Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.Aur Reform unsrer Universitäten. Ausfluß einer ganz gewöhnlichen Erscheinung im menschlichen Leben. Diese Adolph Mayer hat, um diesem Übel zu steuern, sehr beachtenswerte Vor¬ Aur Reform unsrer Universitäten. Ausfluß einer ganz gewöhnlichen Erscheinung im menschlichen Leben. Diese Adolph Mayer hat, um diesem Übel zu steuern, sehr beachtenswerte Vor¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193520"/> <fw type="header" place="top"> Aur Reform unsrer Universitäten.</fw><lb/> <p xml:id="ID_573" prev="#ID_572"> Ausfluß einer ganz gewöhnlichen Erscheinung im menschlichen Leben. Diese<lb/> Herren sind nach dem eignen Zeugnis des Herrn Kollegen Birchvw auf ärzt¬<lb/> lichem Gelnet die angesehensten Männer, sind also infolge dessen ganz ohne<lb/> Zweifel in allen Hotels der Minister und der Geheimräte — das ist das aller-<lb/> wichtigste — die berufenen Konsultatvren, und es ist ganz naturgemäß und den<lb/> Verhältnissen entsprechend, wenn dnrch die Befürwortung dieser Herren eine<lb/> ziemliche Zahl von Beförderungen geschehen. Dazu bedarf es durchaus noch<lb/> nicht irgend eines bewußten Vergehens, das macht sich ganz von selbst, und<lb/> gerade die Exklusivität, die der Kollege Virchow uus dargelegt hat, beweist mir,<lb/> wie stark diese Gesellschaft sein mich. Wenn ich also ans den akademischen<lb/> Kreisen hierauf aufmerksam gemacht worden bin, so werde ich nach diesen Schil¬<lb/> derungen und nach den gewöhnlichen menschlichen Erfahrungen zu der Über¬<lb/> zeugung gebracht: es muß doch wohl etwas daran sein. Ich wiederhole, es<lb/> liegt darin keineswegs irgendwie die Verdächtigung einer bösen Absicht. 'Die<lb/> Herren sprechen ohne Zweifel nach ihrer Überzeugung. Aber infolge der Ex¬<lb/> klusivität ist es eben dem Menschen sehr schwer, außerhalb des Kreises, in dem<lb/> er sich befindet, nun auch etwas zu entdecken, was gut und fähig ist . . Herr<lb/> Windthorst Hütte nur in seinen folgenden, eine Ellanöte empfehlenden Worten<lb/> nicht vergessen sollen, daß die geistigen Vater- oder Vetterschaften in diesen<lb/> Dingen einen noch viel lveittragenderen Einfluß haben als leibliche Verwandt¬<lb/> schaft. Auf jene gründet sich die Thatsache, daß treue Arbeiter auf isolirten<lb/> Gebieten, welche am Ende gar den Mut hatten, eine eigne Meinung, sei es<lb/> gegen den „Ring" einer Schule, sei es gegen einflußreiche Gelehrte entschieden<lb/> zu verfechten — gewiß nicht die schlechtesten Jünger der Wissenschaft! — nicht<lb/> selten ohne weiteres übergangen und dadurch selbst aus ihrer Laufbahn ge¬<lb/> stoßen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_574" next="#ID_575"> Adolph Mayer hat, um diesem Übel zu steuern, sehr beachtenswerte Vor¬<lb/> schläge gemacht, und wir wünschten, daß denselben von allen Seiten, insbesondre<lb/> von maßgebender Stelle aus, Gehör geschenkt würde, damit dem Treiben von<lb/> Faiseuren, die nicht müde werden, zu antichambrircn und hinter dem Rücken<lb/> der Ministerien in privater Korrespondenz sich si'ir ihre Schüler zu verwenden,<lb/> endlich Halt geboten würde. „Ist ein Privatdozent — so lautet der Vorschlag<lb/> des Verfassers — eine gewisse Reihe voll Jahren (3 bis 6 etwa) thätig gewesen<lb/> und noch nicht dnrch eine Berufung in ein wirkliches Lehramt eingerückt, so<lb/> zirkulirt sein Name vo i^u, d. h. ohne alles Zuthun seinerseits, bei den ent¬<lb/> sprechenden Fakultäten aller Universitäten, und jeder Ordinarius desselben Faches<lb/> giebt eine kleine Notiz über die fragliche Persönlichkeit, wozu ein besonderes<lb/> Studium der Arbeiten des Betreffenden keineswegs nötig wäre, da ja einige<lb/> Orientirung vou vornherein selbstverständlich ist. Innerhalb eines Semesters<lb/> sind die Stimmen gesammelt und das Votum fällt, am zweckmäßigsten vielleicht<lb/> mit Zweidrittelmajorität . . - Die Arbeitslast (die den Ordinarien zufällt) dürfte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Aur Reform unsrer Universitäten.
