etwa der amerikanischen, vielleicht auch der dä¬
nischen und holländischen Flotten gelingt, sich einer Invasion zu erwehren, die
See siegreich zu behaupten, die Nord- und Ostsee vor den uns feindlichen Flotten
zu schützen, auch gelegentlich mit 10- oder 20 000 Mann die französischen Küsten
zu harassiren. Es würde das meine Erwartungen übertreffen. Aber der Kon¬
tinentalkrieg gegen die Landheere Frankreichs und Rußlands würde der Haupt¬
sache nach auf deu Schultern Deutschlands ruhen. Die vier letzten Armeekorps
des Vundesheercs haben an sich nicht die Kriegstüchtigkeit der Armee einer
Großmacht, und wieviel davon anf unsrer Seite stehen würden, das könnte
nur der Erfolg lehren. Auf der Basis von Rußland, Österreich und Preußen
würde der Bund so ziemlich zusammenhalten, weil er an dem schließlichen Sieg
der ersteren, mit oder ohne Mittelstaaten, glaubte; in einem so fraglichen Fall
aber, wie ein Krieg nach Osten und Westen zugleich wäre, würden die Fürsten,
g-u tur et ü, nuzsnrs daß sie uicht in der Gewalt unsrer Bajonnette waren, sich
durch Neutralitätsverträge sichern, wenn sie nicht gegen uns im Felde er¬
scheinen. . . Von den dirigirenden Ministern von Baiern, Würtemberg, Baden,
Darmstadt und Nassau habe ich es im vorigen Jahre zur vollsten Evidenz er¬
fahren, daß sie es für ihre ehrliche Pflicht halten, den Bund aufzugeben, wenn
das Interesse oder gar die Sicherheit des eignen Fürsten und Landes dnrch
Festhalten am Bunde gefährdet wäre. Manche der Fürsten mögen den besten
Willen haben: aber von welchen läßt sich wohl erwarten, daß sie gegen den
Rat ihrer Minister, gegen die Bitten ihrer Unterthanen ihr Land den Drang¬
salen des Krieges preisgeben und ihre Schlösser bis zur Wiedereroberung mit
dem Aufenthalt im preußisch-österreichischen Lager vertauschen werden! Sie
werden sich leicht überzeugen, daß die Pflichten gegen ihre Unterthanen höher
als die gegen den Bund, daß so mächtige Herren wie die Kaiser von Rußland
und Frankreich sie schließlich nicht fallen lassen werden, und daß im nllerschlimmsteu
Falle Österreich und Preußen sich gegenseitig nichts gönnen, und weder Baiern
im Rieder Vertrag noch die Rheinbnndstanten überhaupt 1813 und 1814 zu
kurz kamen. Der Rheinbund hatte seine Lasten, aber die für einen Fürsten be¬
sonders verdrießliche konstitutionelle Unbequemlichkeit war wenigstens nicht dar¬
unter, und jeder beglückte seiue Unterthanen in seiner Weise, wenn er nur die
nötigen Truppen an Frankreich lieferte. Diese Dienstbarkeit hatte ihre schätz¬
baren Fleischtöpfe und war für die Fürsten nicht so beschwerlich, daß sie, um
sich ihr zu entziehen, Land und Leute hüllen aufs Spiel setzen und wie jener
Kaiser in Bürgers Gedicht "in Hitz' und in Kälte, im Kriegsgezelte, bei Schwarz¬
brot und Wurst, bei Hunger und Durst" um ihre und Deutschlands Freiheit
hätten werben sollen. Daß die Nachfolger der Rheinbundsfürsten eine wesentlich
andre Gesinnung nicht belebt, davon habe ich in aller Devotion vor den Mit¬
gliedern des durchlauchtigsten Bundes für meine Person mich in den letzten
Jahren hinreichend überzeugen können, und nicht bloß die Furcht vor dem Ver


Bismarck während des Krimkrieges.

