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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal.

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Ägypten und die heutige" Ägypter.

Klunzmger hörte, der Muhdi, der Messias aus Jemen, der eine Art tausend¬
jährigen Reiches gründen wird, in welchem Christen und Mnslemin brüderlich
und in Gütergemeinschaft beisammen wohnen werden. Der Mnhdi ist schon ge¬
boren. Ans diesen Glanben hin fand vor etwa fünfzehn Jahren der Psendv-
messias Hag Tejib ans Gan in Oberägypten viel Anhang, und jetzt spielt im
Sudan ein andrer Prophet dieser Art eine Rolle. Auch der Mnhdi gehl endlich
nnter dnrch einen Empörer, der seinerseits durch Christus überwunden und ge¬
tödtet wird. Die Mnslemin sterben dnrch eine große Pest ans, und es bleiben
nnr Christen übrig, die aber schließlich ebenfalls Krankheiten erliegen, sodaß es
uns Erden keine Menschen mehr giebt.

Die zweite Klasse der Bewohner Ägyptens sind die Kopten (arabisch Uebt),
die gleichfalls Nachkommen deS alten Pharaonenvolkes, aber monophysitische
Christen sind. Sie zählen etwa 300 000 Seelen und sind am dichtesten in den
Ortschaften des nördlichen Oberägypten angesiedelt. Die meisten sind Handwerker,
Schreiber, Notare oder Handelsleute, und da sie vorwiegend in Städten leben,
so gleichen sie zwar in Körper- und Gesichtsbildung den stammverwandten Fellahin,
zeigen aber einen Hellem Teint und feinere Züge. Sie gelten für tückisch, hab¬
gierig und treulos, und viele sind dem Trunke ergeben, was selbst von manchen
ihrer Geistlichen gilt. Ihr Christentum ist fast uur Zeremvniendienst und strenges
Halten der Fastengebvte. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele dnrch
amerikanische Missionäre zum Protestantismus bekehren lassen, was hauptsächlich
durch Gründung guter Schulen und Verteilung arabischer Bibeln geschah. Denn
die Sprache der Kopten ist wie die der Fellahin der in Ägypten gesprochene
arabische Dialekt, das Koptische wird nnr beim Gottesdienste gebraucht und selbst
vou deu Priester" meist nicht mehr verstanden.

Andern Stammes als die beiden bisher genannten Klassen der Bevölkerung
Ägyptens sind die Beduinen des Nilthnls. Sie zerfallen in zwei Hauptäste,
in die arabisch redenden und aus Syrien und Arabien eingewnnderten Semiten
und in die Begn, äthiopische Stämme aus dem Süden, unter denen die Hadendoa,
Bischarin und Ababde die vornehmsten sind. Die erstem bewohnen die das
mittlere und nördliche Ägypten begrenzenden Wüstenthäler, die letztern verbreiten
sich über das Land zwischen Oberägypten und Nubien einerseits und dem Roten
Meer andrerseits bis an die Grenzen des Berglandes von Habesch. Beide Klassen
sind uvmadisircnde Hirten, die vorzüglich Kameelzucht betreiben und sich nebenbei
als Unternehmer von Karawanenzügen, bisweilen auch als Kohlenbrenner nähren.
Die semitischen Beduinen des Nordens zählen 30 bis 00 000, die Begavölker
wenigstens eine halbe Million Seelen. Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren
bereiteten diejenigen der erster", welche Mittelügypten westlich vom Nil bewohnen,
der Regierung ernstliche Verlegenheit, indem sie sich gegen die Rekrutirung er¬
hoben, die Dörfer der Fellahiu überfielen und ausraubten und schließlich nach
den Oasen abzogen, um anch diese zu brandschatzen. Von Regicrnngstruppen


Ägypten und die heutige» Ägypter.

Klunzmger hörte, der Muhdi, der Messias aus Jemen, der eine Art tausend¬
jährigen Reiches gründen wird, in welchem Christen und Mnslemin brüderlich
und in Gütergemeinschaft beisammen wohnen werden. Der Mnhdi ist schon ge¬
boren. Ans diesen Glanben hin fand vor etwa fünfzehn Jahren der Psendv-
messias Hag Tejib ans Gan in Oberägypten viel Anhang, und jetzt spielt im
Sudan ein andrer Prophet dieser Art eine Rolle. Auch der Mnhdi gehl endlich
nnter dnrch einen Empörer, der seinerseits durch Christus überwunden und ge¬
tödtet wird. Die Mnslemin sterben dnrch eine große Pest ans, und es bleiben
nnr Christen übrig, die aber schließlich ebenfalls Krankheiten erliegen, sodaß es
uns Erden keine Menschen mehr giebt.

Die zweite Klasse der Bewohner Ägyptens sind die Kopten (arabisch Uebt),
die gleichfalls Nachkommen deS alten Pharaonenvolkes, aber monophysitische
Christen sind. Sie zählen etwa 300 000 Seelen und sind am dichtesten in den
Ortschaften des nördlichen Oberägypten angesiedelt. Die meisten sind Handwerker,
Schreiber, Notare oder Handelsleute, und da sie vorwiegend in Städten leben,
so gleichen sie zwar in Körper- und Gesichtsbildung den stammverwandten Fellahin,
zeigen aber einen Hellem Teint und feinere Züge. Sie gelten für tückisch, hab¬
gierig und treulos, und viele sind dem Trunke ergeben, was selbst von manchen
ihrer Geistlichen gilt. Ihr Christentum ist fast uur Zeremvniendienst und strenges
Halten der Fastengebvte. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele dnrch
amerikanische Missionäre zum Protestantismus bekehren lassen, was hauptsächlich
durch Gründung guter Schulen und Verteilung arabischer Bibeln geschah. Denn
die Sprache der Kopten ist wie die der Fellahin der in Ägypten gesprochene
arabische Dialekt, das Koptische wird nnr beim Gottesdienste gebraucht und selbst
vou deu Priester» meist nicht mehr verstanden.

