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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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kirchlicher Baudenkmäler segensreich gewirkt. Aber sein einseitiger Enthusiasmus
für die Gothik verhindert ihn, auch in größeren Kreisen eine gleich segensreiche
Wirksamkeit zu entfalten. Die Überzeugung, daß keine Aussicht für ein gothisches
Reichstagsgebäude vorhanden ist, hat ihn veranlaßt, von vornherein eine Wahl
in die Reichstagsgebäudekonlinissivu abzulehnen. Das Gros der Architekten
Deutschlands hat sich denn auch gegen ihn entschieden. Unter den 189 einge¬
sandten Entwürfen befinden sich nur vier oder fünf gothische. Selbst so prin¬
zipielle Vertreter des mittelalterlichen Baustils wie Ritter von Ferstel in Wien,
der Erbauer der gothischen Votivkirche, und Hubert Stier in Hannover (dritter
Preis) haben sich der Überzeugung nicht verschließen können, daß in dem modernen
Berlin nur ein Neuaissaucepalast seine Berechtigung hat, was auch schon die
Rücksicht auf die übrige architektonische Umgebung des Königsplatzes zur Not¬
wendigkeit macht. Daß bei der ersten Konkurrenz ein gothischer Entwurf, der
des Engländers Scott, einen zweiten Preis erhielt, war mir ein Akt internationaler
Höflichkeit.

Ein andres Parlamentsmitglied, welches noch einiges direkte Interesse für
Kunstfragen hat, ist Professor Mommsen. Er hat früher gesprochen, wenn es
sich um das Budget der Kunstmuseen handelte. Seitdem aber der ZrM ^dgoelar",
wie er sich gern neben dem Zrmr on-nocilUm-e nennen hört, auf das hohe Pferd
der großen Politik gestiegen ist, hat er mir noch ein Interesse für direkte und
indirekte Steuern und das damit verbundene Tabnrsiuonvpol, wofür er aller¬
dings nach den Behauptungen boshafter Gegner ein relativ größeres Verständnis
besitzen soll als für die Erzeugnisse der bildenden Kunst.

Was die parlamentarischen Mitglieder der Kommission betrifft -- von den
aus der Mitte des Bundesrath dclegirten sehen wir ab --, so erfreut sich der
Fürst von Pleß, und zwar mit vollem Rechte, des Rufes, ein warmer, verständ¬
nisvoller Freund und Förderer der bildenden Künste zu sein. Der Abgeordnete
Oberbaudirektor Gerwig bringt durch sein Amt und seine Thätigkeit eine gewisse
Bürgschaft mit sich. Von den übrigen sechs Mitgliedern hat aber, so viel wir
Nüssen, noch kein einziger durch ein hervorragendes Kunstinteresse oder Kunst¬
verständnis von sich reden gemacht. Wenigstens würde eine Presse, welche von
den geringsten Bewegungen und Entschließungen des Herrn Oberbürgermeisters
von Forckenbeck und des Herrn Abgeordneten und Maschinen- und Waffenfabri¬
kanten Ludwig Löwe anf das diensteifrigste Notiz nimmt, derartige Vorzüge
sicherlich nicht verschwiegen haben.

Man wird also nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die fachmännischer
Mitglieder der Jury, die Herren Geh. Baurat Adler, Oberbaume von Egle
(Stuttgart), Architekt Martin Haller (Hamburg), Oberbaurat sichert (München),
Oberhofballrat Persius, Oberballrat Schmidt (Wien), Bnurat Steitz (Köln) und
Maler Anton von Werner durch ihre bautechuischeu und baukünstlerischen Gut¬
achten einen gewissen Einfluß auf die nichtfachmännischen Mitglieder der Jury


kirchlicher Baudenkmäler segensreich gewirkt. Aber sein einseitiger Enthusiasmus
für die Gothik verhindert ihn, auch in größeren Kreisen eine gleich segensreiche
Wirksamkeit zu entfalten. Die Überzeugung, daß keine Aussicht für ein gothisches
Reichstagsgebäude vorhanden ist, hat ihn veranlaßt, von vornherein eine Wahl
in die Reichstagsgebäudekonlinissivu abzulehnen. Das Gros der Architekten
Deutschlands hat sich denn auch gegen ihn entschieden. Unter den 189 einge¬
sandten Entwürfen befinden sich nur vier oder fünf gothische. Selbst so prin¬
zipielle Vertreter des mittelalterlichen Baustils wie Ritter von Ferstel in Wien,
der Erbauer der gothischen Votivkirche, und Hubert Stier in Hannover (dritter
Preis) haben sich der Überzeugung nicht verschließen können, daß in dem modernen
Berlin nur ein Neuaissaucepalast seine Berechtigung hat, was auch schon die
Rücksicht auf die übrige architektonische Umgebung des Königsplatzes zur Not¬
wendigkeit macht. Daß bei der ersten Konkurrenz ein gothischer Entwurf, der
des Engländers Scott, einen zweiten Preis erhielt, war mir ein Akt internationaler
Höflichkeit.

Ein andres Parlamentsmitglied, welches noch einiges direkte Interesse für
Kunstfragen hat, ist Professor Mommsen. Er hat früher gesprochen, wenn es
sich um das Budget der Kunstmuseen handelte. Seitdem aber der ZrM ^dgoelar»,
wie er sich gern neben dem Zrmr on-nocilUm-e nennen hört, auf das hohe Pferd
der großen Politik gestiegen ist, hat er mir noch ein Interesse für direkte und
indirekte Steuern und das damit verbundene Tabnrsiuonvpol, wofür er aller¬
dings nach den Behauptungen boshafter Gegner ein relativ größeres Verständnis
besitzen soll als für die Erzeugnisse der bildenden Kunst.

Was die parlamentarischen Mitglieder der Kommission betrifft — von den
aus der Mitte des Bundesrath dclegirten sehen wir ab —, so erfreut sich der
Fürst von Pleß, und zwar mit vollem Rechte, des Rufes, ein warmer, verständ¬
nisvoller Freund und Förderer der bildenden Künste zu sein. Der Abgeordnete
Oberbaudirektor Gerwig bringt durch sein Amt und seine Thätigkeit eine gewisse
Bürgschaft mit sich. Von den übrigen sechs Mitgliedern hat aber, so viel wir
Nüssen, noch kein einziger durch ein hervorragendes Kunstinteresse oder Kunst¬
verständnis von sich reden gemacht. Wenigstens würde eine Presse, welche von
den geringsten Bewegungen und Entschließungen des Herrn Oberbürgermeisters
von Forckenbeck und des Herrn Abgeordneten und Maschinen- und Waffenfabri¬
kanten Ludwig Löwe anf das diensteifrigste Notiz nimmt, derartige Vorzüge
sicherlich nicht verschwiegen haben.

Man wird also nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß die fachmännischer
Mitglieder der Jury, die Herren Geh. Baurat Adler, Oberbaume von Egle
(Stuttgart), Architekt Martin Haller (Hamburg), Oberbaurat sichert (München),
Oberhofballrat Persius, Oberballrat Schmidt (Wien), Bnurat Steitz (Köln) und
Maler Anton von Werner durch ihre bautechuischeu und baukünstlerischen Gut¬
achten einen gewissen Einfluß auf die nichtfachmännischen Mitglieder der Jury


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/183>, abgerufen am 22.07.2024.