der französischen, russischen und etwa der amerikanischen, vielleicht auch der dä¬
nischen und holländischen Flotten gelingt, sich einer Invasion zu erwehren, die
See siegreich zu behaupten, die Nord- und Ostsee vor den uns feindlichen Flotten
zu schützen, auch gelegentlich mit 10- oder 20 000 Mann die französischen Küsten
zu harassiren. Es würde das meine Erwartungen übertreffen. Aber der Kon¬
tinentalkrieg gegen die Landheere Frankreichs und Rußlands würde der Haupt¬
sache nach auf deu Schultern Deutschlands ruhen. Die vier letzten Armeekorps
des Vundesheercs haben an sich nicht die Kriegstüchtigkeit der Armee einer
Großmacht, und wieviel davon anf unsrer Seite stehen würden, das könnte
nur der Erfolg lehren. Auf der Basis von Rußland, Österreich und Preußen
würde der Bund so ziemlich zusammenhalten, weil er an dem schließlichen Sieg
der ersteren, mit oder ohne Mittelstaaten, glaubte; in einem so fraglichen Fall
aber, wie ein Krieg nach Osten und Westen zugleich wäre, würden die Fürsten,
g-u tur et ü, nuzsnrs daß sie uicht in der Gewalt unsrer Bajonnette waren, sich
durch Neutralitätsverträge sichern, wenn sie nicht gegen uns im Felde er¬
scheinen. . . Von den dirigirenden Ministern von Baiern, Würtemberg, Baden,
Darmstadt und Nassau habe ich es im vorigen Jahre zur vollsten Evidenz er¬
fahren, daß sie es für ihre ehrliche Pflicht halten, den Bund aufzugeben, wenn
das Interesse oder gar die Sicherheit des eignen Fürsten und Landes dnrch
Festhalten am Bunde gefährdet wäre. Manche der Fürsten mögen den besten
Willen haben: aber von welchen läßt sich wohl erwarten, daß sie gegen den
Rat ihrer Minister, gegen die Bitten ihrer Unterthanen ihr Land den Drang¬
salen des Krieges preisgeben und ihre Schlösser bis zur Wiedereroberung mit
dem Aufenthalt im preußisch-österreichischen Lager vertauschen werden! Sie
werden sich leicht überzeugen, daß die Pflichten gegen ihre Unterthanen höher
als die gegen den Bund, daß so mächtige Herren wie die Kaiser von Rußland
und Frankreich sie schließlich nicht fallen lassen werden, und daß im nllerschlimmsteu
Falle Österreich und Preußen sich gegenseitig nichts gönnen, und weder Baiern
im Rieder Vertrag noch die Rheinbnndstanten überhaupt 1813 und 1814 zu
kurz kamen. Der Rheinbund hatte seine Lasten, aber die für einen Fürsten be¬
sonders verdrießliche konstitutionelle Unbequemlichkeit war wenigstens nicht dar¬
unter, und jeder beglückte seiue Unterthanen in seiner Weise, wenn er nur die
nötigen Truppen an Frankreich lieferte. Diese Dienstbarkeit hatte ihre schätz¬
baren Fleischtöpfe und war für die Fürsten nicht so beschwerlich, daß sie, um
sich ihr zu entziehen, Land und Leute hüllen aufs Spiel setzen und wie jener
Kaiser in Bürgers Gedicht »in Hitz' und in Kälte, im Kriegsgezelte, bei Schwarz¬
brot und Wurst, bei Hunger und Durst« um ihre und Deutschlands Freiheit
hätten werben sollen. Daß die Nachfolger der Rheinbundsfürsten eine wesentlich
andre Gesinnung nicht belebt, davon habe ich in aller Devotion vor den Mit¬
gliedern des durchlauchtigsten Bundes für meine Person mich in den letzten
Jahren hinreichend überzeugen können, und nicht bloß die Furcht vor dem Ver


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/399>, abgerufen am 24.08.2024.