Andern Stammes als die beiden bisher genannten Klassen der Bevölkerung
Ägyptens sind die Beduinen des Nilthnls. Sie zerfallen in zwei Hauptäste,
in die arabisch redenden und aus Syrien und Arabien eingewnnderten Semiten
und in die Begn, äthiopische Stämme aus dem Süden, unter denen die Hadendoa,
Bischarin und Ababde die vornehmsten sind. Die erstem bewohnen die das
mittlere und nördliche Ägypten begrenzenden Wüstenthäler, die letztern verbreiten
sich über das Land zwischen Oberägypten und Nubien einerseits und dem Roten
Meer andrerseits bis an die Grenzen des Berglandes von Habesch. Beide Klassen
sind uvmadisircnde Hirten, die vorzüglich Kameelzucht betreiben und sich nebenbei
als Unternehmer von Karawanenzügen, bisweilen auch als Kohlenbrenner nähren.
Die semitischen Beduinen des Nordens zählen 30 bis 00 000, die Begavölker
wenigstens eine halbe Million Seelen. Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren
bereiteten diejenigen der erster», welche Mittelügypten westlich vom Nil bewohnen,
der Regierung ernstliche Verlegenheit, indem sie sich gegen die Rekrutirung er¬
hoben, die Dörfer der Fellahiu überfielen und ausraubten und schließlich nach
den Oasen abzogen, um anch diese zu brandschatzen. Von Regicrnngstruppen


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[0108] Ägypten und die heutige» Ägypter. Klunzmger hörte, der Muhdi, der Messias aus Jemen, der eine Art tausend¬ jährigen Reiches gründen wird, in welchem Christen und Mnslemin brüderlich und in Gütergemeinschaft beisammen wohnen werden. Der Mnhdi ist schon ge¬ boren. Ans diesen Glanben hin fand vor etwa fünfzehn Jahren der Psendv- messias Hag Tejib ans Gan in Oberägypten viel Anhang, und jetzt spielt im Sudan ein andrer Prophet dieser Art eine Rolle. Auch der Mnhdi gehl endlich nnter dnrch einen Empörer, der seinerseits durch Christus überwunden und ge¬ tödtet wird. Die Mnslemin sterben dnrch eine große Pest ans, und es bleiben nnr Christen übrig, die aber schließlich ebenfalls Krankheiten erliegen, sodaß es uns Erden keine Menschen mehr giebt. Die zweite Klasse der Bewohner Ägyptens sind die Kopten (arabisch Uebt), die gleichfalls Nachkommen deS alten Pharaonenvolkes, aber monophysitische Christen sind. Sie zählen etwa 300 000 Seelen und sind am dichtesten in den Ortschaften des nördlichen Oberägypten angesiedelt. Die meisten sind Handwerker, Schreiber, Notare oder Handelsleute, und da sie vorwiegend in Städten leben, so gleichen sie zwar in Körper- und Gesichtsbildung den stammverwandten Fellahin, zeigen aber einen Hellem Teint und feinere Züge. Sie gelten für tückisch, hab¬ gierig und treulos, und viele sind dem Trunke ergeben, was selbst von manchen ihrer Geistlichen gilt. Ihr Christentum ist fast uur Zeremvniendienst und strenges Halten der Fastengebvte. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele dnrch amerikanische Missionäre zum Protestantismus bekehren lassen, was hauptsächlich durch Gründung guter Schulen und Verteilung arabischer Bibeln geschah. Denn die Sprache der Kopten ist wie die der Fellahin der in Ägypten gesprochene arabische Dialekt, das Koptische wird nnr beim Gottesdienste gebraucht und selbst vou deu Priester» meist nicht mehr verstanden. Andern Stammes als die beiden bisher genannten Klassen der Bevölkerung Ägyptens sind die Beduinen des Nilthnls. Sie zerfallen in zwei Hauptäste, in die arabisch redenden und aus Syrien und Arabien eingewnnderten Semiten und in die Begn, äthiopische Stämme aus dem Süden, unter denen die Hadendoa, Bischarin und Ababde die vornehmsten sind. Die erstem bewohnen die das mittlere und nördliche Ägypten begrenzenden Wüstenthäler, die letztern verbreiten sich über das Land zwischen Oberägypten und Nubien einerseits und dem Roten Meer andrerseits bis an die Grenzen des Berglandes von Habesch. Beide Klassen sind uvmadisircnde Hirten, die vorzüglich Kameelzucht betreiben und sich nebenbei als Unternehmer von Karawanenzügen, bisweilen auch als Kohlenbrenner nähren. Die semitischen Beduinen des Nordens zählen 30 bis 00 000, die Begavölker wenigstens eine halbe Million Seelen. Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren bereiteten diejenigen der erster», welche Mittelügypten westlich vom Nil bewohnen, der Regierung ernstliche Verlegenheit, indem sie sich gegen die Rekrutirung er¬ hoben, die Dörfer der Fellahiu überfielen und ausraubten und schließlich nach den Oasen abzogen, um anch diese zu brandschatzen. Von Regicrnngstruppen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_193340/108>, abgerufen am 01.10.2024.