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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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durch ein Tuch geseiht genießen kann. Auch sollst giebt es im Lande der Palmen
Ungeziefer aller Ort, Flöhe, Wanzen und Schaben, Bremsen und Hornissen, Skor-
pionen, Taranteln und giftige Tausendfüße in reichlichster Anzahl. Nicht viel
weniger Verdruß als diese Geschöpfe bereitet die Ameise, die in alle Häuser eindringt
und den Speisen, besonders allem Süßen, nachstellt. Die ägyptische Biene gleicht
im wesentlichen der unsrigen, ihre Zucht wurde von den alten Bewohnern des
Nilthals eifrig betrieben, jetzt ist sie unbedeutend. Die Eingebornen essen zwar
sehr viel "Honig," aber fast nur "schwarzen," d. h. Znckerrohrsyrnp; der "weiße"
kommt größtenteils ans Arabien lind wird teuer bezahlt.

Blicken wir zurück, so geht der monotone Charakter der Flora des Nillandes
auch durch dessen Fauna, der Artenreichtum ist fast in allen Klassen derselben
auffallend gering, nud rechnen wir dazu, daß auch die Konsignrntiou der Wüsten-
berge, welche das Tiefland mit dem Strome zu dessen beiden Seiten einschließen,
auf weite Strecken hin wenig Abwechslung zeigt und fast nur in der größern
oder geringern Entferntheit dieser nackten Felsketten vom Wasser besteht, daß
die Städte einander im wesentlichen gleichen lind ein Dorf ungefähr wie das
andre aussieht, so gehört Ägypten zu den einförmigsten Gegenden der Erde, nud
das Interesse, das den Reisenden hierherführt, basirt sich nur auf die Altertümer
ans der Phnraonenzeit, ans einige schöne Bauten aus den Tagen der Chalifen
und auf die Sitte und Tracht der heutigen Bevölkerung. Wer sonst von Euro¬
päern hier verweilt, denkt ans Geldverdienen, welches unter Mehemed Ali, send
und Ismael unternehmenden, findigen lind nicht allzu gewissenhaften Leuten, be¬
sonders wenn ihnen französische Empfehlung unter die Arme griff, meist rasch
zu Reichtum VerHals.

Wir schließen mit einigen Notizen über Alexandrien als diejenige Stadt
Ägyptens, welche gegenwärtig die Augen Europas am meisten auf sich lenkt.
In der Zeit der makedonischer und römischen Herrschaft war es der größte
Handelsplatz der Welt und zugleich ein Hauptsitz der spätgriechischen Gelehrsam¬
keit. Es soll damals eine halbe Million Einwohner gezählt haben. Nach der
Eroberung Ägyptens dnrch Aar Ihr El Asi, den Feldherrn des Chalifen Omar,
sank die Bedeutung Alexandriens zunächst durch die Gründung und Bevorzugung
der neuen Residenzstadt Kairo, die etwas oberhalb der Südspitze des Deltas,
schräg gegenüber von Memphis und den großen Pyramiden, entstand, lind später
durch die Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung nach Indien
und durch die Auffindung Amerikas. Nach der Eroberung des Landes durch
die Türken versiele" unter der lüderlicher Wirtschaft der Mamelucken die Kanüle,
die dem Landhandel gedient hatten, die Häfen versandeten, und ein großer Teil
der Umgebung der Stadt wurde zu Sumpf und Wüste. Zu Anfang unsers Jahr-
hunderts war Alexandrien zu einem Städtchen von etwa fünftausend Einwohnern
herabgekommen. Seitdem begann es allmählich und zuletzt rascher und immer
rascher wiederaufzublühen, bis ihm der Suezkanal von neuem einigen Eintrag


durch ein Tuch geseiht genießen kann. Auch sollst giebt es im Lande der Palmen
Ungeziefer aller Ort, Flöhe, Wanzen und Schaben, Bremsen und Hornissen, Skor-
pionen, Taranteln und giftige Tausendfüße in reichlichster Anzahl. Nicht viel
weniger Verdruß als diese Geschöpfe bereitet die Ameise, die in alle Häuser eindringt
und den Speisen, besonders allem Süßen, nachstellt. Die ägyptische Biene gleicht
im wesentlichen der unsrigen, ihre Zucht wurde von den alten Bewohnern des
Nilthals eifrig betrieben, jetzt ist sie unbedeutend. Die Eingebornen essen zwar
sehr viel „Honig," aber fast nur „schwarzen," d. h. Znckerrohrsyrnp; der „weiße"
kommt größtenteils ans Arabien lind wird teuer bezahlt.

Blicken wir zurück, so geht der monotone Charakter der Flora des Nillandes
auch durch dessen Fauna, der Artenreichtum ist fast in allen Klassen derselben
auffallend gering, nud rechnen wir dazu, daß auch die Konsignrntiou der Wüsten-
berge, welche das Tiefland mit dem Strome zu dessen beiden Seiten einschließen,
auf weite Strecken hin wenig Abwechslung zeigt und fast nur in der größern
oder geringern Entferntheit dieser nackten Felsketten vom Wasser besteht, daß
die Städte einander im wesentlichen gleichen lind ein Dorf ungefähr wie das
andre aussieht, so gehört Ägypten zu den einförmigsten Gegenden der Erde, nud
das Interesse, das den Reisenden hierherführt, basirt sich nur auf die Altertümer
ans der Phnraonenzeit, ans einige schöne Bauten aus den Tagen der Chalifen
und auf die Sitte und Tracht der heutigen Bevölkerung. Wer sonst von Euro¬
päern hier verweilt, denkt ans Geldverdienen, welches unter Mehemed Ali, send
und Ismael unternehmenden, findigen lind nicht allzu gewissenhaften Leuten, be¬
sonders wenn ihnen französische Empfehlung unter die Arme griff, meist rasch
zu Reichtum VerHals.