Ausfluß einer ganz gewöhnlichen Erscheinung im menschlichen Leben. Diese
Herren sind nach dem eignen Zeugnis des Herrn Kollegen Birchvw auf ärzt¬
lichem Gelnet die angesehensten Männer, sind also infolge dessen ganz ohne
Zweifel in allen Hotels der Minister und der Geheimräte — das ist das aller-
wichtigste — die berufenen Konsultatvren, und es ist ganz naturgemäß und den
Verhältnissen entsprechend, wenn dnrch die Befürwortung dieser Herren eine
ziemliche Zahl von Beförderungen geschehen. Dazu bedarf es durchaus noch
nicht irgend eines bewußten Vergehens, das macht sich ganz von selbst, und
gerade die Exklusivität, die der Kollege Virchow uus dargelegt hat, beweist mir,
wie stark diese Gesellschaft sein mich. Wenn ich also ans den akademischen
Kreisen hierauf aufmerksam gemacht worden bin, so werde ich nach diesen Schil¬
derungen und nach den gewöhnlichen menschlichen Erfahrungen zu der Über¬
zeugung gebracht: es muß doch wohl etwas daran sein. Ich wiederhole, es
liegt darin keineswegs irgendwie die Verdächtigung einer bösen Absicht. 'Die
Herren sprechen ohne Zweifel nach ihrer Überzeugung. Aber infolge der Ex¬
klusivität ist es eben dem Menschen sehr schwer, außerhalb des Kreises, in dem
er sich befindet, nun auch etwas zu entdecken, was gut und fähig ist . . Herr
Windthorst Hütte nur in seinen folgenden, eine Ellanöte empfehlenden Worten
nicht vergessen sollen, daß die geistigen Vater- oder Vetterschaften in diesen
Dingen einen noch viel lveittragenderen Einfluß haben als leibliche Verwandt¬
schaft. Auf jene gründet sich die Thatsache, daß treue Arbeiter auf isolirten
Gebieten, welche am Ende gar den Mut hatten, eine eigne Meinung, sei es
gegen den „Ring" einer Schule, sei es gegen einflußreiche Gelehrte entschieden
zu verfechten — gewiß nicht die schlechtesten Jünger der Wissenschaft! — nicht
selten ohne weiteres übergangen und dadurch selbst aus ihrer Laufbahn ge¬
stoßen werden.
Adolph Mayer hat, um diesem Übel zu steuern, sehr beachtenswerte Vor¬
schläge gemacht, und wir wünschten, daß denselben von allen Seiten, insbesondre
von maßgebender Stelle aus, Gehör geschenkt würde, damit dem Treiben von
Faiseuren, die nicht müde werden, zu antichambrircn und hinter dem Rücken
der Ministerien in privater Korrespondenz sich si'ir ihre Schüler zu verwenden,
endlich Halt geboten würde. „Ist ein Privatdozent — so lautet der Vorschlag
des Verfassers — eine gewisse Reihe voll Jahren (3 bis 6 etwa) thätig gewesen
und noch nicht dnrch eine Berufung in ein wirkliches Lehramt eingerückt, so
zirkulirt sein Name vo i^u, d. h. ohne alles Zuthun seinerseits, bei den ent¬
sprechenden Fakultäten aller Universitäten, und jeder Ordinarius desselben Faches
giebt eine kleine Notiz über die fragliche Persönlichkeit, wozu ein besonderes
Studium der Arbeiten des Betreffenden keineswegs nötig wäre, da ja einige
Orientirung vou vornherein selbstverständlich ist. Innerhalb eines Semesters
sind die Stimmen gesammelt und das Votum fällt, am zweckmäßigsten vielleicht
mit Zweidrittelmajorität . . - Die Arbeitslast (die den Ordinarien zufällt) dürfte
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