Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.scrvativen. Alle Parteien stehen "och in den politischen Kinderschuhen, alle "Verharrt der Staat," sagt unser Verfasser, "gegenüber diesem Autvdi- scrvativen. Alle Parteien stehen »och in den politischen Kinderschuhen, alle „Verharrt der Staat," sagt unser Verfasser, „gegenüber diesem Autvdi- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193353"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_17" prev="#ID_16"> scrvativen. Alle Parteien stehen »och in den politischen Kinderschuhen, alle<lb/> Vertreter derselben sind parlamentarische Dilettanten. Zu einer Besserung wird<lb/> es in Deutschland nicht früher kommen, als bis dies erkannt ist. Nichts anderes<lb/> als Dilettantismus ist es, wenn unsre Land- und Reichsboten nach dem Satze:<lb/> Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch Verstand, sich allein auf Grund<lb/> ihres Maubads schou für Politiker halten, denen nichts mehr obliegt, als den<lb/> Sonderstaudpunkt ihrer Partei geltend zu machen. Wenn es viel ist, was diese<lb/> Parlamentarier mitbringen, so ist es politisches Antvdidaktentum, das meist von<lb/> umso zweifelhafterem Werte ist, als sie sichs in der Winkelschnle ihrer Partei<lb/> erworben haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_18" next="#ID_19"> „Verharrt der Staat," sagt unser Verfasser, „gegenüber diesem Autvdi-<lb/> daktentum und den dasselbe großziehenden Winkelschulen noch länger bei dem<lb/> Prinzipe des thatenloser 1g.iL8kr Mor, so folgert das Volk: Hui t^cet,, «on8«zir-<lb/> tir«z viclvwr, und gewöhnt sich daran, die Regierung gleichsam als Inhaberin<lb/> des Patronats über diesen Stand der Dinge, mithin diesen selbst als legale<lb/> Ordnung zu betrachte». Daß unter solchen Umständen die Laienwirtschaft in<lb/> der Politik je länger desto üppiger in das Kraut breitester Unbefangenheit schießt,<lb/> ist nicht zu verwundern. Wird erfahrungsmäßig jeder Halbwisser in Überhebung<lb/> verfallen, so gilt dies vornehmlich vom politischen, und jeder nach außen erzielte<lb/> Effekt steigert diese Überhebung zur aggressiven Monomanie, sich geltend zu<lb/> machen. Ferner darf nicht übersehe!, werden, daß nach Aufhebung der Zensur<lb/> das öffentliche Urteil i» politischen Dingen keinerlei Richtschnur dominirenden<lb/> Charakters mehr besitzt. . . Alles, was die Regierung jetzt noch zur Klüruug<lb/> dieses Urteils in der Öffentlichkeit thut, bietet nur einem kleinen Kreise Gebil¬<lb/> deter und Eingeweihter genügende Handhaben. Die Gesammtheit des Volkes<lb/> steht in den meisten Fällen ratlos da, weil der gewöhnliche Mann gegenüber<lb/> dem Wüste gegenteiliger Bestrebungen und Behauptungen seitens der Opposition<lb/> sich leicht irreführen läßt. Unter solchen Umständen muß das Prinzip der Partei¬<lb/> majorität als der allein wahrnehmbare Regulator bei Erledigung politischer<lb/> Fragen sich mehr und mehr zur motorischen Kraft des Parlaments gestalten,<lb/> und dadurch werden Politik und politisches Urteil allmählich zu einem nume¬<lb/> rischen Summenfaktor, zum Zählen ohne Wägen. Zuletzt hieße dann das po¬<lb/> litische Thun weiter nichts als eine Art Börsenspiel, in welchem glückliche Spe¬<lb/> kulation mit dem Tageskurs der verschiedenen Meinungen und Strömungen der<lb/> Parteien allein den Ausschlag für deren Verwertung zur Erzielung möglichsten<lb/> Parteigewinnes giebt. . . Soll es von Grund aus besser werden, so kann es<lb/> nicht ans geschäftlichem Wege geschehen, weil das Mnowm ^Il<zu8 hier nicht<lb/> Geschäft, sondern Überzeugung ist. Eine bessere Ordnung der Dinge kann nicht<lb/> durch eine Mehrheit geschaffen werden, wie einige Politiker es mittelst einer<lb/> Additionsrechnung von Parlamentarierstimmen wollen, und ebensowenig durch<lb/> eine große Mittelpartei, wie andere es mit einer Mnltiplikationsrechnung von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
