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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bismarck während dos A>imkrieges.

Beschluß leicht herbeiführen lassen, und namentlich unserm Allergnädigsten Herrn
wird es dann ans eine Handvoll Noten bei dem Inhalte des Beschlusses nicht
ankommen."

Vielleicht das höchste Interesse nnter allen von Poschinger mitgeteilten
Aktenstücken dieser Zeit beansprucht der ^auch dem Könige vorgelegtes Privat-
bries Bismnrcks an Manteuffel vom 26. April 18S6, in welchem die politische
Lage Preußens, die Aussicht auf einen Krieg in Italien, die Wahrscheinlichkeit
einer Allianz zwischen Frankreich und Nußland und die Notwendigkeit eines
baldigen Existenzkampfes zwischen Preußen und Österreich besprochen werden.
Wir wählen auch aus diesem Schreiben einige Hauptstellen ans. Der damalige
preußische Bundestagsgesandte schreibt seinem Minister:

"Ohne mich in gewagte Konjekturen über die mutmaßliche Dauer des neuen
Friedens einzulassen, darf ich doch als ein Symptom des geringen Vertrauens
zu derselben das besorgliche Unbehagen hervorheben, mit welchem die meisten
europäischen Kabinette in die Zukunft blicken, anch nachdem der Friede gesichert
ist. Alle, die großen wie die kleinen, suchen sich einstweilen in Erwartung der
Dinge, die da kommen können, die Freundschaft Frankreichs zu erhalten, und
der Kaiser Napoleon, so neu und so schmal anscheinend much die Grundlagen
seiner Dynastie in Frankreich selbst sind, hat die Wahl nnter den zu seiner
Disposition stehenden Bündnissen. Es scheint nicht, daß die auffälligen Be¬
mühungen Orloffs ^des Vertreters Rußlands auf dem Kongresses deu Apfel schou
vom Baume geschüttelt haben; aber wenn er reif ist, füllt er von selbst, und
die Russen werden zur rechten Zeit die Mütze darunterhalten. Auch den a,otv
alö 8vnNii88ion des Grasen Buol, das Streben Österreichs nach der Ehre, der
erste Rheinbundsstaat zu sein, wenn nur Preußen dadurch der zweite oder dritte
wird, scheint der Kaiser Napoleon lediglich mit zurückhaltender Höflichkeit auf¬
genommen zu haben; die offiziöse Wiener Presse giebt aber deshalb die Hoffnung
auf eine katholische Ligue mit Frankreich nicht auf und preist einstweilen den
Voltairianer Kaunitz als den ersten Staatsmann Österreichs, weil er es mit
Frankreich gehalten hat. Die dentschen Mittelstaaten sind nach wie vor bereit,
sich derjenigen der deutschen Großmächte zu fügen, welche die meiste Aussicht
auf Frankreichs Beistand hat, und deu letzteren zu suchen, wenn die Umstände
es rötlich erscheinen lassen. Nicht minder legt England Wert auf die Fortdauer
der guten Beziehungen zu Frankreich, und die etwas mürrisch gewordene Ehe
der beiden Westmächte wird wohl so hastig nicht geschieden werden. . . . Es ist
kaum anzunehmen, daß Louis Napoleon den Krieg jemals um des Krieges willen
suchen wird ... es läßt sich erwarten, daß er den Frieden vorzieht, so lange
er ihn mit der Stimmung der Armee, also mit der eigenen Sicherheit, verträglich
findet. Für den Fall, daß er hiernach des Krieges bedürfen sollte, denke ich
mir, daß er sich eine Frage offen hält, welche jederzeit eine nicht allzu mutwillige
und ungerechte Veranlassung zu Händeln liefern kann. Hierzu eignet sich die


Bismarck während dos A>imkrieges.

Beschluß leicht herbeiführen lassen, und namentlich unserm Allergnädigsten Herrn
wird es dann ans eine Handvoll Noten bei dem Inhalte des Beschlusses nicht
ankommen."

Vielleicht das höchste Interesse nnter allen von Poschinger mitgeteilten
Aktenstücken dieser Zeit beansprucht der ^auch dem Könige vorgelegtes Privat-
bries Bismnrcks an Manteuffel vom 26. April 18S6, in welchem die politische
Lage Preußens, die Aussicht auf einen Krieg in Italien, die Wahrscheinlichkeit
einer Allianz zwischen Frankreich und Nußland und die Notwendigkeit eines
baldigen Existenzkampfes zwischen Preußen und Österreich besprochen werden.
Wir wählen auch aus diesem Schreiben einige Hauptstellen ans. Der damalige
preußische Bundestagsgesandte schreibt seinem Minister:

