Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

verfolgt, flüchteten sie sich zuletzt in der Zahl von 14 000 mit der gemachte,!
Beute auf tripolitanisches Gelnet. Ismail Pascha erlaubte ihnen die Rückkehr,
und seit etwa siebzehn Jahren haben sie ihre frühern Wohnsitze wieder inne
und zahlen hier für ihre" Bestand an Kameelen und anderen Vieh regelmäßige
Steuern, stellen aber keine Rekruten, sondern dienen nur im Kriege als irreguläre
Reiter, was auch von ihren Stammgenossen östlich vom Nil gilt. Von den
letzter" treiben einige auch etwas Ackerbau. Von den Begastämmeu sprechen
die Ababde ein verdorbenes Arabisch, die Hadendoa und Bischarin dagegen
äthiopische Idiome. Die Ababde führen bei ihrem geringen Besitz an Kameelen
und Ziegen ein sehr kümmerliches Leben. Sie kleiden sich wie die Fellcchin,
wogegen die beiden andern Stämme ihre ansehnlichen Heerden halb nackt und
nur mit einem Ledcrschnrz und einem Kopftuch bekleidet auf den Steppen weiden,
welche die dürre Wüste unterbrechen. Alle diese Äthiopier zeichnen sich durch
eine edle, fast kaukasische Gesichtsbildung und große Hanrfülle aus, ihre Farbe
ist dunkelbraun, ihre Gestalt vou tadellosem Ebenmaß. Die Ababde sind un-
gemein sanfte und durchaus harmlose Menschen, die Bischarin dagegen trotzig
und keck. Die Regierung hat den alten Streitigkeiten zwischen beiden Stämmen
dadurch ein Ende gemacht, daß sie die Bischarin unter den Scheich der Ababde
gestellt hat, der in einem Dorfe bei der Stadt Edfu wohnt. Die Ababde haben
statt der beweglichen Zelte der meisten Beduinen vielfach Höhlenwohnungen und
nähren sich mit Ausnahme derer, die am Noten Meere hin- und herziehen und
Fische essen, ausschließlich von Milch und etwas Sorgummehl, und eben so leben
die Bischarin fast nnr von dem, was ihnen ihre Heerden liefern.

Die arabischen Städtebewohner haben kein so reines Blut wie die
Fellahin, die Kopten und die Beduinen. Man kann sie als ein Mischlingsvolk
aus Altäghpteru, Arabern, Türken, Tscherkessen und Negern bezeichnen, und so
kommt es, daß mau unter ihnen den verschiedensten Physiognomien und Körper-
formen begegnet. Man sagt ihnen Trägheit und Verschlagenheit beim Handel
nach, andre rühmen ihre Intelligenz, ihre Geduld und ihr mitleidiges Wesen.
Da die Städter von den Machthabern weniger gedrückt werden konnten als die
Bnnern, so findet sich nnter ihnen mehr Lebhaftigkeit und Heiterkeit als bei
jenen. Doch pflegen auch sie gleich allen Orientalen viel zu träumen und
die Dinge zu nehmen, wie sie eben kommen, und alles, was sie arbeiten, wird
mehr oder minder lüderlich gemacht und unpünktlich abgeliefert. Mit der Be-
vbnchtnng der Vorschriften des Islam nehmen sie es, namentlich wenn sie jung
sind, nicht genau, doch halten sie fest an dem überlieferten Glauben und teilen
den stummen Haß der Fellahin gegen die Franken, sodaß man, wenn, wie jetzt
zu erwarten, die Furcht vor letzter" schwante, aus fanatische Ausbrüche gefaßt
sein müßte. Uebrigens hat infolge der Gründung europäisch eingerichteter Schulen
die Bildung unter der höhern und der mittlern Schicht der ägyptischen Städter
in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht.


verfolgt, flüchteten sie sich zuletzt in der Zahl von 14 000 mit der gemachte,!
