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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Zur Reform unsrer Universitäten.

Besserung wir in Übereinstimmung mit den Parteien aller Farben arbeiten
wollen und auch arbeiten können.

Eine weitere Bemerkung des Verfassers darf gleichfalls nicht unangefochten
bleiben, obwohl er dieselbe nnr nebenher einfließen läßt, ohne der schweren
Folgen, welche an ihre Verwirklichung sich knüpfen würden, sich bewußt zu
werdeu. Er sagt nämlich um Schluß seiner Abhandlung: "Wollte ein Gleich¬
gesinnter, der die Kraft dafür in sich fühlt, auf das unendlich schwierigere Gebiet
des Handels hinübertreten, so scheint mir nur, wenn es uicht der zukünftige
Kultusminister des deutschen Reiches selbe-r sein sollte, ein Weg offen zu liegen ..
Vor einem Reichskultusmiuistcr wolle uus der Himmel behüten! Nichts ist so
sehr die Aufgabe der Stände, der einzelnen Staaten im deutschen Reiche als
die Pflege der Kultur, ihrer Bildungsstätten, die in ihrer glücklichen Mannich-
faltigkeit und individualisirenden Besonderheit nur erhalten bleiben können, wenn
ihre Leitung nicht in einer Hand vereinigt ist. Wir möchten eher, daß den
preußischen Provinzen ihre Universitäten zurückgegeben, als daß alle deutschen
Hochschulen ein er Kontrolbehörde unterstellt würden. Denn was wäre die
Folge? Erstens würde der Schwerpunkt uach ein er Universität verlegt, und
das preußische Prinzip, neben Berlin nur Universitäten zweiten und dritten
Ranges zu dulden, würde, auf das deutsche Reich übertragen, Leipzig, München,
Tübingen n. s- w. auf eine tiefere Stufe hinabdrücken. Was wäre die weitere
Folge? Während jetzt neben Berlin noch Leipzig und andre Hochschulen unabhängige
Zentren für wissenschaftliche Arbeit bilden, werden dann die von Berliner
Koryphäen ausgehenden Schulen sowie gegenwärtig auf den preußischen ihren
Einzug auf allen deutscheu Universitäten halten. Es ist ja natürlich, wenn auch
bedauerlich, daß die der Unterrichtsverwaltung lokal um nächsten stehenden Ge¬
lehrten den meisten Einfluß auf dieselbe ausüben. Unter den Vertretern vieler
Fächer ist es kein Geheimnis, wer bei der Besetzung akademischer Stellen eine
hervorragende Rolle spielt. Wenn wir auch gern einräumen, daß ein Mi߬
brauch wissentlich nicht stattfinde, so ist es doch menschlich, wenn den betreffenden
Autoritciteu genehme Gelehrte, sei es, daß sie als Schüler willig den Ruhm des
Meisters verbreiten, sei es, daß ihre Arbeiten sich in entgegenkommender Rich¬
tung bewegen, auch zuerst als besonders qnalifizirte Bewerber erscheinen und
dementsprechend empfohlen werden. Wir haben es mit aufrichtiger Freude be¬
grüßt, als ein hervorragender Parlamentarier -- der sonst nicht unser Mann
ist -- in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 15. März dieses
Jahres diesen wunden Fleck berührte. "Ich bemerke dabei, sagte er, daß das,
was mir gesagt worden ist. auch nicht den mindesten Makel auf diese Herren
wirft. Im Gegenteil, sie sind so ehrenwert, wie sie nur überall sein und ge¬
schildert werden können. Ich habe in der That an ihrer Ehrenhaftigkeit nicht
den geringsten Zweifel. Wenn man mir mitteilt, eine solche Gesellschaft habe
in der Regel Einfluß bei den vorkommenden Beförderungen, so ist das nur der


Zur Reform unsrer Universitäten.

Besserung wir in Übereinstimmung mit den Parteien aller Farben arbeiten
wollen und auch arbeiten können.

Eine weitere Bemerkung des Verfassers darf gleichfalls nicht unangefochten
bleiben, obwohl er dieselbe nnr nebenher einfließen läßt, ohne der schweren
Folgen, welche an ihre Verwirklichung sich knüpfen würden, sich bewußt zu
werdeu. Er sagt nämlich um Schluß seiner Abhandlung: „Wollte ein Gleich¬
gesinnter, der die Kraft dafür in sich fühlt, auf das unendlich schwierigere Gebiet
des Handels hinübertreten, so scheint mir nur, wenn es uicht der zukünftige
Kultusminister des deutschen Reiches selbe-r sein sollte, ein Weg offen zu liegen ..
Vor einem Reichskultusmiuistcr wolle uus der Himmel behüten! Nichts ist so
sehr die Aufgabe der Stände, der einzelnen Staaten im deutschen Reiche als
die Pflege der Kultur, ihrer Bildungsstätten, die in ihrer glücklichen Mannich-
faltigkeit und individualisirenden Besonderheit nur erhalten bleiben können, wenn
ihre Leitung nicht in einer Hand vereinigt ist. Wir möchten eher, daß den
preußischen Provinzen ihre Universitäten zurückgegeben, als daß alle deutschen
Hochschulen ein er Kontrolbehörde unterstellt würden. Denn was wäre die
Folge? Erstens würde der Schwerpunkt uach ein er Universität verlegt, und
das preußische Prinzip, neben Berlin nur Universitäten zweiten und dritten
Ranges zu dulden, würde, auf das deutsche Reich übertragen, Leipzig, München,
Tübingen n. s- w. auf eine tiefere Stufe hinabdrücken. Was wäre die weitere
Folge? Während jetzt neben Berlin noch Leipzig und andre Hochschulen unabhängige
Zentren für wissenschaftliche Arbeit bilden, werden dann die von Berliner
Koryphäen ausgehenden Schulen sowie gegenwärtig auf den preußischen ihren
Einzug auf allen deutscheu Universitäten halten. Es ist ja natürlich, wenn auch
bedauerlich, daß die der Unterrichtsverwaltung lokal um nächsten stehenden Ge¬
lehrten den meisten Einfluß auf dieselbe ausüben. Unter den Vertretern vieler
Fächer ist es kein Geheimnis, wer bei der Besetzung akademischer Stellen eine
hervorragende Rolle spielt. Wenn wir auch gern einräumen, daß ein Mi߬
brauch wissentlich nicht stattfinde, so ist es doch menschlich, wenn den betreffenden
Autoritciteu genehme Gelehrte, sei es, daß sie als Schüler willig den Ruhm des
Meisters verbreiten, sei es, daß ihre Arbeiten sich in entgegenkommender Rich¬
tung bewegen, auch zuerst als besonders qnalifizirte Bewerber erscheinen und
dementsprechend empfohlen werden. Wir haben es mit aufrichtiger Freude be¬
grüßt, als ein hervorragender Parlamentarier — der sonst nicht unser Mann
ist — in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 15. März dieses
Jahres diesen wunden Fleck berührte. „Ich bemerke dabei, sagte er, daß das,
was mir gesagt worden ist. auch nicht den mindesten Makel auf diese Herren
wirft. Im Gegenteil, sie sind so ehrenwert, wie sie nur überall sein und ge¬
schildert werden können. Ich habe in der That an ihrer Ehrenhaftigkeit nicht
den geringsten Zweifel. Wenn man mir mitteilt, eine solche Gesellschaft habe
in der Regel Einfluß bei den vorkommenden Beförderungen, so ist das nur der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/178>, abgerufen am 03.07.2024.