Wir schließen mit einigen Notizen über Alexandrien als diejenige Stadt
Ägyptens, welche gegenwärtig die Augen Europas am meisten auf sich lenkt.
In der Zeit der makedonischer und römischen Herrschaft war es der größte
Handelsplatz der Welt und zugleich ein Hauptsitz der spätgriechischen Gelehrsam¬
keit. Es soll damals eine halbe Million Einwohner gezählt haben. Nach der
Eroberung Ägyptens dnrch Aar Ihr El Asi, den Feldherrn des Chalifen Omar,
sank die Bedeutung Alexandriens zunächst durch die Gründung und Bevorzugung
der neuen Residenzstadt Kairo, die etwas oberhalb der Südspitze des Deltas,
schräg gegenüber von Memphis und den großen Pyramiden, entstand, lind später
durch die Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung nach Indien
und durch die Auffindung Amerikas. Nach der Eroberung des Landes durch
die Türken versiele« unter der lüderlicher Wirtschaft der Mamelucken die Kanüle,
die dem Landhandel gedient hatten, die Häfen versandeten, und ein großer Teil
der Umgebung der Stadt wurde zu Sumpf und Wüste. Zu Anfang unsers Jahr-
hunderts war Alexandrien zu einem Städtchen von etwa fünftausend Einwohnern
herabgekommen. Seitdem begann es allmählich und zuletzt rascher und immer
rascher wiederaufzublühen, bis ihm der Suezkanal von neuem einigen Eintrag


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[0166] durch ein Tuch geseiht genießen kann. Auch sollst giebt es im Lande der Palmen Ungeziefer aller Ort, Flöhe, Wanzen und Schaben, Bremsen und Hornissen, Skor- pionen, Taranteln und giftige Tausendfüße in reichlichster Anzahl. Nicht viel weniger Verdruß als diese Geschöpfe bereitet die Ameise, die in alle Häuser eindringt und den Speisen, besonders allem Süßen, nachstellt. Die ägyptische Biene gleicht im wesentlichen der unsrigen, ihre Zucht wurde von den alten Bewohnern des Nilthals eifrig betrieben, jetzt ist sie unbedeutend. Die Eingebornen essen zwar sehr viel „Honig," aber fast nur „schwarzen," d. h. Znckerrohrsyrnp; der „weiße" kommt größtenteils ans Arabien lind wird teuer bezahlt. Blicken wir zurück, so geht der monotone Charakter der Flora des Nillandes auch durch dessen Fauna, der Artenreichtum ist fast in allen Klassen derselben auffallend gering, nud rechnen wir dazu, daß auch die Konsignrntiou der Wüsten- berge, welche das Tiefland mit dem Strome zu dessen beiden Seiten einschließen, auf weite Strecken hin wenig Abwechslung zeigt und fast nur in der größern oder geringern Entferntheit dieser nackten Felsketten vom Wasser besteht, daß die Städte einander im wesentlichen gleichen lind ein Dorf ungefähr wie das andre aussieht, so gehört Ägypten zu den einförmigsten Gegenden der Erde, nud das Interesse, das den Reisenden hierherführt, basirt sich nur auf die Altertümer ans der Phnraonenzeit, ans einige schöne Bauten aus den Tagen der Chalifen und auf die Sitte und Tracht der heutigen Bevölkerung. Wer sonst von Euro¬ päern hier verweilt, denkt ans Geldverdienen, welches unter Mehemed Ali, send und Ismael unternehmenden, findigen lind nicht allzu gewissenhaften Leuten, be¬ sonders wenn ihnen französische Empfehlung unter die Arme griff, meist rasch zu Reichtum VerHals. Wir schließen mit einigen Notizen über Alexandrien als diejenige Stadt Ägyptens, welche gegenwärtig die Augen Europas am meisten auf sich lenkt. In der Zeit der makedonischer und römischen Herrschaft war es der größte Handelsplatz der Welt und zugleich ein Hauptsitz der spätgriechischen Gelehrsam¬ keit. Es soll damals eine halbe Million Einwohner gezählt haben. Nach der Eroberung Ägyptens dnrch Aar Ihr El Asi, den Feldherrn des Chalifen Omar, sank die Bedeutung Alexandriens zunächst durch die Gründung und Bevorzugung der neuen Residenzstadt Kairo, die etwas oberhalb der Südspitze des Deltas, schräg gegenüber von Memphis und den großen Pyramiden, entstand, lind später durch die Entdeckung des Seewegs um das Kap der guten Hoffnung nach Indien und durch die Auffindung Amerikas. Nach der Eroberung des Landes durch die Türken versiele« unter der lüderlicher Wirtschaft der Mamelucken die Kanüle, die dem Landhandel gedient hatten, die Häfen versandeten, und ein großer Teil der Umgebung der Stadt wurde zu Sumpf und Wüste. Zu Anfang unsers Jahr- hunderts war Alexandrien zu einem Städtchen von etwa fünftausend Einwohnern herabgekommen. Seitdem begann es allmählich und zuletzt rascher und immer rascher wiederaufzublühen, bis ihm der Suezkanal von neuem einigen Eintrag

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/166>, abgerufen am 24.08.2024.