Beute auf tripolitanisches Gelnet. Ismail Pascha erlaubte ihnen die Rückkehr,
und seit etwa siebzehn Jahren haben sie ihre frühern Wohnsitze wieder inne
und zahlen hier für ihre» Bestand an Kameelen und anderen Vieh regelmäßige
Steuern, stellen aber keine Rekruten, sondern dienen nur im Kriege als irreguläre
Reiter, was auch von ihren Stammgenossen östlich vom Nil gilt. Von den
letzter» treiben einige auch etwas Ackerbau. Von den Begastämmeu sprechen
die Ababde ein verdorbenes Arabisch, die Hadendoa und Bischarin dagegen
äthiopische Idiome. Die Ababde führen bei ihrem geringen Besitz an Kameelen
und Ziegen ein sehr kümmerliches Leben. Sie kleiden sich wie die Fellcchin,
wogegen die beiden andern Stämme ihre ansehnlichen Heerden halb nackt und
nur mit einem Ledcrschnrz und einem Kopftuch bekleidet auf den Steppen weiden,
welche die dürre Wüste unterbrechen. Alle diese Äthiopier zeichnen sich durch
eine edle, fast kaukasische Gesichtsbildung und große Hanrfülle aus, ihre Farbe
ist dunkelbraun, ihre Gestalt vou tadellosem Ebenmaß. Die Ababde sind un-
gemein sanfte und durchaus harmlose Menschen, die Bischarin dagegen trotzig
und keck. Die Regierung hat den alten Streitigkeiten zwischen beiden Stämmen
dadurch ein Ende gemacht, daß sie die Bischarin unter den Scheich der Ababde
gestellt hat, der in einem Dorfe bei der Stadt Edfu wohnt. Die Ababde haben
statt der beweglichen Zelte der meisten Beduinen vielfach Höhlenwohnungen und
nähren sich mit Ausnahme derer, die am Noten Meere hin- und herziehen und
Fische essen, ausschließlich von Milch und etwas Sorgummehl, und eben so leben
die Bischarin fast nnr von dem, was ihnen ihre Heerden liefern.

Die arabischen Städtebewohner haben kein so reines Blut wie die
Fellahin, die Kopten und die Beduinen. Man kann sie als ein Mischlingsvolk
aus Altäghpteru, Arabern, Türken, Tscherkessen und Negern bezeichnen, und so
kommt es, daß mau unter ihnen den verschiedensten Physiognomien und Körper-
formen begegnet. Man sagt ihnen Trägheit und Verschlagenheit beim Handel
nach, andre rühmen ihre Intelligenz, ihre Geduld und ihr mitleidiges Wesen.
Da die Städter von den Machthabern weniger gedrückt werden konnten als die
Bnnern, so findet sich nnter ihnen mehr Lebhaftigkeit und Heiterkeit als bei
jenen. Doch pflegen auch sie gleich allen Orientalen viel zu träumen und
die Dinge zu nehmen, wie sie eben kommen, und alles, was sie arbeiten, wird
mehr oder minder lüderlich gemacht und unpünktlich abgeliefert. Mit der Be-
vbnchtnng der Vorschriften des Islam nehmen sie es, namentlich wenn sie jung
sind, nicht genau, doch halten sie fest an dem überlieferten Glauben und teilen
den stummen Haß der Fellahin gegen die Franken, sodaß man, wenn, wie jetzt
zu erwarten, die Furcht vor letzter» schwante, aus fanatische Ausbrüche gefaßt
sein müßte. Uebrigens hat infolge der Gründung europäisch eingerichteter Schulen
die Bildung unter der höhern und der mittlern Schicht der ägyptischen Städter
in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/193450"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_356" prev="#ID_355"> verfolgt, flüchteten sie sich zuletzt in der Zahl von 14 000 mit der gemachte,!<lb/>
