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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der ägyptische Kriegsschauplatz.

Trinkwasser zu verhindern. Auch much den letzten Nachrichten sank der Stand
desselben im Kanal von Stunde zu Stunde.

Es scheint übrigens, als ob Arabi nicht die Absicht habe, auf die Dauer
bei Kafr Ed Dauar Stand zu halten und es hier auf einen Entscheidungs¬
kampf ankommen zu lassen. Nach den letzten Telegrammen war er im Begriff,
nach Damanhur abzuziehen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er nach Jnun-
dation der dortigen Gegend, soweit diese möglich, noch weiter zurückweicht und
erst bei Zagazik dauernd Stellung nimmt, wo er den größten Teil der Waffer-
und Eisenbahnverbindungen des Deltas beherrscht und von einer aus Europa
kommenden Armee erst angegriffen werden kann, nachdem dieselbe anstrengende
Marsche nnter höchst ungünstigen Umständen zurückgelegt hat.

Schon in der Pharaonenzeit ging vom. Damiettearme des Nils bei Bubastis,
dem jetzigen Zagazik, ein Kanal erst östlich durch das Wadi Tumilat, dann
südlich nach Suez und ins Rote Meer. Lesseps stellte diesen Kanal, von dem
sich Reste erhalten hatten, wieder her und erreichte damit verschiedene Zwecke:
er gewann eine bequeme Verbindung der beim Suezkanal beschäftigten Arbeiter
mit dem Nil, er machte das genannte Wüstenthal wieder fruchtbar, und er
leitete Trinkwcisser nach Jsmailia und Suez. Dämme nun Arabi den Tumilat-
kaual bei Zagazik ab, so verlieren die letztgenannten Orte beinahe alles zum
Leben von Menschen und Tieren nötige Wasser; denn die wenigen Quellen bei
Suez liefern bei weitem nicht genug für dessen jetzige Einwohnerzahl, und bei
Jsmailia giebt es außerhalb des Tumilatkanals gar kein süßes Wasser. Noch
stärker als der Wasserbedarf jener Städte ist derjenige von Port Said, dem
Ausgangspunkte des Snezkanals um Mittelmeer, von Zagazik aus zu bedrohen.
Lesseps verlängerte den Tumilatkanal bis zum Krokodilsce, wo er das Wasser
desselben durch ein Pumpwerk in ein Reservoir heben ließ, daß seine Bauarbeiter
ans den Sandhügeln bei El Gisr ausgruben, und von dem aus das Wasser
durch eine Röhrenleitung, dem Gesetze der Schwere folgend, nach dem neun
deutsche Meilen entfernten Port Said laufen sollte. Nur auf diesem Wege er¬
hielten bis heute die. 19 000 Einwohner dieser Hafenstadt ihr Trinkwasser, und
jetzt kamm die Röhrenleitung dnrch Zerstörung eiuer einzigen Röhre, die sich
von wenigen Leuten in einer halben Stunde bewerkstelligen läßt, außer Funktion
gesetzt werden. Auch das Pumpwerk bei Jsmailia wäre leichter zu zerstören
als wiederherzustellen. Die Trockenlegung des Tumilatkanals zwischen Zagazik
und Suez aber würde ein in Port Said oder in Suez gelandetes englisches
Truppcnkorps nicht bloß des Trinkwcissers berauben, sondern es auch nötigen,
von Jsmailia am Suezkanal zehn deutsche Meilen weit in glühender Wüsten¬
hitze bis Zagazik zu Fuße zurückzulegen. Endlich besitzt Zagazik noch dadurch
die höchste strategische Bedeutung, daß es einer von den Knotenpunkten des
ägyptischen Eisenbahnsystems ist. Früher führte eine Schienenstraße mit Dampf-
wagen direkt von Suez nach Kairo. Als aber die Linie Zagazik-Suez vollendet


Der ägyptische Kriegsschauplatz.

Trinkwasser zu verhindern. Auch much den letzten Nachrichten sank der Stand
desselben im Kanal von Stunde zu Stunde.

Es scheint übrigens, als ob Arabi nicht die Absicht habe, auf die Dauer
bei Kafr Ed Dauar Stand zu halten und es hier auf einen Entscheidungs¬
kampf ankommen zu lassen. Nach den letzten Telegrammen war er im Begriff,
nach Damanhur abzuziehen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er nach Jnun-
dation der dortigen Gegend, soweit diese möglich, noch weiter zurückweicht und
erst bei Zagazik dauernd Stellung nimmt, wo er den größten Teil der Waffer-
und Eisenbahnverbindungen des Deltas beherrscht und von einer aus Europa
kommenden Armee erst angegriffen werden kann, nachdem dieselbe anstrengende
Marsche nnter höchst ungünstigen Umständen zurückgelegt hat.

