Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Bakchen und Tlzyrsosträger.

nur mit ihren blauen Angen grosz an und wundern Sie sich! Ich könnte, wenn
ich wollte, so gut heucheln wie eine andre und könnte meine Gefühle nnter
einer hübschen, kleinen, züchtigen Maske verstecken. Aber ich mag es nicht, denn
ich bin keine Heuchlerin, und ich brauche es auch nicht, denn ich bin eine Komö¬
diantin !

Flörchen hatte noch manches zu entgegnen und schickte sich eben zu einer
geharnischten Antwort an, doch ward der Streit plötzlich dadurch unterbrochen,
daß vor Ephraims Wohnung ein Jagdwagen vorfuhr, ans welchem Ephraim
selbst in Begleitung eines Offiziers und eines andern, in Zivil gekleideten Herrn
aufstieg.

Die Schauspielerin verließ bei diesem Anblick Flörchen, ohne ein Wort weiter
zu sagen, und begab sich hinüber. Flörchen aber blieb zu Hause und bedauerte,
sich unnötige Sorge gemacht zu haben. Doch behielt sie voll Neugierde Ephraims
Fenster im Auge.

Die Schauspielerin kehrte sich inzwischen an keine Regel der Kvnvenienz,
sondern, betroffen von der Blässe des jungen Mannes, den sie liebte, begab sie
sich unverweilt in dessen Wohnung, um ihm nützlich zu sein, falls sie dazu im¬
stande wäre.

Sie fand Ephraim in Beratung mit seinen Begleitern, nud er teilte ihr
mit einem melancholischen Lächeln mit, daß er einen Zweikampf bestanden und
seineu Gegner schwer verwundet habe. So sehr sich aber das junge Mädchen
freute, daß er selbst nicht verletzt worden sei, so ward sie doch erschreckt dnrch
den fieberhaften Glanz seiner Angen, seine Blässe und etwas Ungewöhnliches
in seinem Wesen, eine Rastlosigkeit, eine Unruhe, welche von seiner sonstigen
nachdenklichen Gelassenheit erheblich abstachen, und sie war tief erschüttert durch
die verhängnisvolle Nachricht. Schaudernd und mit gefalteten Händen sank sie
auf einen Stuhl neben der Thür nieder und lauschte, wie in einem Traum be¬
fangen, der Unterhaltung zwischen Ephraims Begleitern, während dieser selbst
ging, um der Universitätsbehörde Anzeige zu machen und sich somit dem Gericht
zu stellen.

Ich habe niemals einen kaltblütigeren Herrn gesehen, sagte der Offizier.
Ich null nichts gegen Graf Ujfalvy sagen, er stellte anch seinen Mann, aber es
war doch ein Zwinkern in seinen Augen, als er in die Mündung sah, und seine
Hand war nicht so ruhig, als wenn er nach der Scheibe geschossen hätte. Es
ist eine verdammte Geschichte, wenn die Scheibe selber schießt. Aber dieser
schmächtige Jude, der, wie er mir sagte, doch in seinem ganzen Leben keine Pistole
in der Hand gehabt hatte, stand da, ich kann gar nicht beschreiben, wie. Es
war, als ginge ihn die Sache gnr nichts an, als sei er zum Vergnügen so dahin
gestellt, um auf sich schießen zu lassen. Ein heiteres Lächeln war auf seinein
Gesicht, so ein gewisser, ich möchte fast sagen himmlischer Ausdruck, wenn das
nicht lächerlich zu sagen wäre.


Bakchen und Tlzyrsosträger.

nur mit ihren blauen Angen grosz an und wundern Sie sich! Ich könnte, wenn
ich wollte, so gut heucheln wie eine andre und könnte meine Gefühle nnter
einer hübschen, kleinen, züchtigen Maske verstecken. Aber ich mag es nicht, denn
ich bin keine Heuchlerin, und ich brauche es auch nicht, denn ich bin eine Komö¬
diantin !

Flörchen hatte noch manches zu entgegnen und schickte sich eben zu einer
geharnischten Antwort an, doch ward der Streit plötzlich dadurch unterbrochen,
daß vor Ephraims Wohnung ein Jagdwagen vorfuhr, ans welchem Ephraim
selbst in Begleitung eines Offiziers und eines andern, in Zivil gekleideten Herrn
aufstieg.

Die Schauspielerin verließ bei diesem Anblick Flörchen, ohne ein Wort weiter
zu sagen, und begab sich hinüber. Flörchen aber blieb zu Hause und bedauerte,
sich unnötige Sorge gemacht zu haben. Doch behielt sie voll Neugierde Ephraims
Fenster im Auge.

Die Schauspielerin kehrte sich inzwischen an keine Regel der Kvnvenienz,
sondern, betroffen von der Blässe des jungen Mannes, den sie liebte, begab sie
sich unverweilt in dessen Wohnung, um ihm nützlich zu sein, falls sie dazu im¬
stande wäre.