Beute auf tripolitanisches Gelnet. Ismail Pascha erlaubte ihnen die Rückkehr,<lb/>
und seit etwa siebzehn Jahren haben sie ihre frühern Wohnsitze wieder inne<lb/>
und zahlen hier für ihre» Bestand an Kameelen und anderen Vieh regelmäßige<lb/>
Steuern, stellen aber keine Rekruten, sondern dienen nur im Kriege als irreguläre<lb/>
Reiter, was auch von ihren Stammgenossen östlich vom Nil gilt. Von den<lb/>
letzter» treiben einige auch etwas Ackerbau. Von den Begastämmeu sprechen<lb/>
die Ababde ein verdorbenes Arabisch, die Hadendoa und Bischarin dagegen<lb/>
äthiopische Idiome. Die Ababde führen bei ihrem geringen Besitz an Kameelen<lb/>
und Ziegen ein sehr kümmerliches Leben. Sie kleiden sich wie die Fellcchin,<lb/>
wogegen die beiden andern Stämme ihre ansehnlichen Heerden halb nackt und<lb/>
nur mit einem Ledcrschnrz und einem Kopftuch bekleidet auf den Steppen weiden,<lb/>
welche die dürre Wüste unterbrechen. Alle diese Äthiopier zeichnen sich durch<lb/>
eine edle, fast kaukasische Gesichtsbildung und große Hanrfülle aus, ihre Farbe<lb/>
ist dunkelbraun, ihre Gestalt vou tadellosem Ebenmaß. Die Ababde sind un-<lb/>
gemein sanfte und durchaus harmlose Menschen, die Bischarin dagegen trotzig<lb/>
und keck. Die Regierung hat den alten Streitigkeiten zwischen beiden Stämmen<lb/>
dadurch ein Ende gemacht, daß sie die Bischarin unter den Scheich der Ababde<lb/>
gestellt hat, der in einem Dorfe bei der Stadt Edfu wohnt. Die Ababde haben<lb/>
statt der beweglichen Zelte der meisten Beduinen vielfach Höhlenwohnungen und<lb/>
nähren sich mit Ausnahme derer, die am Noten Meere hin- und herziehen und<lb/>
Fische essen, ausschließlich von Milch und etwas Sorgummehl, und eben so leben<lb/>
die Bischarin fast nnr von dem, was ihnen ihre Heerden liefern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_357"> Die arabischen Städtebewohner haben kein so reines Blut wie die<lb/>
Fellahin, die Kopten und die Beduinen. Man kann sie als ein Mischlingsvolk<lb/>
aus Altäghpteru, Arabern, Türken, Tscherkessen und Negern bezeichnen, und so<lb/>
kommt es, daß mau unter ihnen den verschiedensten Physiognomien und Körper-<lb/>
formen begegnet. Man sagt ihnen Trägheit und Verschlagenheit beim Handel<lb/>
nach, andre rühmen ihre Intelligenz, ihre Geduld und ihr mitleidiges Wesen.<lb/>
Da die Städter von den Machthabern weniger gedrückt werden konnten als die<lb/>
Bnnern, so findet sich nnter ihnen mehr Lebhaftigkeit und Heiterkeit als bei<lb/>
jenen. Doch pflegen auch sie gleich allen Orientalen viel zu träumen und<lb/>
die Dinge zu nehmen, wie sie eben kommen, und alles, was sie arbeiten, wird<lb/>
mehr oder minder lüderlich gemacht und unpünktlich abgeliefert. Mit der Be-<lb/>
vbnchtnng der Vorschriften des Islam nehmen sie es, namentlich wenn sie jung<lb/>
sind, nicht genau, doch halten sie fest an dem überlieferten Glauben und teilen<lb/>
den stummen Haß der Fellahin gegen die Franken, sodaß man, wenn, wie jetzt<lb/>
zu erwarten, die Furcht vor letzter» schwante, aus fanatische Ausbrüche gefaßt<lb/>
sein müßte. Uebrigens hat infolge der Gründung europäisch eingerichteter Schulen<lb/>
die Bildung unter der höhern und der mittlern Schicht der ägyptischen Städter<lb/>