scrvativen. Alle Parteien stehen »och in den politischen Kinderschuhen, alle
Vertreter derselben sind parlamentarische Dilettanten. Zu einer Besserung wird
es in Deutschland nicht früher kommen, als bis dies erkannt ist. Nichts anderes
als Dilettantismus ist es, wenn unsre Land- und Reichsboten nach dem Satze:
Wem Gott ein Amt giebt, dem giebt er auch Verstand, sich allein auf Grund
ihres Maubads schou für Politiker halten, denen nichts mehr obliegt, als den
Sonderstaudpunkt ihrer Partei geltend zu machen. Wenn es viel ist, was diese
Parlamentarier mitbringen, so ist es politisches Antvdidaktentum, das meist von
umso zweifelhafterem Werte ist, als sie sichs in der Winkelschnle ihrer Partei
erworben haben.
„Verharrt der Staat," sagt unser Verfasser, „gegenüber diesem Autvdi-
daktentum und den dasselbe großziehenden Winkelschulen noch länger bei dem
Prinzipe des thatenloser 1g.iL8kr Mor, so folgert das Volk: Hui t^cet,, «on8«zir-
tir«z viclvwr, und gewöhnt sich daran, die Regierung gleichsam als Inhaberin
des Patronats über diesen Stand der Dinge, mithin diesen selbst als legale
Ordnung zu betrachte». Daß unter solchen Umständen die Laienwirtschaft in
der Politik je länger desto üppiger in das Kraut breitester Unbefangenheit schießt,
ist nicht zu verwundern. Wird erfahrungsmäßig jeder Halbwisser in Überhebung
verfallen, so gilt dies vornehmlich vom politischen, und jeder nach außen erzielte
Effekt steigert diese Überhebung zur aggressiven Monomanie, sich geltend zu
machen. Ferner darf nicht übersehe!, werden, daß nach Aufhebung der Zensur
das öffentliche Urteil i» politischen Dingen keinerlei Richtschnur dominirenden
Charakters mehr besitzt. . . Alles, was die Regierung jetzt noch zur Klüruug
dieses Urteils in der Öffentlichkeit thut, bietet nur einem kleinen Kreise Gebil¬
deter und Eingeweihter genügende Handhaben. Die Gesammtheit des Volkes
steht in den meisten Fällen ratlos da, weil der gewöhnliche Mann gegenüber
dem Wüste gegenteiliger Bestrebungen und Behauptungen seitens der Opposition
sich leicht irreführen läßt. Unter solchen Umständen muß das Prinzip der Partei¬
majorität als der allein wahrnehmbare Regulator bei Erledigung politischer
Fragen sich mehr und mehr zur motorischen Kraft des Parlaments gestalten,
und dadurch werden Politik und politisches Urteil allmählich zu einem nume¬
rischen Summenfaktor, zum Zählen ohne Wägen. Zuletzt hieße dann das po¬
litische Thun weiter nichts als eine Art Börsenspiel, in welchem glückliche Spe¬
kulation mit dem Tageskurs der verschiedenen Meinungen und Strömungen der
Parteien allein den Ausschlag für deren Verwertung zur Erzielung möglichsten
Parteigewinnes giebt. . . Soll es von Grund aus besser werden, so kann es
nicht ans geschäftlichem Wege geschehen, weil das Mnowm ^Il<zu8 hier nicht
Geschäft, sondern Überzeugung ist. Eine bessere Ordnung der Dinge kann nicht
durch eine Mehrheit geschaffen werden, wie einige Politiker es mittelst einer
Additionsrechnung von Parlamentarierstimmen wollen, und ebensowenig durch
eine große Mittelpartei, wie andere es mit einer Mnltiplikationsrechnung von
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