Sie fand Ephraim in Beratung mit seinen Begleitern, nud er teilte ihr
mit einem melancholischen Lächeln mit, daß er einen Zweikampf bestanden und
seineu Gegner schwer verwundet habe. So sehr sich aber das junge Mädchen
freute, daß er selbst nicht verletzt worden sei, so ward sie doch erschreckt dnrch
den fieberhaften Glanz seiner Angen, seine Blässe und etwas Ungewöhnliches
in seinem Wesen, eine Rastlosigkeit, eine Unruhe, welche von seiner sonstigen
nachdenklichen Gelassenheit erheblich abstachen, und sie war tief erschüttert durch
die verhängnisvolle Nachricht. Schaudernd und mit gefalteten Händen sank sie
auf einen Stuhl neben der Thür nieder und lauschte, wie in einem Traum be¬
fangen, der Unterhaltung zwischen Ephraims Begleitern, während dieser selbst
ging, um der Universitätsbehörde Anzeige zu machen und sich somit dem Gericht
zu stellen.

Ich habe niemals einen kaltblütigeren Herrn gesehen, sagte der Offizier.
Ich null nichts gegen Graf Ujfalvy sagen, er stellte anch seinen Mann, aber es
war doch ein Zwinkern in seinen Augen, als er in die Mündung sah, und seine
Hand war nicht so ruhig, als wenn er nach der Scheibe geschossen hätte. Es
ist eine verdammte Geschichte, wenn die Scheibe selber schießt. Aber dieser
schmächtige Jude, der, wie er mir sagte, doch in seinem ganzen Leben keine Pistole
in der Hand gehabt hatte, stand da, ich kann gar nicht beschreiben, wie. Es
war, als ginge ihn die Sache gnr nichts an, als sei er zum Vergnügen so dahin
gestellt, um auf sich schießen zu lassen. Ein heiteres Lächeln war auf seinein
Gesicht, so ein gewisser, ich möchte fast sagen himmlischer Ausdruck, wenn das
nicht lächerlich zu sagen wäre.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0141" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193482"/>
          <fw type="header" place="top"> Bakchen und Tlzyrsosträger.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_439" prev="#ID_438"> nur mit ihren blauen Angen grosz an und wundern Sie sich! Ich könnte, wenn<lb/>
ich wollte, so gut heucheln wie eine andre und könnte meine Gefühle nnter<lb/>
einer hübschen, kleinen, züchtigen Maske verstecken. Aber ich mag es nicht, denn<lb/>
ich bin keine Heuchlerin, und ich brauche es auch nicht, denn ich bin eine Komö¬<lb/>
diantin !</p><lb/>
          <p xml:id="ID_440"> Flörchen hatte noch manches zu entgegnen und schickte sich eben zu einer<lb/>
geharnischten Antwort an, doch ward der Streit plötzlich dadurch unterbrochen,<lb/>
daß vor Ephraims Wohnung ein Jagdwagen vorfuhr, ans welchem Ephraim<lb/>
selbst in Begleitung eines Offiziers und eines andern, in Zivil gekleideten Herrn<lb/>
aufstieg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_441"> Die Schauspielerin verließ bei diesem Anblick Flörchen, ohne ein Wort weiter<lb/>
zu sagen, und begab sich hinüber. Flörchen aber blieb zu Hause und bedauerte,<lb/>
sich unnötige Sorge gemacht zu haben. Doch behielt sie voll Neugierde Ephraims<lb/>
Fenster im Auge.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_442"> Die Schauspielerin kehrte sich inzwischen an keine Regel der Kvnvenienz,<lb/>
sondern, betroffen von der Blässe des jungen Mannes, den sie liebte, begab sie<lb/>
sich unverweilt in dessen Wohnung, um ihm nützlich zu sein, falls sie dazu im¬<lb/>
stande wäre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_443"> Sie fand Ephraim in Beratung mit seinen Begleitern, nud er teilte ihr<lb/>
mit einem melancholischen Lächeln mit, daß er einen Zweikampf bestanden und<lb/>
seineu Gegner schwer verwundet habe. So sehr sich aber das junge Mädchen<lb/>
freute, daß er selbst nicht verletzt worden sei, so ward sie doch erschreckt dnrch<lb/>
den fieberhaften Glanz seiner Angen, seine Blässe und etwas Ungewöhnliches<lb/>
in seinem Wesen, eine Rastlosigkeit, eine Unruhe, welche von seiner sonstigen<lb/>
nachdenklichen Gelassenheit erheblich abstachen, und sie war tief erschüttert durch<lb/>
die verhängnisvolle Nachricht. Schaudernd und mit gefalteten Händen sank sie<lb/>
auf einen Stuhl neben der Thür nieder und lauschte, wie in einem Traum be¬<lb/>
