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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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auch stehen mag, so werden nach frühern Erfahrungen, wenn Arabi selbst nicht
den Mut verliert, sobald das englische Heer nach Süden vorrückt, die Beduinen
sich mit den regulären ägyptischen Soldaten gegen dasselbe schlagen. Ganz und
gar undenkbar wäre dann nicht, daß die Engländer hier und da eine Schlappe
erlitten. Die Traditionen der britischen Armee in Betreff Ägyptens sind ruhm¬
reich, sie hat hier aber auch Niederlagen zu verzeichnen gehabt. 1801 und 1802
Vertrieb eine englische Expedition unter Sir Ralph Abercromby die Franzosen
ans Ägypten, und die von Indien abgesandten Truppen machten einen sieg¬
reichen Marsch zuerst durch die große thebanische Wüste, dann dus oberägyp¬
tische Nilthal hinab und dnrch Unterägypten bis nach Alexandrien und zuletzt
wieder dnrch die Wüste hinter Suez. Aber 1807 mußten sich die Engländer,
als sie Rosette zu nehmen versuchten, mit schwerem Verluste zurückziehen. Gegen
achthundert Mann legten damals, unchdem sie ihre Munition verschossen hatten,
ihre Waffen nieder und wurden auf Straßen, welche zu beiden Seiten mit den
abgeschnittenen Köpfen gefallener Kameraden besäumt waren, nach Kairo in die
Gefangenschaft abgeführt. Man hatte englischerseits in diesem Falle auf die
Unterstützung der Mamelnckenbeis gerechnet, welche ausblieb, und sich in dein
gewohnten Irrtume gefallen, der den Gegner zu gering achten lehrte, und so
waren auf diese Expedition nur 5000 Mann verwendet worden.

Diesmal wird man 20 000 Mann und nach Befinden mehr nach Ägypten
senden. Das wird vermutlich für einen Feldzug im Delta und bis nach Kairo
genügen, namentlich wenn Frankreich inzwischen den Suezkanal bewacht, und
wenn der Oberfeldherr der Engländer, Sir Garnet Wolseley, seine Wahl dnrch
Geschick und Energie rechtfertigt. Er hat freilich bis jetzt nur in kleinen Kriegen
mit Wilden und Halbwilden (am Red River, gegen den Aschantilvnig Koffee und gegen
den Kaffernhänptling Siknkuni) Lorbern erfochten, und es sieht ein wenig wunder¬
lich aus, wenn englische Blätter daraufhin zuversichtlich erwarten, er werde nnn
auch eine stärkere Armee erfolgreich zu leiten und einen ansehnlicheren Gegner
niederzuwerfen verstehen. Indeß ist das Werkzeug, mit dem er für seine Auf¬
gabe versehen ist, durchaus unvcrächtlicher Art, und was der Verstand des Füh¬
rers etwa nicht leisten sollte, wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Unerschrocken-
heit und Ausdauer der Truppen vollbringen.




auch stehen mag, so werden nach frühern Erfahrungen, wenn Arabi selbst nicht
den Mut verliert, sobald das englische Heer nach Süden vorrückt, die Beduinen
sich mit den regulären ägyptischen Soldaten gegen dasselbe schlagen. Ganz und
gar undenkbar wäre dann nicht, daß die Engländer hier und da eine Schlappe
erlitten. Die Traditionen der britischen Armee in Betreff Ägyptens sind ruhm¬
reich, sie hat hier aber auch Niederlagen zu verzeichnen gehabt. 1801 und 1802
Vertrieb eine englische Expedition unter Sir Ralph Abercromby die Franzosen
ans Ägypten, und die von Indien abgesandten Truppen machten einen sieg¬
reichen Marsch zuerst durch die große thebanische Wüste, dann dus oberägyp¬
tische Nilthal hinab und dnrch Unterägypten bis nach Alexandrien und zuletzt
wieder dnrch die Wüste hinter Suez. Aber 1807 mußten sich die Engländer,
als sie Rosette zu nehmen versuchten, mit schwerem Verluste zurückziehen. Gegen
achthundert Mann legten damals, unchdem sie ihre Munition verschossen hatten,
ihre Waffen nieder und wurden auf Straßen, welche zu beiden Seiten mit den
abgeschnittenen Köpfen gefallener Kameraden besäumt waren, nach Kairo in die
Gefangenschaft abgeführt. Man hatte englischerseits in diesem Falle auf die
Unterstützung der Mamelnckenbeis gerechnet, welche ausblieb, und sich in dein
gewohnten Irrtume gefallen, der den Gegner zu gering achten lehrte, und so
waren auf diese Expedition nur 5000 Mann verwendet worden.

Diesmal wird man 20 000 Mann und nach Befinden mehr nach Ägypten
senden. Das wird vermutlich für einen Feldzug im Delta und bis nach Kairo
genügen, namentlich wenn Frankreich inzwischen den Suezkanal bewacht, und
wenn der Oberfeldherr der Engländer, Sir Garnet Wolseley, seine Wahl dnrch
Geschick und Energie rechtfertigt. Er hat freilich bis jetzt nur in kleinen Kriegen
mit Wilden und Halbwilden (am Red River, gegen den Aschantilvnig Koffee und gegen
den Kaffernhänptling Siknkuni) Lorbern erfochten, und es sieht ein wenig wunder¬
lich aus, wenn englische Blätter daraufhin zuversichtlich erwarten, er werde nnn
auch eine stärkere Armee erfolgreich zu leiten und einen ansehnlicheren Gegner
niederzuwerfen verstehen. Indeß ist das Werkzeug, mit dem er für seine Auf¬
gabe versehen ist, durchaus unvcrächtlicher Art, und was der Verstand des Füh¬
rers etwa nicht leisten sollte, wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Unerschrocken-
heit und Ausdauer der Truppen vollbringen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/282>, abgerufen am 01.07.2024.