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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Lakcheil I>"d Thyrsosttäger.

eiupfindsame Natur unglücklich zu uneben. Sie haben kokettirt und sich gedreht
und geguckt und mit fremden Offizieren schön gethan, und das hat den armen
unschuldigen Menschen so aufgebracht, daß er ein Duell haben wird. Wer weiß,
wo er jetzt ist, und ob sie ihn nicht schon getötet haben!

Flörchen antwortete auf diese und ähnliche Vorwürfe mit der ganzen Er¬
bitterung der Eifersucht, denn sie sah klar geung, welch innigen Anteil die
Schauspielerin an Ephraim nahm, und suchte sich zugleich wegen ihrer Schuld
zu reinigen, so gut es möglich war. Aber die andre gab nicht so leicht nach.

Mit spöttischer Miene hörte sie Flörchens Reden an und sagte: Es ist
ja freilich wahr, daß die Extreme sich berühren. Anders ist es wohl nicht zu
erklären, daß der gute junge Mensch, der so unschuldig ist, als wäre er gestern
vom Himmel gefallen, sich in Sie verliebt hat. Er ist edelsinnig, enthusiastisch,
von feiner Empfindung, überaus gescheidt, gelehrt und von einer Herzensgüte,
wie sie selten gefunden wird. Was Sie aber sind, das brauche ich Ihnen wohl
nicht zu sagen. Sie werden es schon wissen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie
von alledem das gerade Gegenstück sind. Schämen sollten Sie sich! Die Splitter
seines Geistes Hütten Sie zum Gott gemacht, sagt Don Carlos.

Wenn Sie so unartig sein wollen, rief Flörchen, bitte, so gehen Sie fort!
Ich habe Sie nicht eingeladen, hierher zu kommen. Ihre Wohnung ist drüben!
Aber Sie sind in ihn verliebt, und Sie haben ihn mir abspünstig gemacht. Jeder
anständige Mensch hätte sich anders benommen, als er sich gegen mich benommen
hat, wenn nicht etwas andres dahinter steckte. Sie sind eine Heimliche. Sie
haben immer eine Miene angenommen, als ob Sie kein Wässerchen trüben könnten,
aber die stillen Wasser sind tief. Sie wohnen mit ihm in einem Hause, und Sie
haben immer mit ihm zusammengesteckt, deshalb ist er so garstig gegen mich
gewesen! Ich sehe es ja, daß Sie ihn lieben, denn sonst wären Sie wohl nicht
so unverschämt.

Wo es aufs Schimpfen ankommt, werden Sie wohl die Oberhand behalten,
entgegnete die Schauspielerin. Das kann mir aber nur schmeichelhaft sein, denn
wer Recht hat, braucht nicht zu schimpfen. Und Sie müssen diesen Herrn, der
naiv genug war, sich von Ihnen an der Nase herumführen zu lassen, sehr schlecht
kennen, wenn Sie es für möglich halten, er hätte es fertig gebracht, mir und
Ihnen zu gleicher Zeit deu Hof zu machen. Ich möchte ihm wünschen, er hätte
etwas von dem Zeug, das dazu gehört, denn dann würde er leichter durchs Leben
kommen und würde sich nicht quälen lassen, wie er es gethan hat. Daß ich
ihn liebe, das will ich offen gestehen, es bringt mir keine Schande, und ich finde
eine Ehre darin, seinen Wert erkannt zu haben und es nicht zu verheimlichen.
Aber er liebt mich leider nicht. Mein Verhältnis zu ihm ist der Art wie das
zu meinen Lieblingsdichtern, die längst verstorben sind, aber ich will mir nicht
die Mühe geben, Ihnen das zu expliziren, weil ich weiß, daß Sie mich doch
nicht verstehen und es mir auch nicht glauben würden. Ja, gucken Sie mich


Lakcheil I>»d Thyrsosttäger.

eiupfindsame Natur unglücklich zu uneben. Sie haben kokettirt und sich gedreht
und geguckt und mit fremden Offizieren schön gethan, und das hat den armen
unschuldigen Menschen so aufgebracht, daß er ein Duell haben wird. Wer weiß,
wo er jetzt ist, und ob sie ihn nicht schon getötet haben!

Flörchen antwortete auf diese und ähnliche Vorwürfe mit der ganzen Er¬
bitterung der Eifersucht, denn sie sah klar geung, welch innigen Anteil die
Schauspielerin an Ephraim nahm, und suchte sich zugleich wegen ihrer Schuld
zu reinigen, so gut es möglich war. Aber die andre gab nicht so leicht nach.

Mit spöttischer Miene hörte sie Flörchens Reden an und sagte: Es ist
ja freilich wahr, daß die Extreme sich berühren. Anders ist es wohl nicht zu
erklären, daß der gute junge Mensch, der so unschuldig ist, als wäre er gestern
vom Himmel gefallen, sich in Sie verliebt hat. Er ist edelsinnig, enthusiastisch,
von feiner Empfindung, überaus gescheidt, gelehrt und von einer Herzensgüte,
wie sie selten gefunden wird. Was Sie aber sind, das brauche ich Ihnen wohl
nicht zu sagen. Sie werden es schon wissen, wenn ich Ihnen sage, daß Sie
von alledem das gerade Gegenstück sind. Schämen sollten Sie sich! Die Splitter
seines Geistes Hütten Sie zum Gott gemacht, sagt Don Carlos.

Wenn Sie so unartig sein wollen, rief Flörchen, bitte, so gehen Sie fort!
Ich habe Sie nicht eingeladen, hierher zu kommen. Ihre Wohnung ist drüben!
Aber Sie sind in ihn verliebt, und Sie haben ihn mir abspünstig gemacht. Jeder
anständige Mensch hätte sich anders benommen, als er sich gegen mich benommen
hat, wenn nicht etwas andres dahinter steckte. Sie sind eine Heimliche. Sie
haben immer eine Miene angenommen, als ob Sie kein Wässerchen trüben könnten,
aber die stillen Wasser sind tief. Sie wohnen mit ihm in einem Hause, und Sie
haben immer mit ihm zusammengesteckt, deshalb ist er so garstig gegen mich
gewesen! Ich sehe es ja, daß Sie ihn lieben, denn sonst wären Sie wohl nicht
so unverschämt.

Wo es aufs Schimpfen ankommt, werden Sie wohl die Oberhand behalten,
entgegnete die Schauspielerin. Das kann mir aber nur schmeichelhaft sein, denn
wer Recht hat, braucht nicht zu schimpfen. Und Sie müssen diesen Herrn, der
naiv genug war, sich von Ihnen an der Nase herumführen zu lassen, sehr schlecht
kennen, wenn Sie es für möglich halten, er hätte es fertig gebracht, mir und
Ihnen zu gleicher Zeit deu Hof zu machen. Ich möchte ihm wünschen, er hätte
etwas von dem Zeug, das dazu gehört, denn dann würde er leichter durchs Leben
kommen und würde sich nicht quälen lassen, wie er es gethan hat. Daß ich
ihn liebe, das will ich offen gestehen, es bringt mir keine Schande, und ich finde
eine Ehre darin, seinen Wert erkannt zu haben und es nicht zu verheimlichen.
Aber er liebt mich leider nicht. Mein Verhältnis zu ihm ist der Art wie das
zu meinen Lieblingsdichtern, die längst verstorben sind, aber ich will mir nicht
die Mühe geben, Ihnen das zu expliziren, weil ich weiß, daß Sie mich doch
nicht verstehen und es mir auch nicht glauben würden. Ja, gucken Sie mich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/140>, abgerufen am 22.07.2024.