fangen, der Unterhaltung zwischen Ephraims Begleitern, während dieser selbst<lb/>
ging, um der Universitätsbehörde Anzeige zu machen und sich somit dem Gericht<lb/>
zu stellen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_444"> Ich habe niemals einen kaltblütigeren Herrn gesehen, sagte der Offizier.<lb/>
Ich null nichts gegen Graf Ujfalvy sagen, er stellte anch seinen Mann, aber es<lb/>
war doch ein Zwinkern in seinen Augen, als er in die Mündung sah, und seine<lb/>
Hand war nicht so ruhig, als wenn er nach der Scheibe geschossen hätte. Es<lb/>
ist eine verdammte Geschichte, wenn die Scheibe selber schießt. Aber dieser<lb/>
schmächtige Jude, der, wie er mir sagte, doch in seinem ganzen Leben keine Pistole<lb/>
in der Hand gehabt hatte, stand da, ich kann gar nicht beschreiben, wie. Es<lb/>
war, als ginge ihn die Sache gnr nichts an, als sei er zum Vergnügen so dahin<lb/>
gestellt, um auf sich schießen zu lassen. Ein heiteres Lächeln war auf seinein<lb/>
Gesicht, so ein gewisser, ich möchte fast sagen himmlischer Ausdruck, wenn das<lb/>
nicht lächerlich zu sagen wäre.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0141] Bakchen und Tlzyrsosträger. nur mit ihren blauen Angen grosz an und wundern Sie sich! Ich könnte, wenn ich wollte, so gut heucheln wie eine andre und könnte meine Gefühle nnter einer hübschen, kleinen, züchtigen Maske verstecken. Aber ich mag es nicht, denn ich bin keine Heuchlerin, und ich brauche es auch nicht, denn ich bin eine Komö¬ diantin ! Flörchen hatte noch manches zu entgegnen und schickte sich eben zu einer geharnischten Antwort an, doch ward der Streit plötzlich dadurch unterbrochen, daß vor Ephraims Wohnung ein Jagdwagen vorfuhr, ans welchem Ephraim selbst in Begleitung eines Offiziers und eines andern, in Zivil gekleideten Herrn aufstieg. Die Schauspielerin verließ bei diesem Anblick Flörchen, ohne ein Wort weiter zu sagen, und begab sich hinüber. Flörchen aber blieb zu Hause und bedauerte, sich unnötige Sorge gemacht zu haben. Doch behielt sie voll Neugierde Ephraims Fenster im Auge. Die Schauspielerin kehrte sich inzwischen an keine Regel der Kvnvenienz, sondern, betroffen von der Blässe des jungen Mannes, den sie liebte, begab sie sich unverweilt in dessen Wohnung, um ihm nützlich zu sein, falls sie dazu im¬ stande wäre. Sie fand Ephraim in Beratung mit seinen Begleitern, nud er teilte ihr mit einem melancholischen Lächeln mit, daß er einen Zweikampf bestanden und seineu Gegner schwer verwundet habe. So sehr sich aber das junge Mädchen freute, daß er selbst nicht verletzt worden sei, so ward sie doch erschreckt dnrch den fieberhaften Glanz seiner Angen, seine Blässe und etwas Ungewöhnliches in seinem Wesen, eine Rastlosigkeit, eine Unruhe, welche von seiner sonstigen nachdenklichen Gelassenheit erheblich abstachen, und sie war tief erschüttert durch die verhängnisvolle Nachricht. Schaudernd und mit gefalteten Händen sank sie auf einen Stuhl neben der Thür nieder und lauschte, wie in einem Traum be¬ fangen, der Unterhaltung zwischen Ephraims Begleitern, während dieser selbst ging, um der Universitätsbehörde Anzeige zu machen und sich somit dem Gericht zu stellen. Ich habe niemals einen kaltblütigeren Herrn gesehen, sagte der Offizier. Ich null nichts gegen Graf Ujfalvy sagen, er stellte anch seinen Mann, aber es war doch ein Zwinkern in seinen Augen, als er in die Mündung sah, und seine Hand war nicht so ruhig, als wenn er nach der Scheibe geschossen hätte. Es ist eine verdammte Geschichte, wenn die Scheibe selber schießt. Aber dieser schmächtige Jude, der, wie er mir sagte, doch in seinem ganzen Leben keine Pistole in der Hand gehabt hatte, stand da, ich kann gar nicht beschreiben, wie. Es war, als ginge ihn die Sache gnr nichts an, als sei er zum Vergnügen so dahin gestellt, um auf sich schießen zu lassen. Ein heiteres Lächeln war auf seinein Gesicht, so ein gewisser, ich möchte fast sagen himmlischer Ausdruck, wenn das nicht lächerlich zu sagen wäre.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/141
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/141>, abgerufen am 22.07.2024.