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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ägypten und die heutigen Ägypter.

ausgerottet, doch wird er von den Paschas nicht selten aus dem Sudan bezogen
und als Zierde ihrer Höfe gehalten. Auch das Flußpferd ist im eigentlichen
Ägypten ausgestorben.

Singvögel sieht und hört man am Nil fast gar nicht. Dagegen schwebt
Raubzeug tu Menge über den Gefilden, auch fehlt es nicht an Feldhühnern,
Wachteln und Reihern, ebensowenig an Pelikanen, die zu Hunderten dicht an-
einandergedrängt, am Gestade der Nilinseln sitzen, verdauen und meditireu, an
Jbissen, Flamingos, Marabuts und Regenpfeifern. Im Sommer ist anßer den
ungeheuern Taubenschwärmen der Fellahdörfer nicht viel von gefiederten Tieren
zu erblicken. Dagegen wird das Land im Winter das Stelldichein einer sehr
mannichfaltigen, lebhaften und bunten Vogelwelt. Was irgend Wandertrieb hat,
kommt dann von Norden durch diesen einzigen Eingang ins Innere Afrikas,
um zu Ende des nordischen Winters wieder durchzureisen, und wenn der Nil
die Sohle seines Thales in einen See verwandelt, im Herbst also, stellen sich
in unzählbaren Schaaren die Wasservögel des Mittelmeeres und das schnatternde,
klappernde und kreischende Federvolk der nnterügyptischeu Sümpfe auch in den
stromaufwärts gelegenen Regionen des Landes ein.

Ägypten war von jeher berüchtigt durch seiue vielen Schlangen. Es giebt
deren hier gegen zwanzig Arten, darunter mehrere sehr giftige, unter denen die
Schildviper (arabisch Naja haja) die gefährlichste ist. Das Krokodil ist selten
geworden und nur noch im südlichen Teile Oberügyptens anzutreffen. Andere
Gattungen der Reptilienzunft des Landes sind die Frösche, welche die von der
Überschwemmung zurückbleibende"! Pfützen zu Millionen beleben, die Schildkröten
des Flusses, die buntgefärbten Eidechsen der Feldraine, der schlüpfrige Saint,
der fast neben jedem Bauernhause sich eingräbt, und der kleine naschhafte Gecko,
der "Vater des Aussatzes," der des nachts quiekend an den Stubeuwäudcu hin-
huscht. Auf Väumen gewahrt mau zuweilen das Chamäleon, während man ant
Rande der Wüste mitunter Erdagamen und Harduneu mehrere Fuß lang, hübsch
gefärbt und mit laugen Wirtelschwäuzeu versehen, hurtig dahinfahren sieht.

Die Fische des Nil sind nicht viel wert. Man findet unter ihnen unsere
Barsche, Karpfen und Aale, besonders häufig deu Wels, aber auch Arten, die
mehr deu südwestafritauischeu, z. B. denen des Senegal, gleichen. Die Insekten-
Welt Ägyptens nähert sich teilweise ebenfalls deu Formen derjenigen des tiefern
Südens. Tagesschmetterlinge sind selten, anch die Käfer sind nicht besonders
zahlreich. Dagegen treten die wespenartigen Insekten in großen und schönen
Formen anf, und an deu Knucilcu tummeln sich in Menge rötlich gefärbte Li¬
bellen. Von deu Geradflüglern waren von jeher die Heuschrecken eine Haupt-
laudplage in Ägypten; eine besonders unerfreuliche Rolle aber spielen hier die
Zweiflügler. Höchst lustig ist die gemeine Stubenfliege, die nirgends so dreist
ist wie am Nil, und wenig besser ist die Stechmücke, deren wurmartige Larven
zu gewissen Zeiten das Trinkwasser in solcher Menge erfüllen, daß man es nur


Ägypten und die heutigen Ägypter.

ausgerottet, doch wird er von den Paschas nicht selten aus dem Sudan bezogen
und als Zierde ihrer Höfe gehalten. Auch das Flußpferd ist im eigentlichen
Ägypten ausgestorben.

Singvögel sieht und hört man am Nil fast gar nicht. Dagegen schwebt
Raubzeug tu Menge über den Gefilden, auch fehlt es nicht an Feldhühnern,
Wachteln und Reihern, ebensowenig an Pelikanen, die zu Hunderten dicht an-
einandergedrängt, am Gestade der Nilinseln sitzen, verdauen und meditireu, an
Jbissen, Flamingos, Marabuts und Regenpfeifern. Im Sommer ist anßer den
ungeheuern Taubenschwärmen der Fellahdörfer nicht viel von gefiederten Tieren
zu erblicken. Dagegen wird das Land im Winter das Stelldichein einer sehr
mannichfaltigen, lebhaften und bunten Vogelwelt. Was irgend Wandertrieb hat,
kommt dann von Norden durch diesen einzigen Eingang ins Innere Afrikas,
um zu Ende des nordischen Winters wieder durchzureisen, und wenn der Nil
die Sohle seines Thales in einen See verwandelt, im Herbst also, stellen sich
in unzählbaren Schaaren die Wasservögel des Mittelmeeres und das schnatternde,
klappernde und kreischende Federvolk der nnterügyptischeu Sümpfe auch in den
stromaufwärts gelegenen Regionen des Landes ein.

