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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Pietro Lossa.

Als aller Weihrauch, seine gute That,
Auf daß zu ihm die Welt den Ruf erhebe,
Der Centrum ist der Harmonie des Alls!
Sei's Zeus, Jehovah, Mithras -- wenig thut's:
Nichts ist der Name vorm Unendlichen.

Auch im "Julian," der übrigens in Bezug auf die Composition wohl am meisten
innere Geschlossenheit zeigt, sind mit der Haupthandlung allerhand episodische
Motive verflochten, die theils dazu dienen, über die geschilderten Vorgänge ein
archäologisch höchst getreues Colorit zu verbreiten, theils, wie das Liebesver¬
hältniß des Christen Paulus zu der Jüdin Maria, zum Hebel spannender Ver¬
wicklungen werden.

Noch bühuenwirksamer fast als "Julian" ist die Tragödie (ZIkoxÄtra, die
im Winter 1878 zum erstenmale aufgeführt ward. In diesem Stücke, das
selbstverständlich zum Vergleiche mit Shakespeare herausfordert, ringt Cossa, ab¬
gesehen von dem unbefriedigender Schlüsse, aufs glücklichste mit dem großen
Briten, von dem er übrigens in wesentlichen Punkten abweicht. Die Charak¬
teristik der beiden Hauptpersonen darf dem Vollendetsten beigezählt werden, was
die dramatische Poesie Italiens aufzuweisen hat. Die dämonische Gewalt, welche
die ägyptische Königin auf deu römischen Triumvirn ausübt, konnte nur ein
Dichter romanischen Stammes so drastisch, so überzeugend veranschaulichen.
Freilich läßt sich gegen den Aufbau des sechsactigen Dramas, besonders gegen
den zweiten Act, der die Handlung nur ganz unerheblich fördert, manches ein¬
wenden ; aber der Tadel verstummt gegenüber so genialen Wurfen wie dem dritten
Auszug, der mitten in die verhängnißvolle Seeschlacht von Antium an Bord des
Fahrzeugs versetzt, auf dem sich Cleopatra befindet; man muß die grandiose
Scene gesehen haben, in der Antonius auf dem fliehenden Schiffe erscheint, um
zu begreifen, wie es Cossa möglich war, sich die hingebendste Aufmerksamkeit
seiner Hörer für mehr als vier Stunden zu sichern. Auch der fünfte Act hat
Scenen von geradezu überwältigender Wirkung, so das Zwiegespräch zwischen
Antonius und feinem getreuen Lucilius, vor allem aber die Begegnung des
ersteren mit Cleopatra, die ihn an Octavius verrathen hat und der er prophezeit,
wie sie die Frucht davon ernten werde, umrauscht vou Spottliedern vom Sieger
aufs Capitol geführt; in dieser Rede wie in der Entgegnung Cleopatras be¬
währt sich Cossa als ein Dichter, dem die Dialektik der Leidenschaft wie wenigen
vertraut ist.

In seiner 06ont", die zum erstenmale im Jahre 1879 über die Bretter
Mg, schöpft der römische Poet, wie schon früher in dem mir leider nicht be¬
kannt gewordenen Drama 1 LoiM, aus dem Zeitalter der Renaissance, doch
so, daß er in Anlehnung an eine Erzählung Vasaris seinen Stoff ziemlich frei
erfindet. Den Mittelpunkt des Stückes bilden der Maler Giorgione und seine
Geliebte Cecilia, deren vermeinte Untreue für ihn die Ursache zu frühzeitigem
Tode wird. Bei überaus blendenden Einzelheiten, wie der prachtvollen Lobrede


Pietro Lossa.

Als aller Weihrauch, seine gute That,
Auf daß zu ihm die Welt den Ruf erhebe,
Der Centrum ist der Harmonie des Alls!
Sei's Zeus, Jehovah, Mithras — wenig thut's:
Nichts ist der Name vorm Unendlichen.

Auch im „Julian," der übrigens in Bezug auf die Composition wohl am meisten
innere Geschlossenheit zeigt, sind mit der Haupthandlung allerhand episodische
Motive verflochten, die theils dazu dienen, über die geschilderten Vorgänge ein
archäologisch höchst getreues Colorit zu verbreiten, theils, wie das Liebesver¬
hältniß des Christen Paulus zu der Jüdin Maria, zum Hebel spannender Ver¬
wicklungen werden.

Noch bühuenwirksamer fast als „Julian" ist die Tragödie (ZIkoxÄtra, die
im Winter 1878 zum erstenmale aufgeführt ward. In diesem Stücke, das
selbstverständlich zum Vergleiche mit Shakespeare herausfordert, ringt Cossa, ab¬
gesehen von dem unbefriedigender Schlüsse, aufs glücklichste mit dem großen
Briten, von dem er übrigens in wesentlichen Punkten abweicht. Die Charak¬
teristik der beiden Hauptpersonen darf dem Vollendetsten beigezählt werden, was
die dramatische Poesie Italiens aufzuweisen hat. Die dämonische Gewalt, welche
die ägyptische Königin auf deu römischen Triumvirn ausübt, konnte nur ein
Dichter romanischen Stammes so drastisch, so überzeugend veranschaulichen.
Freilich läßt sich gegen den Aufbau des sechsactigen Dramas, besonders gegen
den zweiten Act, der die Handlung nur ganz unerheblich fördert, manches ein¬
wenden ; aber der Tadel verstummt gegenüber so genialen Wurfen wie dem dritten
Auszug, der mitten in die verhängnißvolle Seeschlacht von Antium an Bord des
Fahrzeugs versetzt, auf dem sich Cleopatra befindet; man muß die grandiose
Scene gesehen haben, in der Antonius auf dem fliehenden Schiffe erscheint, um
zu begreifen, wie es Cossa möglich war, sich die hingebendste Aufmerksamkeit
seiner Hörer für mehr als vier Stunden zu sichern. Auch der fünfte Act hat
Scenen von geradezu überwältigender Wirkung, so das Zwiegespräch zwischen
Antonius und feinem getreuen Lucilius, vor allem aber die Begegnung des
ersteren mit Cleopatra, die ihn an Octavius verrathen hat und der er prophezeit,
wie sie die Frucht davon ernten werde, umrauscht vou Spottliedern vom Sieger
aufs Capitol geführt; in dieser Rede wie in der Entgegnung Cleopatras be¬
währt sich Cossa als ein Dichter, dem die Dialektik der Leidenschaft wie wenigen
vertraut ist.

In seiner 06ont», die zum erstenmale im Jahre 1879 über die Bretter
Mg, schöpft der römische Poet, wie schon früher in dem mir leider nicht be¬
kannt gewordenen Drama 1 LoiM, aus dem Zeitalter der Renaissance, doch
so, daß er in Anlehnung an eine Erzählung Vasaris seinen Stoff ziemlich frei
erfindet. Den Mittelpunkt des Stückes bilden der Maler Giorgione und seine
Geliebte Cecilia, deren vermeinte Untreue für ihn die Ursache zu frühzeitigem
Tode wird. Bei überaus blendenden Einzelheiten, wie der prachtvollen Lobrede


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/91>, abgerufen am 15.01.2025.