in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] verfolgt, flüchteten sie sich zuletzt in der Zahl von 14 000 mit der gemachte,! Beute auf tripolitanisches Gelnet. Ismail Pascha erlaubte ihnen die Rückkehr, und seit etwa siebzehn Jahren haben sie ihre frühern Wohnsitze wieder inne und zahlen hier für ihre» Bestand an Kameelen und anderen Vieh regelmäßige Steuern, stellen aber keine Rekruten, sondern dienen nur im Kriege als irreguläre Reiter, was auch von ihren Stammgenossen östlich vom Nil gilt. Von den letzter» treiben einige auch etwas Ackerbau. Von den Begastämmeu sprechen die Ababde ein verdorbenes Arabisch, die Hadendoa und Bischarin dagegen äthiopische Idiome. Die Ababde führen bei ihrem geringen Besitz an Kameelen und Ziegen ein sehr kümmerliches Leben. Sie kleiden sich wie die Fellcchin, wogegen die beiden andern Stämme ihre ansehnlichen Heerden halb nackt und nur mit einem Ledcrschnrz und einem Kopftuch bekleidet auf den Steppen weiden, welche die dürre Wüste unterbrechen. Alle diese Äthiopier zeichnen sich durch eine edle, fast kaukasische Gesichtsbildung und große Hanrfülle aus, ihre Farbe ist dunkelbraun, ihre Gestalt vou tadellosem Ebenmaß. Die Ababde sind un- gemein sanfte und durchaus harmlose Menschen, die Bischarin dagegen trotzig und keck. Die Regierung hat den alten Streitigkeiten zwischen beiden Stämmen dadurch ein Ende gemacht, daß sie die Bischarin unter den Scheich der Ababde gestellt hat, der in einem Dorfe bei der Stadt Edfu wohnt. Die Ababde haben statt der beweglichen Zelte der meisten Beduinen vielfach Höhlenwohnungen und nähren sich mit Ausnahme derer, die am Noten Meere hin- und herziehen und Fische essen, ausschließlich von Milch und etwas Sorgummehl, und eben so leben die Bischarin fast nnr von dem, was ihnen ihre Heerden liefern. Die arabischen Städtebewohner haben kein so reines Blut wie die Fellahin, die Kopten und die Beduinen. Man kann sie als ein Mischlingsvolk aus Altäghpteru, Arabern, Türken, Tscherkessen und Negern bezeichnen, und so kommt es, daß mau unter ihnen den verschiedensten Physiognomien und Körper- formen begegnet. Man sagt ihnen Trägheit und Verschlagenheit beim Handel nach, andre rühmen ihre Intelligenz, ihre Geduld und ihr mitleidiges Wesen. Da die Städter von den Machthabern weniger gedrückt werden konnten als die Bnnern, so findet sich nnter ihnen mehr Lebhaftigkeit und Heiterkeit als bei jenen. Doch pflegen auch sie gleich allen Orientalen viel zu träumen und die Dinge zu nehmen, wie sie eben kommen, und alles, was sie arbeiten, wird mehr oder minder lüderlich gemacht und unpünktlich abgeliefert. Mit der Be- vbnchtnng der Vorschriften des Islam nehmen sie es, namentlich wenn sie jung sind, nicht genau, doch halten sie fest an dem überlieferten Glauben und teilen den stummen Haß der Fellahin gegen die Franken, sodaß man, wenn, wie jetzt zu erwarten, die Furcht vor letzter» schwante, aus fanatische Ausbrüche gefaßt sein müßte. Uebrigens hat infolge der Gründung europäisch eingerichteter Schulen die Bildung unter der höhern und der mittlern Schicht der ägyptischen Städter in den letzten beiden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/109>, abgerufen am 01.10.2024.