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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der ägyptische Kriegsschauplatz.

war, setzte man jene außer Betrieb, und so gehen gegenwärtig drei Linien
strahlenförmig von Zagazik aus: nach Suez, Kairo und Alexandrien. Der
Versuch, den wichtigen Ort zu nehmen, kann, wenn Arabi seine Leute zusammen¬
zuhalten vermag, nnr mit einem ansehnlichen Truppeukorps gewagt werden; je
starker dasselbe aber wäre, desto mehr Wasser würde es bedürfen, und daran
würde es, wenn Arabi den Tumilnttanal trocken gelegt hätte, eben am meisten
fehlen.

Bis jetzt scheint Arabi voll Selbstvertrauen und der Vorteile, die ihm bei
einer Defensive zu Gebote stehen, sich wohlbewußt zu sein. Namentlich scheint
er zu wissen, daß der Nil mit seinen Kanälen sein bester Verbündeter ist, und
daß er den Engländern das nötige Wasser einerseits nehmen, andrerseits es
gegen sie verwenden kann. Seine Stellung ist in dieser Hinsicht weit besser
als die jedes frühern Verteidigers Ägyptens, weil seit der Zeit, wo das letzte¬
nmal eine feindliche Armee in das Land einrückte -- es war im Jahre 1307,
und die Angreifer waren gleichfalls die Engländer --, das Kanalsystem wesent¬
liche Erweiterung und Vervollkommnung erfahren hat, und die jetzige ägyptische
Armee nach europäischem Muster geübt und bewaffnet ist.

Was für eine Trnppenmacht Arabi am Entscheidnngstage beisammenhaben
wird, läßt sich schwer sagen. Man hat von fünfzig-, ja hunderttausend Main:
gesprochen. Wir glauben nicht, daß er jetzt über mehr als 10- bis 12 000 re¬
guläre Soldaten verfügt, und dazu können im günstigsten Falle vielleicht 20 000
Fella-Landwehrleute und beduinische Reiter stoßen. Daß diese Streitmacht sich
besonderer militärischer Tugendhaftigkeit rühmen darf, ist nicht zu glauben, und
so erwarten wir nicht, daß sie die Engländer, wenn diese ihnen einmal dicht
an den Leib gekommen sind und eine wirkliche Schlacht sich entspinnt, zurück¬
zuwerfen imstande sind. Wären es Türken, so wollten wir zweifeln. Es sind
aber Ägypter, und so fürchten wir, die Leute Arabis würde" in solchem Falle
bald zersprengt werden. Er wird sich daher möglichst lange vor einem großen
Und ernsten Zusammenstoße hüten. Neben dein Wasser hat er übrigens andre
Bundesgenossen: die fauntisirte, über die brutale Verwandlung Alexandriens in
^ne Nuinenstätte mit Recht empörte, weitere Grausamkeit und weitere Ausbeu¬
tung des Landes zu Gunsten der hohen Finanz Europas fürchtende Städtcbe-
^ölkernng, die Größe Kairos, das sich mit seinen steinernen Häusern und seinen
^reimnlhnnderttansend Einwohnern vortrefflich zu einem Straßenkampfe eignet,
Und die Fieber, die Unterägypten nach der Nilüberschwemmung heimsuchen und
^or allem den Fremden gefährlich sind.

Welcher Art die Beziehungen Arabis zu den Beduinen sind, ist für jetzt
'Acht zu sagen. Gerüchten, nach welchen sie sich aus Anhänglichkeit an den
^hedive Tewfik gegen den Führer der Nationalpartei erklärt haben sollten, stehen
andre Gerüchte gegenüber, nach denen Arabi ihre Scheichs dnrch seine Bered¬
samkeit oder durch klingende Gründe gewonnen hätte. Aber wie es damit jetzt


Grmzbote" III, 1882, 55
Der ägyptische Kriegsschauplatz.

war, setzte man jene außer Betrieb, und so gehen gegenwärtig drei Linien
strahlenförmig von Zagazik aus: nach Suez, Kairo und Alexandrien. Der
Versuch, den wichtigen Ort zu nehmen, kann, wenn Arabi seine Leute zusammen¬
zuhalten vermag, nnr mit einem ansehnlichen Truppeukorps gewagt werden; je
starker dasselbe aber wäre, desto mehr Wasser würde es bedürfen, und daran
würde es, wenn Arabi den Tumilnttanal trocken gelegt hätte, eben am meisten
fehlen.

Bis jetzt scheint Arabi voll Selbstvertrauen und der Vorteile, die ihm bei
einer Defensive zu Gebote stehen, sich wohlbewußt zu sein. Namentlich scheint
er zu wissen, daß der Nil mit seinen Kanälen sein bester Verbündeter ist, und
daß er den Engländern das nötige Wasser einerseits nehmen, andrerseits es
gegen sie verwenden kann. Seine Stellung ist in dieser Hinsicht weit besser
als die jedes frühern Verteidigers Ägyptens, weil seit der Zeit, wo das letzte¬
nmal eine feindliche Armee in das Land einrückte — es war im Jahre 1307,
und die Angreifer waren gleichfalls die Engländer —, das Kanalsystem wesent¬
liche Erweiterung und Vervollkommnung erfahren hat, und die jetzige ägyptische
Armee nach europäischem Muster geübt und bewaffnet ist.