Schon in der Pharaonenzeit ging vom. Damiettearme des Nils bei Bubastis,
dem jetzigen Zagazik, ein Kanal erst östlich durch das Wadi Tumilat, dann
südlich nach Suez und ins Rote Meer. Lesseps stellte diesen Kanal, von dem
sich Reste erhalten hatten, wieder her und erreichte damit verschiedene Zwecke:
er gewann eine bequeme Verbindung der beim Suezkanal beschäftigten Arbeiter
mit dem Nil, er machte das genannte Wüstenthal wieder fruchtbar, und er
leitete Trinkwcisser nach Jsmailia und Suez. Dämme nun Arabi den Tumilat-
kaual bei Zagazik ab, so verlieren die letztgenannten Orte beinahe alles zum
Leben von Menschen und Tieren nötige Wasser; denn die wenigen Quellen bei
Suez liefern bei weitem nicht genug für dessen jetzige Einwohnerzahl, und bei
Jsmailia giebt es außerhalb des Tumilatkanals gar kein süßes Wasser. Noch
stärker als der Wasserbedarf jener Städte ist derjenige von Port Said, dem
Ausgangspunkte des Snezkanals um Mittelmeer, von Zagazik aus zu bedrohen.
Lesseps verlängerte den Tumilatkanal bis zum Krokodilsce, wo er das Wasser
desselben durch ein Pumpwerk in ein Reservoir heben ließ, daß seine Bauarbeiter
ans den Sandhügeln bei El Gisr ausgruben, und von dem aus das Wasser
durch eine Röhrenleitung, dem Gesetze der Schwere folgend, nach dem neun
deutsche Meilen entfernten Port Said laufen sollte. Nur auf diesem Wege er¬
hielten bis heute die. 19 000 Einwohner dieser Hafenstadt ihr Trinkwasser, und
jetzt kamm die Röhrenleitung dnrch Zerstörung eiuer einzigen Röhre, die sich
von wenigen Leuten in einer halben Stunde bewerkstelligen läßt, außer Funktion
gesetzt werden. Auch das Pumpwerk bei Jsmailia wäre leichter zu zerstören
als wiederherzustellen. Die Trockenlegung des Tumilatkanals zwischen Zagazik
und Suez aber würde ein in Port Said oder in Suez gelandetes englisches
Truppcnkorps nicht bloß des Trinkwcissers berauben, sondern es auch nötigen,
von Jsmailia am Suezkanal zehn deutsche Meilen weit in glühender Wüsten¬
hitze bis Zagazik zu Fuße zurückzulegen. Endlich besitzt Zagazik noch dadurch
die höchste strategische Bedeutung, daß es einer von den Knotenpunkten des
ägyptischen Eisenbahnsystems ist. Früher führte eine Schienenstraße mit Dampf-
wagen direkt von Suez nach Kairo. Als aber die Linie Zagazik-Suez vollendet


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[0280] Der ägyptische Kriegsschauplatz. Trinkwasser zu verhindern. Auch much den letzten Nachrichten sank der Stand desselben im Kanal von Stunde zu Stunde. Es scheint übrigens, als ob Arabi nicht die Absicht habe, auf die Dauer bei Kafr Ed Dauar Stand zu halten und es hier auf einen Entscheidungs¬ kampf ankommen zu lassen. Nach den letzten Telegrammen war er im Begriff, nach Damanhur abzuziehen, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß er nach Jnun- dation der dortigen Gegend, soweit diese möglich, noch weiter zurückweicht und erst bei Zagazik dauernd Stellung nimmt, wo er den größten Teil der Waffer- und Eisenbahnverbindungen des Deltas beherrscht und von einer aus Europa kommenden Armee erst angegriffen werden kann, nachdem dieselbe anstrengende Marsche nnter höchst ungünstigen Umständen zurückgelegt hat. Schon in der Pharaonenzeit ging vom. Damiettearme des Nils bei Bubastis, dem jetzigen Zagazik, ein Kanal erst östlich durch das Wadi Tumilat, dann südlich nach Suez und ins Rote Meer. Lesseps stellte diesen Kanal, von dem sich Reste erhalten hatten, wieder her und erreichte damit verschiedene Zwecke: er gewann eine bequeme Verbindung der beim Suezkanal beschäftigten Arbeiter mit dem Nil, er machte das genannte Wüstenthal wieder fruchtbar, und er leitete Trinkwcisser nach Jsmailia und Suez. Dämme nun Arabi den Tumilat- kaual bei Zagazik ab, so verlieren die letztgenannten Orte beinahe alles zum Leben von Menschen und Tieren nötige Wasser; denn die wenigen Quellen bei Suez liefern bei weitem nicht genug für dessen jetzige Einwohnerzahl, und bei Jsmailia giebt es außerhalb des Tumilatkanals gar kein süßes Wasser. Noch stärker als der Wasserbedarf jener Städte ist derjenige von Port Said, dem Ausgangspunkte des Snezkanals um Mittelmeer, von Zagazik aus zu bedrohen. Lesseps verlängerte den Tumilatkanal bis zum Krokodilsce, wo er das Wasser desselben durch ein Pumpwerk in ein Reservoir heben ließ, daß seine Bauarbeiter ans den Sandhügeln bei El Gisr ausgruben, und von dem aus das Wasser durch eine Röhrenleitung, dem Gesetze der Schwere folgend, nach dem neun deutsche Meilen entfernten Port Said laufen sollte. Nur auf diesem Wege er¬ hielten bis heute die. 19 000 Einwohner dieser Hafenstadt ihr Trinkwasser, und jetzt kamm die Röhrenleitung dnrch Zerstörung eiuer einzigen Röhre, die sich von wenigen Leuten in einer halben Stunde bewerkstelligen läßt, außer Funktion gesetzt werden. Auch das Pumpwerk bei Jsmailia wäre leichter zu zerstören als wiederherzustellen. Die Trockenlegung des Tumilatkanals zwischen Zagazik und Suez aber würde ein in Port Said oder in Suez gelandetes englisches Truppcnkorps nicht bloß des Trinkwcissers berauben, sondern es auch nötigen, von Jsmailia am Suezkanal zehn deutsche Meilen weit in glühender Wüsten¬ hitze bis Zagazik zu Fuße zurückzulegen. Endlich besitzt Zagazik noch dadurch die höchste strategische Bedeutung, daß es einer von den Knotenpunkten des ägyptischen Eisenbahnsystems ist. Früher führte eine Schienenstraße mit Dampf- wagen direkt von Suez nach Kairo. Als aber die Linie Zagazik-Suez vollendet

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/280>, abgerufen am 03.07.2024.