„Ohne mich in gewagte Konjekturen über die mutmaßliche Dauer des neuen
Friedens einzulassen, darf ich doch als ein Symptom des geringen Vertrauens
zu derselben das besorgliche Unbehagen hervorheben, mit welchem die meisten
europäischen Kabinette in die Zukunft blicken, anch nachdem der Friede gesichert
ist. Alle, die großen wie die kleinen, suchen sich einstweilen in Erwartung der
Dinge, die da kommen können, die Freundschaft Frankreichs zu erhalten, und
der Kaiser Napoleon, so neu und so schmal anscheinend much die Grundlagen
seiner Dynastie in Frankreich selbst sind, hat die Wahl nnter den zu seiner
Disposition stehenden Bündnissen. Es scheint nicht, daß die auffälligen Be¬
mühungen Orloffs ^des Vertreters Rußlands auf dem Kongresses deu Apfel schou
vom Baume geschüttelt haben; aber wenn er reif ist, füllt er von selbst, und
die Russen werden zur rechten Zeit die Mütze darunterhalten. Auch den a,otv
alö 8vnNii88ion des Grasen Buol, das Streben Österreichs nach der Ehre, der
erste Rheinbundsstaat zu sein, wenn nur Preußen dadurch der zweite oder dritte
wird, scheint der Kaiser Napoleon lediglich mit zurückhaltender Höflichkeit auf¬
genommen zu haben; die offiziöse Wiener Presse giebt aber deshalb die Hoffnung
auf eine katholische Ligue mit Frankreich nicht auf und preist einstweilen den
Voltairianer Kaunitz als den ersten Staatsmann Österreichs, weil er es mit
Frankreich gehalten hat. Die dentschen Mittelstaaten sind nach wie vor bereit,
sich derjenigen der deutschen Großmächte zu fügen, welche die meiste Aussicht
auf Frankreichs Beistand hat, und deu letzteren zu suchen, wenn die Umstände
es rötlich erscheinen lassen. Nicht minder legt England Wert auf die Fortdauer
der guten Beziehungen zu Frankreich, und die etwas mürrisch gewordene Ehe
der beiden Westmächte wird wohl so hastig nicht geschieden werden. . . . Es ist
kaum anzunehmen, daß Louis Napoleon den Krieg jemals um des Krieges willen
suchen wird ... es läßt sich erwarten, daß er den Frieden vorzieht, so lange
er ihn mit der Stimmung der Armee, also mit der eigenen Sicherheit, verträglich
findet. Für den Fall, daß er hiernach des Krieges bedürfen sollte, denke ich
mir, daß er sich eine Frage offen hält, welche jederzeit eine nicht allzu mutwillige
und ungerechte Veranlassung zu Händeln liefern kann. Hierzu eignet sich die


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[0397] Bismarck während dos A>imkrieges. Beschluß leicht herbeiführen lassen, und namentlich unserm Allergnädigsten Herrn wird es dann ans eine Handvoll Noten bei dem Inhalte des Beschlusses nicht ankommen." Vielleicht das höchste Interesse nnter allen von Poschinger mitgeteilten Aktenstücken dieser Zeit beansprucht der ^auch dem Könige vorgelegtes Privat- bries Bismnrcks an Manteuffel vom 26. April 18S6, in welchem die politische Lage Preußens, die Aussicht auf einen Krieg in Italien, die Wahrscheinlichkeit einer Allianz zwischen Frankreich und Nußland und die Notwendigkeit eines baldigen Existenzkampfes zwischen Preußen und Österreich besprochen werden. Wir wählen auch aus diesem Schreiben einige Hauptstellen ans. Der damalige preußische Bundestagsgesandte schreibt seinem Minister: „Ohne mich in gewagte Konjekturen über die mutmaßliche Dauer des neuen Friedens einzulassen, darf ich doch als ein Symptom des geringen Vertrauens zu derselben das besorgliche Unbehagen hervorheben, mit welchem die meisten europäischen Kabinette in die Zukunft blicken, anch nachdem der Friede gesichert ist. Alle, die großen wie die kleinen, suchen sich einstweilen in Erwartung der Dinge, die da kommen können, die Freundschaft Frankreichs zu erhalten, und der Kaiser Napoleon, so neu und so schmal anscheinend much die Grundlagen seiner Dynastie in Frankreich selbst sind, hat die Wahl nnter den zu seiner Disposition stehenden Bündnissen. Es scheint nicht, daß die auffälligen Be¬ mühungen Orloffs ^des Vertreters Rußlands auf dem Kongresses deu Apfel schou vom Baume geschüttelt haben; aber wenn er reif ist, füllt er von selbst, und die Russen werden zur rechten Zeit die Mütze darunterhalten. Auch den a,otv alö 8vnNii88ion des Grasen Buol, das Streben Österreichs nach der Ehre, der erste Rheinbundsstaat zu sein, wenn nur Preußen dadurch der zweite oder dritte wird, scheint der Kaiser Napoleon lediglich mit zurückhaltender Höflichkeit auf¬ genommen zu haben; die offiziöse Wiener Presse giebt aber deshalb die Hoffnung auf eine katholische Ligue mit Frankreich nicht auf und preist einstweilen den Voltairianer Kaunitz als den ersten Staatsmann Österreichs, weil er es mit Frankreich gehalten hat. Die dentschen Mittelstaaten sind nach wie vor bereit, sich derjenigen der deutschen Großmächte zu fügen, welche die meiste Aussicht auf Frankreichs Beistand hat, und deu letzteren zu suchen, wenn die Umstände es rötlich erscheinen lassen. Nicht minder legt England Wert auf die Fortdauer der guten Beziehungen zu Frankreich, und die etwas mürrisch gewordene Ehe der beiden Westmächte wird wohl so hastig nicht geschieden werden. . . . Es ist kaum anzunehmen, daß Louis Napoleon den Krieg jemals um des Krieges willen suchen wird ... es läßt sich erwarten, daß er den Frieden vorzieht, so lange er ihn mit der Stimmung der Armee, also mit der eigenen Sicherheit, verträglich findet. Für den Fall, daß er hiernach des Krieges bedürfen sollte, denke ich mir, daß er sich eine Frage offen hält, welche jederzeit eine nicht allzu mutwillige und ungerechte Veranlassung zu Händeln liefern kann. Hierzu eignet sich die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/397>, abgerufen am 24.08.2024.