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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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lüfte der gewohnten fürstlichen Existenz, nicht bloß die Leidenscheu, mich der
LÄLVN8 lind<znäi, ouxiäo mancher ziemlich kleinen Herren wird am Tage der Prü¬
fung den Bund zu Fall bringen. . . .

Können wir nun nötigenfalls im Bunde mit Österreich uns gegen Osten
und Westen wehren, wenn dem letzter,, Sardinien, wahrscheinlich die belgische
Armee und ein Teil des deutschen Bundes merite? Wenn alles wäre, wie es
sein sollte, so würde ich darau uicht verzweifeln. Aber der Kaiser Franz Josef
ist nicht in demselben Maße Herr seiner Länder und seiner Unterthanen wie
unser Allergnüdigster Herr. Österreich ist in der Offensive nicht zu verachten;
es mag mehr als 200 000 Mann guter Truppen außer Landes verwenden
können, und noch genug zu Hause behalten, um seiue Italiener, Magyaren und
Slaven nicht aus deu Augen zu lassen. Auf der Defensive aber, im eignen
Lande von Osten und Westen angegriffen, halte ich das heutige Österreich für
schwach, und leicht kann aus den ersten glücklichen Stoß des Gegners ins Innere
das ganze künstliche Ballwerk des zentralisirten Schreiberregiments von Bach und
Buol wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Aber wenn ich auch von dieser Ge¬
fahr absehe, so liegt die größere darin, daß die Seele eines preußisch-österreichischen
Bündnisses auch in der größten gemeinsamen Gefahr das Gegenteil von alledem
sein würde, was ein Bündnis fest macht. Gegenseitiges politisches Mißtrauen,
militärische und politische Eifersucht, der Argwohn des einen, daß der andre
in Separatvertrügen mit dem Gegner bei gutem Glücke die Vergrößerung des
Bundesgenossen zu hindern, bei schlechtem sein eignes Heil zu sichern suchen
werde, das alles würde zwischen uns jetzt stärker und lähmender sein als in
irgend einem schlecht assortirten Bündnisse der Vergangenheit. . . . Nach der
Wiener Politik ist einmal Deutschland zu eng für uns beide; so lange ein ehr¬
liches Arrangement über den Einfluß eines jeden in Deutschland nicht getroffen
und ausgeführt ist, pflügen wir beide denselben streitigen Acker, und so lange
bleibt Österreich der einzige Staat, um den wir nachhaltig verlieren und von
dem wir nachhaltig gewinnen können. . . . Der deutsche Dualismus hat seit
tausend Jahren, seit Karl V. in jedem Jahrhundert, regelmäßig durch einen
gründlichen inneren Krieg seine gegenseitigen Beziehungen regulirt, und auch in
diesem Jahrhundert wird kein andres als dieses Mittel die Uhr der Entwicklung
auf ihre richtige Stunde stellen können.

Ich beabsichtige mit diesem Raisonnement keineswegs zu dem Schlüsse zu ge¬
lange", daß wir jetzt unsere Politik darauf richten sollen, die Entscheidung zwischen
uns und Österreich uuter möglichst günstigen Umständen herbeizuführen. Ich
will uur meine Überzeugung aussprechen, daß wir in nicht zu langer Zeit
für unsere Existenz gegen Österreich werden fechten müssen, und daß
es nicht in unsrer Macht liegt, dem vorzubeugen, weil der Gang der Dinge in
Deutschland keinen andern Ausweg hat. Ist dieses richtig, was allerdings mehr
Frage des Glaubens als des Beweisens bleibt, so ist es auch für Preußen nicht


lüfte der gewohnten fürstlichen Existenz, nicht bloß die Leidenscheu, mich der
LÄLVN8 lind<znäi, ouxiäo mancher ziemlich kleinen Herren wird am Tage der Prü¬
fung den Bund zu Fall bringen. . . .

Können wir nun nötigenfalls im Bunde mit Österreich uns gegen Osten
und Westen wehren, wenn dem letzter,, Sardinien, wahrscheinlich die belgische
Armee und ein Teil des deutschen Bundes merite? Wenn alles wäre, wie es
sein sollte, so würde ich darau uicht verzweifeln. Aber der Kaiser Franz Josef
ist nicht in demselben Maße Herr seiner Länder und seiner Unterthanen wie
unser Allergnüdigster Herr. Österreich ist in der Offensive nicht zu verachten;
es mag mehr als 200 000 Mann guter Truppen außer Landes verwenden
können, und noch genug zu Hause behalten, um seiue Italiener, Magyaren und
Slaven nicht aus deu Augen zu lassen. Auf der Defensive aber, im eignen
Lande von Osten und Westen angegriffen, halte ich das heutige Österreich für
schwach, und leicht kann aus den ersten glücklichen Stoß des Gegners ins Innere
das ganze künstliche Ballwerk des zentralisirten Schreiberregiments von Bach und
Buol wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Aber wenn ich auch von dieser Ge¬
fahr absehe, so liegt die größere darin, daß die Seele eines preußisch-österreichischen
Bündnisses auch in der größten gemeinsamen Gefahr das Gegenteil von alledem
sein würde, was ein Bündnis fest macht. Gegenseitiges politisches Mißtrauen,
militärische und politische Eifersucht, der Argwohn des einen, daß der andre
in Separatvertrügen mit dem Gegner bei gutem Glücke die Vergrößerung des
Bundesgenossen zu hindern, bei schlechtem sein eignes Heil zu sichern suchen
werde, das alles würde zwischen uns jetzt stärker und lähmender sein als in
irgend einem schlecht assortirten Bündnisse der Vergangenheit. . . . Nach der
Wiener Politik ist einmal Deutschland zu eng für uns beide; so lange ein ehr¬
liches Arrangement über den Einfluß eines jeden in Deutschland nicht getroffen
und ausgeführt ist, pflügen wir beide denselben streitigen Acker, und so lange
bleibt Österreich der einzige Staat, um den wir nachhaltig verlieren und von
dem wir nachhaltig gewinnen können. . . . Der deutsche Dualismus hat seit
tausend Jahren, seit Karl V. in jedem Jahrhundert, regelmäßig durch einen
gründlichen inneren Krieg seine gegenseitigen Beziehungen regulirt, und auch in
diesem Jahrhundert wird kein andres als dieses Mittel die Uhr der Entwicklung
auf ihre richtige Stunde stellen können.

Ich beabsichtige mit diesem Raisonnement keineswegs zu dem Schlüsse zu ge¬
lange«, daß wir jetzt unsere Politik darauf richten sollen, die Entscheidung zwischen
uns und Österreich uuter möglichst günstigen Umständen herbeizuführen. Ich
will uur meine Überzeugung aussprechen, daß wir in nicht zu langer Zeit
für unsere Existenz gegen Österreich werden fechten müssen, und daß
es nicht in unsrer Macht liegt, dem vorzubeugen, weil der Gang der Dinge in
Deutschland keinen andern Ausweg hat. Ist dieses richtig, was allerdings mehr
Frage des Glaubens als des Beweisens bleibt, so ist es auch für Preußen nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/400>, abgerufen am 24.08.2024.