Ägypten war von jeher berüchtigt durch seiue vielen Schlangen. Es giebt
deren hier gegen zwanzig Arten, darunter mehrere sehr giftige, unter denen die
Schildviper (arabisch Naja haja) die gefährlichste ist. Das Krokodil ist selten
geworden und nur noch im südlichen Teile Oberügyptens anzutreffen. Andere
Gattungen der Reptilienzunft des Landes sind die Frösche, welche die von der
Überschwemmung zurückbleibende»! Pfützen zu Millionen beleben, die Schildkröten
des Flusses, die buntgefärbten Eidechsen der Feldraine, der schlüpfrige Saint,
der fast neben jedem Bauernhause sich eingräbt, und der kleine naschhafte Gecko,
der „Vater des Aussatzes," der des nachts quiekend an den Stubeuwäudcu hin-
huscht. Auf Väumen gewahrt mau zuweilen das Chamäleon, während man ant
Rande der Wüste mitunter Erdagamen und Harduneu mehrere Fuß lang, hübsch
gefärbt und mit laugen Wirtelschwäuzeu versehen, hurtig dahinfahren sieht.

Die Fische des Nil sind nicht viel wert. Man findet unter ihnen unsere
Barsche, Karpfen und Aale, besonders häufig deu Wels, aber auch Arten, die
mehr deu südwestafritauischeu, z. B. denen des Senegal, gleichen. Die Insekten-
Welt Ägyptens nähert sich teilweise ebenfalls deu Formen derjenigen des tiefern
Südens. Tagesschmetterlinge sind selten, anch die Käfer sind nicht besonders
zahlreich. Dagegen treten die wespenartigen Insekten in großen und schönen
Formen anf, und an deu Knucilcu tummeln sich in Menge rötlich gefärbte Li¬
bellen. Von deu Geradflüglern waren von jeher die Heuschrecken eine Haupt-
laudplage in Ägypten; eine besonders unerfreuliche Rolle aber spielen hier die
Zweiflügler. Höchst lustig ist die gemeine Stubenfliege, die nirgends so dreist
ist wie am Nil, und wenig besser ist die Stechmücke, deren wurmartige Larven
zu gewissen Zeiten das Trinkwasser in solcher Menge erfüllen, daß man es nur


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[0165] Ägypten und die heutigen Ägypter. ausgerottet, doch wird er von den Paschas nicht selten aus dem Sudan bezogen und als Zierde ihrer Höfe gehalten. Auch das Flußpferd ist im eigentlichen Ägypten ausgestorben. Singvögel sieht und hört man am Nil fast gar nicht. Dagegen schwebt Raubzeug tu Menge über den Gefilden, auch fehlt es nicht an Feldhühnern, Wachteln und Reihern, ebensowenig an Pelikanen, die zu Hunderten dicht an- einandergedrängt, am Gestade der Nilinseln sitzen, verdauen und meditireu, an Jbissen, Flamingos, Marabuts und Regenpfeifern. Im Sommer ist anßer den ungeheuern Taubenschwärmen der Fellahdörfer nicht viel von gefiederten Tieren zu erblicken. Dagegen wird das Land im Winter das Stelldichein einer sehr mannichfaltigen, lebhaften und bunten Vogelwelt. Was irgend Wandertrieb hat, kommt dann von Norden durch diesen einzigen Eingang ins Innere Afrikas, um zu Ende des nordischen Winters wieder durchzureisen, und wenn der Nil die Sohle seines Thales in einen See verwandelt, im Herbst also, stellen sich in unzählbaren Schaaren die Wasservögel des Mittelmeeres und das schnatternde, klappernde und kreischende Federvolk der nnterügyptischeu Sümpfe auch in den stromaufwärts gelegenen Regionen des Landes ein. Ägypten war von jeher berüchtigt durch seiue vielen Schlangen. Es giebt deren hier gegen zwanzig Arten, darunter mehrere sehr giftige, unter denen die Schildviper (arabisch Naja haja) die gefährlichste ist. Das Krokodil ist selten geworden und nur noch im südlichen Teile Oberügyptens anzutreffen. Andere Gattungen der Reptilienzunft des Landes sind die Frösche, welche die von der Überschwemmung zurückbleibende»! Pfützen zu Millionen beleben, die Schildkröten des Flusses, die buntgefärbten Eidechsen der Feldraine, der schlüpfrige Saint, der fast neben jedem Bauernhause sich eingräbt, und der kleine naschhafte Gecko, der „Vater des Aussatzes," der des nachts quiekend an den Stubeuwäudcu hin- huscht. Auf Väumen gewahrt mau zuweilen das Chamäleon, während man ant Rande der Wüste mitunter Erdagamen und Harduneu mehrere Fuß lang, hübsch gefärbt und mit laugen Wirtelschwäuzeu versehen, hurtig dahinfahren sieht. Die Fische des Nil sind nicht viel wert. Man findet unter ihnen unsere Barsche, Karpfen und Aale, besonders häufig deu Wels, aber auch Arten, die mehr deu südwestafritauischeu, z. B. denen des Senegal, gleichen. Die Insekten- Welt Ägyptens nähert sich teilweise ebenfalls deu Formen derjenigen des tiefern Südens. Tagesschmetterlinge sind selten, anch die Käfer sind nicht besonders zahlreich. Dagegen treten die wespenartigen Insekten in großen und schönen Formen anf, und an deu Knucilcu tummeln sich in Menge rötlich gefärbte Li¬ bellen. Von deu Geradflüglern waren von jeher die Heuschrecken eine Haupt- laudplage in Ägypten; eine besonders unerfreuliche Rolle aber spielen hier die Zweiflügler. Höchst lustig ist die gemeine Stubenfliege, die nirgends so dreist ist wie am Nil, und wenig besser ist die Stechmücke, deren wurmartige Larven zu gewissen Zeiten das Trinkwasser in solcher Menge erfüllen, daß man es nur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/165>, abgerufen am 25.08.2024.