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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bismarck während des Krimkrieges.

in Anspruch nahmen. Dieser Schritt mißglückte jedoch, denn als Preußen und
Österreich ihren Vertrag vom 20. April dem Bundestage vorlegten, stimmten
mit Ausnahme Mecklenburgs alle Bundesglieder der in ihm ausgesprochenen
Politik zu.

Nun hatte Preußen zu fürchten, daß Österreich weiter gehen zu können
meinte, als mau in Berlin wünschen durfte. Diese Befürchtungen setzt ein Be¬
richt Bismarcks vom 25. Juli l854 auseinander. Hier heißt es u. a.: "Die
Konstellation zu Erwerbungen ist jfür Österreich! günstig. . . . Das Bündnis
jvom 20. April, in welchem Preußen und Österreich sich gegenseitig den Besitz
ihrer deutschen und außerdeutschen Länder für deu Fall garantirt hatten, daß
eins von ihnen im Einverständnisse mit dem andern zur Wahrung deutscher In¬
teressen aktiv vorgehen solides bietet eine Asseknranz gegen üblen Ausgnng, und
darüber hinaus hält man sich überzeugt, daß Preußen und Deutschland im eignen
Interesse nötig finden werden, Österreich zu decken, so unangenehm ihnen dessen
Politik auch sein mag. Nur die Beseitigung dieser letztern unbilligen Hoffnung
wird das Wiener Kabinet vielleicht abhalten, mutwillig mit Nußland Händel zu
suchen. Große Stücke können wir auf die Mittelstaaten nicht bauen, aber wir
können den Grad von Vertrauen bei ihnen wiedergewinnen, den wir vor 1848
besaßen, und der in ihrer größeren Gleichartigkeit mit uns als mit Österreich
wurzelt; sie sind jetzt antifranzösisch, vielleicht mit Ausnahme vou Darmstadt...
Dem ungeachtet kaun ein fortgesetzter, von Preußen und Österreich gegen sie
geübter Zwang demselben bald die Lust erwecke", lieber selbständig als unter
Vormundschaft dieser beiden Mächte mit Frankreich zu gehen. Es kommt schlie߬
lich dazu, wenn ihre Regierungen nicht wenigstens bei Preußen eine Anlehnung
und eine kräftige Vertretung der wirklich deutscheu Interessen ohne die von
Österreich so genannten finden. . . . Wenn ich kein unbedingtes Vertrauen ans
eine dauernd gute Gesinnung der Bnmberger setze, so fürchte ich, daß ihre Ge¬
fühle für uus immer noch treue Hingebung zu nennen sind im Vergleiche mit
denen, die Graf Buol, Bach und andre Epigonen Schwarzenbergischer Politik
im Bündnisse mit deu Ultrnmontanen im Innern ihrer Herzen für uns hegen.
Das jetzt in Österreich gehandhnbte System germanisirender Zentralisation be¬
darf zur Lösung seiner Aufgabe einer engeren organischen Verbindung mit einer
strafferen Hegemonie in Deutschland. Die Strebungen der Ultramontanen gehen
für jetzt mit denen des Wiener Kabinets Hand in Hand. Für beide ist Preu¬
ßens Machtstellung in Deutschland der härteste und schwerste Stein des An¬
stoßes; derselbe verliert an Bedeutung in gleichem Maße, als der Abstand
zwischen Preußens und Österreichs physischer Kraft zunimmt und sich in seiner
Bedeutung demjenigen nähert, welcher zwischen Preußen und Baiern stattfindet...
Wir können also, abgesehen von allen übrigen in der orientalischen Frage lie¬
genden Motiven für unsre Entschließungen, eine Vergrößerung Österreichs nur
zugeben, wenn wir mindestens in demselben Maße wachsen. Wenn Österreich


Bismarck während des Krimkrieges.

in Anspruch nahmen. Dieser Schritt mißglückte jedoch, denn als Preußen und
Österreich ihren Vertrag vom 20. April dem Bundestage vorlegten, stimmten
mit Ausnahme Mecklenburgs alle Bundesglieder der in ihm ausgesprochenen
Politik zu.

Nun hatte Preußen zu fürchten, daß Österreich weiter gehen zu können
meinte, als mau in Berlin wünschen durfte. Diese Befürchtungen setzt ein Be¬
richt Bismarcks vom 25. Juli l854 auseinander. Hier heißt es u. a.: „Die
Konstellation zu Erwerbungen ist jfür Österreich! günstig. . . . Das Bündnis
jvom 20. April, in welchem Preußen und Österreich sich gegenseitig den Besitz
ihrer deutschen und außerdeutschen Länder für deu Fall garantirt hatten, daß
eins von ihnen im Einverständnisse mit dem andern zur Wahrung deutscher In¬
teressen aktiv vorgehen solides bietet eine Asseknranz gegen üblen Ausgnng, und
darüber hinaus hält man sich überzeugt, daß Preußen und Deutschland im eignen
Interesse nötig finden werden, Österreich zu decken, so unangenehm ihnen dessen
Politik auch sein mag. Nur die Beseitigung dieser letztern unbilligen Hoffnung
wird das Wiener Kabinet vielleicht abhalten, mutwillig mit Nußland Händel zu
suchen. Große Stücke können wir auf die Mittelstaaten nicht bauen, aber wir
können den Grad von Vertrauen bei ihnen wiedergewinnen, den wir vor 1848
besaßen, und der in ihrer größeren Gleichartigkeit mit uns als mit Österreich
wurzelt; sie sind jetzt antifranzösisch, vielleicht mit Ausnahme vou Darmstadt...
Dem ungeachtet kaun ein fortgesetzter, von Preußen und Österreich gegen sie
geübter Zwang demselben bald die Lust erwecke», lieber selbständig als unter
Vormundschaft dieser beiden Mächte mit Frankreich zu gehen. Es kommt schlie߬
lich dazu, wenn ihre Regierungen nicht wenigstens bei Preußen eine Anlehnung
und eine kräftige Vertretung der wirklich deutscheu Interessen ohne die von
Österreich so genannten finden. . . . Wenn ich kein unbedingtes Vertrauen ans
eine dauernd gute Gesinnung der Bnmberger setze, so fürchte ich, daß ihre Ge¬
fühle für uus immer noch treue Hingebung zu nennen sind im Vergleiche mit
denen, die Graf Buol, Bach und andre Epigonen Schwarzenbergischer Politik
im Bündnisse mit deu Ultrnmontanen im Innern ihrer Herzen für uns hegen.
Das jetzt in Österreich gehandhnbte System germanisirender Zentralisation be¬
darf zur Lösung seiner Aufgabe einer engeren organischen Verbindung mit einer
strafferen Hegemonie in Deutschland. Die Strebungen der Ultramontanen gehen
für jetzt mit denen des Wiener Kabinets Hand in Hand. Für beide ist Preu¬
ßens Machtstellung in Deutschland der härteste und schwerste Stein des An¬
stoßes; derselbe verliert an Bedeutung in gleichem Maße, als der Abstand
zwischen Preußens und Österreichs physischer Kraft zunimmt und sich in seiner
Bedeutung demjenigen nähert, welcher zwischen Preußen und Baiern stattfindet...
Wir können also, abgesehen von allen übrigen in der orientalischen Frage lie¬
genden Motiven für unsre Entschließungen, eine Vergrößerung Österreichs nur
zugeben, wenn wir mindestens in demselben Maße wachsen. Wenn Österreich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/347>, abgerufen am 03.07.2024.