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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Bisinarc? während des ^<riinkrieges.

Türkei machen sollte, und als die Pforte diese Forderung zurückwies, rückte ein
russisches Heer in die Donnufürstentüiner ein, um dieselben als Pfand für Er¬
füllung jenes Anspruches in Besitz zu nehmen. Darauf traten die Gesandten
der vier andern Großmächte im Juli 1853 in Wien zu einer Konferenz zu¬
sammen, die einen Vermittlungsversuch machte. Derselbe mißlang jedoch, und
der Sultan erklärte Rußland den Krieg, bei dein die Westmächte am 12. März
1864 an seine Seite traten, Preußen und Osterreich aber sich vorläufig darauf
beschränkten, daß sie am 20. April eine Übereinkunft abschlossen, nach welcher
sie Rußland zur Räumung der Donaufürstentümer aufforderten und eine Ein¬
verleibung derselben in das Zarenreich, sowie eine Überschreitung der Donau
durch dessen Truppen für einen Kriegsfall erklärten. Den deutschen Mittel¬
staaten war dieses Vorgehen nicht nach ihrem Sinne: sie wünschten eine vor¬
sichtigere Haltung Rußland gegenüber, und zwar nach einem Schreiben Bis-
marcks an Manteuffel vom 26. April aus folgenden Gründen: "Sie fürchten
die Kosten und Kalamitäten des Krieges im allgemeinen, namentlich die Mög¬
lichkeit, bei Beendigung desselben eher Gegenstand der Ausgleichung für die
Mächtigeren als gewinnende Teilnehmer am Friedensschlüsse zu werdeu. Dem¬
nach glaube ich annehmen zu dürfen, daß sie in jeder Phase der bevorstehenden
Entwicklung bemüht sein werden, sich rechtzeitig auf die voraussichtlich stärkere
Seite zu rangiren, sobald dieselbe einigermaßen Garantien für die Erhaltung
der formellen Selbständigkeit der Fürsten gewährt. Beide Bedingungen würden
sie nach Möglichkeit erfüllt gefunden haben durch ein Bündnis kvnservirendcr
Tendenz zwischen Preußen, Österreich und Rußland. Einem Bündnis von vier
westlichen Machten gegen Rußland würden sie sich schon nicht ohne inneres
Widerstreben anschließen, weil es ihnen zwar die stärkere Seite, aber mindere
Garantie für den Statnscmo der eignen Existenz im Verlaufe der Dinge ge¬
währen könnte. Sie würden aber in solchem Falle mit besondrer Aufmerksam¬
keit der Haltung Frankreichs folgen und auf das erste Symptom einer An¬
näherung zwischen Rußland und Frankreich um die Wette bemüht sein, von
einem russisch-französischen Bündnisse nicht ausgeschlossen zu sein. Gleichzeitig
mit dem Bruche der deutscheu Großmächte mit Rußland würde Frankreich die
Möglichkeit gegeben sein, sich in den Besitz der Hegemonie über die übrigen
deutscheu Staaten zu setzen, in jedem Augenblicke, wo es seine eigne Verstän¬
digung mit Rußland herbeiführen könnte und wollte."

Zum Teil mit Rücksicht hierauf suchte Preußen einen Bruch mit Rußland
in der Folge möglichst zu vermeiden. Die Mittelstaaten aber nahmen einen
Anlauf, ihre Ansichten und Zwecke in dieser Sache den beiden deutschen Gro߬
mächten gegenüber zur Geltung zu bringen. Von Baiern und Sachsen geführt,
traten sie durch Bevollmächtigte in Vamberg zusammen und richteten eine iden¬
tische Note an die Höhe von Berlin und Wien, in der sie für den deutschen
Bund als eine Großmacht eine Stimme bei der Lösung der orientalischen Frage


Bisinarc? während des ^<riinkrieges.

Türkei machen sollte, und als die Pforte diese Forderung zurückwies, rückte ein
russisches Heer in die Donnufürstentüiner ein, um dieselben als Pfand für Er¬
füllung jenes Anspruches in Besitz zu nehmen. Darauf traten die Gesandten
der vier andern Großmächte im Juli 1853 in Wien zu einer Konferenz zu¬
sammen, die einen Vermittlungsversuch machte. Derselbe mißlang jedoch, und
der Sultan erklärte Rußland den Krieg, bei dein die Westmächte am 12. März
1864 an seine Seite traten, Preußen und Osterreich aber sich vorläufig darauf
beschränkten, daß sie am 20. April eine Übereinkunft abschlossen, nach welcher
sie Rußland zur Räumung der Donaufürstentümer aufforderten und eine Ein¬
verleibung derselben in das Zarenreich, sowie eine Überschreitung der Donau
durch dessen Truppen für einen Kriegsfall erklärten. Den deutschen Mittel¬
staaten war dieses Vorgehen nicht nach ihrem Sinne: sie wünschten eine vor¬
sichtigere Haltung Rußland gegenüber, und zwar nach einem Schreiben Bis-
marcks an Manteuffel vom 26. April aus folgenden Gründen: „Sie fürchten
die Kosten und Kalamitäten des Krieges im allgemeinen, namentlich die Mög¬
lichkeit, bei Beendigung desselben eher Gegenstand der Ausgleichung für die
Mächtigeren als gewinnende Teilnehmer am Friedensschlüsse zu werdeu. Dem¬
nach glaube ich annehmen zu dürfen, daß sie in jeder Phase der bevorstehenden
Entwicklung bemüht sein werden, sich rechtzeitig auf die voraussichtlich stärkere
Seite zu rangiren, sobald dieselbe einigermaßen Garantien für die Erhaltung
der formellen Selbständigkeit der Fürsten gewährt. Beide Bedingungen würden
sie nach Möglichkeit erfüllt gefunden haben durch ein Bündnis kvnservirendcr
Tendenz zwischen Preußen, Österreich und Rußland. Einem Bündnis von vier
westlichen Machten gegen Rußland würden sie sich schon nicht ohne inneres
Widerstreben anschließen, weil es ihnen zwar die stärkere Seite, aber mindere
Garantie für den Statnscmo der eignen Existenz im Verlaufe der Dinge ge¬
währen könnte. Sie würden aber in solchem Falle mit besondrer Aufmerksam¬
keit der Haltung Frankreichs folgen und auf das erste Symptom einer An¬
näherung zwischen Rußland und Frankreich um die Wette bemüht sein, von
einem russisch-französischen Bündnisse nicht ausgeschlossen zu sein. Gleichzeitig
mit dem Bruche der deutscheu Großmächte mit Rußland würde Frankreich die
Möglichkeit gegeben sein, sich in den Besitz der Hegemonie über die übrigen
deutscheu Staaten zu setzen, in jedem Augenblicke, wo es seine eigne Verstän¬
digung mit Rußland herbeiführen könnte und wollte."

Zum Teil mit Rücksicht hierauf suchte Preußen einen Bruch mit Rußland
in der Folge möglichst zu vermeiden. Die Mittelstaaten aber nahmen einen
Anlauf, ihre Ansichten und Zwecke in dieser Sache den beiden deutschen Gro߬
mächten gegenüber zur Geltung zu bringen. Von Baiern und Sachsen geführt,
traten sie durch Bevollmächtigte in Vamberg zusammen und richteten eine iden¬
tische Note an die Höhe von Berlin und Wien, in der sie für den deutschen
Bund als eine Großmacht eine Stimme bei der Lösung der orientalischen Frage


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/346>, abgerufen am 01.07.2024.