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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Der ägyptische Ariegsschciuplatz.

der Kultur gewonnen wurden, zuletzt aber durch Vernachlässigung wieder einen
Charakter annahmen, der halb See, halb Morast ist: im äußersten Osten,
zwischen dem nördlichen Laufe des Suezkanals und der Stadt Damiette, der
Menzalesee, dessen seichtes Brackwasser eine Fläche von 46 Quadrcitmeileu be¬
deckt, und in dem drei Arme des Nils, der pelusische, der launische und der
mendesische, verschwinden, ohne, wie im Altertume, das Meer zu erreichen, weiter
nach Westen hin zunächst der nicht viel kleinere Burlussee, dann, dicht bei ein¬
ander, der Edkn-, der Abukir- und der Mariutsee.

Das gesammte Delta und das rechts und links davon noch angebaute Gebiet
wird namentlich im Osten von einer Menge kleinerer Nilarme durchschnitten und
ist außerdem, etwa wie Holland, von einem vielmaschigen Netze künstlicher Wasser¬
läufe bedeckt. Jene Flußadern und diese Kanüle verzweigen sich in Gestalt eines
Fächers von Kaljub über den ganzen weiten Raum zwischen diesem Orte,
Alexandrien, Rosette, Damiette, Port Said und Jsmailia. Die größten unter¬
ägyptischen Kanäle, die der Nil mit seinem Wasser speist, sind der Mcchmudije-
kcmal, der bei Fua am Rosettearm des Stromes in nordwestlicher Richtung
nach Alexandrien läuft, und derjenige, welcher sich bei Zagazik von einer Seiten¬
ader des Damiettearmes abzweigt und nach Osten, durch das Wadi Tumilat,
eine Bodensenkung in der Wüste, bis nach Jsmailia geht, von wo er dem Laufe
des (salzigen) Suezkcmals bis ans Rote Meer folgt. Den vier Hauptwasser-
läufeu des Deltas und seines Zubehörs an östlichem und westlichem Marschlande,
die wir in diesen beiden Kanälen und den beiden großen Armen des Nils vor
nus haben, folgen mit einigen Abweichungen von Kairo aus ebensoviele Eisen-
bnhnstrünge, die ihrerseits wieder von mehreren Transversallinien durchschnitten
werden, welche meist von Alexandrien ausgehen. In der Nähe der Ortschaften
und der ergiebigsten Kulturflächen sind alle Kanäle und Stromarme mit Dämmen
eingefaßt, deren Zerstörung einem Verteidiger Unteräghptens gegen europäische
Streitkräfte keinerlei Schwierigkeiten machen würde.

Wie es nach dem Gesagten in diesen fast durchgehends flachen Gegenden
aussehen würde, wenn die Ägypter das Fluß- und Kannlsystem des Deltas und
seiner östlichen und westlichen Nebengebiete in defensiver Absicht ausnützten,
kann mau sich ohne viel Aufwand von Phantasie vorstellen. Arabi kann, falls
ihm seine Partei und die Truppen treu bleiben, den Engländern zwar sicherlich
auf die Dauer uicht widerstehen, ihnen aber das Vordringen nach Süden außer¬
ordentlich erschweren. Er kann ihnen einerseits das Trinkwasser abschneiden,
andrerseits das Land, das sie zwischen Alexandrien und Kairo zu Passiren haben,
in der Weise überfluten, daß es für Geschütze und Wagen mit Munition und
Proviant ungangbar wird. Bereits scheint es, als ob er nach beiden Rich¬
tungen hin Vorkehrungen getroffen hätte: er hat den Mahmudijeknnal einge¬
dämmt, sodaß jetzt schon weniger Trinkwasser nach Alexandrien gelangt und bald
der ganze Zufluß versiegt sein wird, und es wird berichtet, daß er zu gleicher


Der ägyptische Ariegsschciuplatz.

der Kultur gewonnen wurden, zuletzt aber durch Vernachlässigung wieder einen
Charakter annahmen, der halb See, halb Morast ist: im äußersten Osten,
zwischen dem nördlichen Laufe des Suezkanals und der Stadt Damiette, der
Menzalesee, dessen seichtes Brackwasser eine Fläche von 46 Quadrcitmeileu be¬
deckt, und in dem drei Arme des Nils, der pelusische, der launische und der
mendesische, verschwinden, ohne, wie im Altertume, das Meer zu erreichen, weiter
nach Westen hin zunächst der nicht viel kleinere Burlussee, dann, dicht bei ein¬
ander, der Edkn-, der Abukir- und der Mariutsee.

Das gesammte Delta und das rechts und links davon noch angebaute Gebiet
wird namentlich im Osten von einer Menge kleinerer Nilarme durchschnitten und
ist außerdem, etwa wie Holland, von einem vielmaschigen Netze künstlicher Wasser¬
läufe bedeckt. Jene Flußadern und diese Kanüle verzweigen sich in Gestalt eines
Fächers von Kaljub über den ganzen weiten Raum zwischen diesem Orte,
Alexandrien, Rosette, Damiette, Port Said und Jsmailia. Die größten unter¬
ägyptischen Kanäle, die der Nil mit seinem Wasser speist, sind der Mcchmudije-
kcmal, der bei Fua am Rosettearm des Stromes in nordwestlicher Richtung
nach Alexandrien läuft, und derjenige, welcher sich bei Zagazik von einer Seiten¬
ader des Damiettearmes abzweigt und nach Osten, durch das Wadi Tumilat,
eine Bodensenkung in der Wüste, bis nach Jsmailia geht, von wo er dem Laufe
des (salzigen) Suezkcmals bis ans Rote Meer folgt. Den vier Hauptwasser-
läufeu des Deltas und seines Zubehörs an östlichem und westlichem Marschlande,
die wir in diesen beiden Kanälen und den beiden großen Armen des Nils vor
nus haben, folgen mit einigen Abweichungen von Kairo aus ebensoviele Eisen-
bnhnstrünge, die ihrerseits wieder von mehreren Transversallinien durchschnitten
werden, welche meist von Alexandrien ausgehen. In der Nähe der Ortschaften
und der ergiebigsten Kulturflächen sind alle Kanäle und Stromarme mit Dämmen
eingefaßt, deren Zerstörung einem Verteidiger Unteräghptens gegen europäische
Streitkräfte keinerlei Schwierigkeiten machen würde.