Was für eine Trnppenmacht Arabi am Entscheidnngstage beisammenhaben
wird, läßt sich schwer sagen. Man hat von fünfzig-, ja hunderttausend Main:
gesprochen. Wir glauben nicht, daß er jetzt über mehr als 10- bis 12 000 re¬
guläre Soldaten verfügt, und dazu können im günstigsten Falle vielleicht 20 000
Fella-Landwehrleute und beduinische Reiter stoßen. Daß diese Streitmacht sich
besonderer militärischer Tugendhaftigkeit rühmen darf, ist nicht zu glauben, und
so erwarten wir nicht, daß sie die Engländer, wenn diese ihnen einmal dicht
an den Leib gekommen sind und eine wirkliche Schlacht sich entspinnt, zurück¬
zuwerfen imstande sind. Wären es Türken, so wollten wir zweifeln. Es sind
aber Ägypter, und so fürchten wir, die Leute Arabis würde» in solchem Falle
bald zersprengt werden. Er wird sich daher möglichst lange vor einem großen
Und ernsten Zusammenstoße hüten. Neben dein Wasser hat er übrigens andre
Bundesgenossen: die fauntisirte, über die brutale Verwandlung Alexandriens in
^ne Nuinenstätte mit Recht empörte, weitere Grausamkeit und weitere Ausbeu¬
tung des Landes zu Gunsten der hohen Finanz Europas fürchtende Städtcbe-
^ölkernng, die Größe Kairos, das sich mit seinen steinernen Häusern und seinen
^reimnlhnnderttansend Einwohnern vortrefflich zu einem Straßenkampfe eignet,
Und die Fieber, die Unterägypten nach der Nilüberschwemmung heimsuchen und
^or allem den Fremden gefährlich sind.

Welcher Art die Beziehungen Arabis zu den Beduinen sind, ist für jetzt
'Acht zu sagen. Gerüchten, nach welchen sie sich aus Anhänglichkeit an den
^hedive Tewfik gegen den Führer der Nationalpartei erklärt haben sollten, stehen
andre Gerüchte gegenüber, nach denen Arabi ihre Scheichs dnrch seine Bered¬
samkeit oder durch klingende Gründe gewonnen hätte. Aber wie es damit jetzt


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[0281] Der ägyptische Kriegsschauplatz. war, setzte man jene außer Betrieb, und so gehen gegenwärtig drei Linien strahlenförmig von Zagazik aus: nach Suez, Kairo und Alexandrien. Der Versuch, den wichtigen Ort zu nehmen, kann, wenn Arabi seine Leute zusammen¬ zuhalten vermag, nnr mit einem ansehnlichen Truppeukorps gewagt werden; je starker dasselbe aber wäre, desto mehr Wasser würde es bedürfen, und daran würde es, wenn Arabi den Tumilnttanal trocken gelegt hätte, eben am meisten fehlen. Bis jetzt scheint Arabi voll Selbstvertrauen und der Vorteile, die ihm bei einer Defensive zu Gebote stehen, sich wohlbewußt zu sein. Namentlich scheint er zu wissen, daß der Nil mit seinen Kanälen sein bester Verbündeter ist, und daß er den Engländern das nötige Wasser einerseits nehmen, andrerseits es gegen sie verwenden kann. Seine Stellung ist in dieser Hinsicht weit besser als die jedes frühern Verteidigers Ägyptens, weil seit der Zeit, wo das letzte¬ nmal eine feindliche Armee in das Land einrückte — es war im Jahre 1307, und die Angreifer waren gleichfalls die Engländer —, das Kanalsystem wesent¬ liche Erweiterung und Vervollkommnung erfahren hat, und die jetzige ägyptische Armee nach europäischem Muster geübt und bewaffnet ist. Was für eine Trnppenmacht Arabi am Entscheidnngstage beisammenhaben wird, läßt sich schwer sagen. Man hat von fünfzig-, ja hunderttausend Main: gesprochen. Wir glauben nicht, daß er jetzt über mehr als 10- bis 12 000 re¬ guläre Soldaten verfügt, und dazu können im günstigsten Falle vielleicht 20 000 Fella-Landwehrleute und beduinische Reiter stoßen. Daß diese Streitmacht sich besonderer militärischer Tugendhaftigkeit rühmen darf, ist nicht zu glauben, und so erwarten wir nicht, daß sie die Engländer, wenn diese ihnen einmal dicht an den Leib gekommen sind und eine wirkliche Schlacht sich entspinnt, zurück¬ zuwerfen imstande sind. Wären es Türken, so wollten wir zweifeln. Es sind aber Ägypter, und so fürchten wir, die Leute Arabis würde» in solchem Falle bald zersprengt werden. Er wird sich daher möglichst lange vor einem großen Und ernsten Zusammenstoße hüten. Neben dein Wasser hat er übrigens andre Bundesgenossen: die fauntisirte, über die brutale Verwandlung Alexandriens in ^ne Nuinenstätte mit Recht empörte, weitere Grausamkeit und weitere Ausbeu¬ tung des Landes zu Gunsten der hohen Finanz Europas fürchtende Städtcbe- ^ölkernng, die Größe Kairos, das sich mit seinen steinernen Häusern und seinen ^reimnlhnnderttansend Einwohnern vortrefflich zu einem Straßenkampfe eignet, Und die Fieber, die Unterägypten nach der Nilüberschwemmung heimsuchen und ^or allem den Fremden gefährlich sind. Welcher Art die Beziehungen Arabis zu den Beduinen sind, ist für jetzt 'Acht zu sagen. Gerüchten, nach welchen sie sich aus Anhänglichkeit an den ^hedive Tewfik gegen den Führer der Nationalpartei erklärt haben sollten, stehen andre Gerüchte gegenüber, nach denen Arabi ihre Scheichs dnrch seine Bered¬ samkeit oder durch klingende Gründe gewonnen hätte. Aber wie es damit jetzt Grmzbote» III, 1882, 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/281>, abgerufen am 03.07.2024.