Wie es nach dem Gesagten in diesen fast durchgehends flachen Gegenden
aussehen würde, wenn die Ägypter das Fluß- und Kannlsystem des Deltas und
seiner östlichen und westlichen Nebengebiete in defensiver Absicht ausnützten,
kann mau sich ohne viel Aufwand von Phantasie vorstellen. Arabi kann, falls
ihm seine Partei und die Truppen treu bleiben, den Engländern zwar sicherlich
auf die Dauer uicht widerstehen, ihnen aber das Vordringen nach Süden außer¬
ordentlich erschweren. Er kann ihnen einerseits das Trinkwasser abschneiden,
andrerseits das Land, das sie zwischen Alexandrien und Kairo zu Passiren haben,
in der Weise überfluten, daß es für Geschütze und Wagen mit Munition und
Proviant ungangbar wird. Bereits scheint es, als ob er nach beiden Rich¬
tungen hin Vorkehrungen getroffen hätte: er hat den Mahmudijeknnal einge¬
dämmt, sodaß jetzt schon weniger Trinkwasser nach Alexandrien gelangt und bald
der ganze Zufluß versiegt sein wird, und es wird berichtet, daß er zu gleicher


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[0278] Der ägyptische Ariegsschciuplatz. der Kultur gewonnen wurden, zuletzt aber durch Vernachlässigung wieder einen Charakter annahmen, der halb See, halb Morast ist: im äußersten Osten, zwischen dem nördlichen Laufe des Suezkanals und der Stadt Damiette, der Menzalesee, dessen seichtes Brackwasser eine Fläche von 46 Quadrcitmeileu be¬ deckt, und in dem drei Arme des Nils, der pelusische, der launische und der mendesische, verschwinden, ohne, wie im Altertume, das Meer zu erreichen, weiter nach Westen hin zunächst der nicht viel kleinere Burlussee, dann, dicht bei ein¬ ander, der Edkn-, der Abukir- und der Mariutsee. Das gesammte Delta und das rechts und links davon noch angebaute Gebiet wird namentlich im Osten von einer Menge kleinerer Nilarme durchschnitten und ist außerdem, etwa wie Holland, von einem vielmaschigen Netze künstlicher Wasser¬ läufe bedeckt. Jene Flußadern und diese Kanüle verzweigen sich in Gestalt eines Fächers von Kaljub über den ganzen weiten Raum zwischen diesem Orte, Alexandrien, Rosette, Damiette, Port Said und Jsmailia. Die größten unter¬ ägyptischen Kanäle, die der Nil mit seinem Wasser speist, sind der Mcchmudije- kcmal, der bei Fua am Rosettearm des Stromes in nordwestlicher Richtung nach Alexandrien läuft, und derjenige, welcher sich bei Zagazik von einer Seiten¬ ader des Damiettearmes abzweigt und nach Osten, durch das Wadi Tumilat, eine Bodensenkung in der Wüste, bis nach Jsmailia geht, von wo er dem Laufe des (salzigen) Suezkcmals bis ans Rote Meer folgt. Den vier Hauptwasser- läufeu des Deltas und seines Zubehörs an östlichem und westlichem Marschlande, die wir in diesen beiden Kanälen und den beiden großen Armen des Nils vor nus haben, folgen mit einigen Abweichungen von Kairo aus ebensoviele Eisen- bnhnstrünge, die ihrerseits wieder von mehreren Transversallinien durchschnitten werden, welche meist von Alexandrien ausgehen. In der Nähe der Ortschaften und der ergiebigsten Kulturflächen sind alle Kanäle und Stromarme mit Dämmen eingefaßt, deren Zerstörung einem Verteidiger Unteräghptens gegen europäische Streitkräfte keinerlei Schwierigkeiten machen würde. Wie es nach dem Gesagten in diesen fast durchgehends flachen Gegenden aussehen würde, wenn die Ägypter das Fluß- und Kannlsystem des Deltas und seiner östlichen und westlichen Nebengebiete in defensiver Absicht ausnützten, kann mau sich ohne viel Aufwand von Phantasie vorstellen. Arabi kann, falls ihm seine Partei und die Truppen treu bleiben, den Engländern zwar sicherlich auf die Dauer uicht widerstehen, ihnen aber das Vordringen nach Süden außer¬ ordentlich erschweren. Er kann ihnen einerseits das Trinkwasser abschneiden, andrerseits das Land, das sie zwischen Alexandrien und Kairo zu Passiren haben, in der Weise überfluten, daß es für Geschütze und Wagen mit Munition und Proviant ungangbar wird. Bereits scheint es, als ob er nach beiden Rich¬ tungen hin Vorkehrungen getroffen hätte: er hat den Mahmudijeknnal einge¬ dämmt, sodaß jetzt schon weniger Trinkwasser nach Alexandrien gelangt und bald der ganze Zufluß versiegt sein wird, und es wird berichtet, daß er zu gleicher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/278>, abgerufen am 25.08.2024.