Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Pietro Lossa, beilegt. Zeigte sich in diesen Versuchen noch keine selbständige Richtung, in den Pietro Lossa, beilegt. Zeigte sich in diesen Versuchen noch keine selbständige Richtung, in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0089" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150811"/> <fw type="header" place="top"> Pietro Lossa,</fw><lb/> <p xml:id="ID_233" prev="#ID_232" next="#ID_234"> beilegt. Zeigte sich in diesen Versuchen noch keine selbständige Richtung, in den<lb/> erstgenannten vielmehr noch jene von Frankreich dictirte Unterwerfung unter den<lb/> Zwang des aristotelischen Kanons, der so viel Unheil in der modernen Dra¬<lb/> matik angerichtet hat, so begann der Dichter dagegen in seiner Tragödie „Nero"<lb/> einen eignen Weg einzuschlagen, indem er an der Hand der 'historischen Ueber¬<lb/> lieferung eine Reihe zum Theil sehr wirkungsvoller, aber freilich allzu lose ver¬<lb/> bundener Scenen zu einem dramatischen Zeitgemälde vereinigte. Auf den rö¬<lb/> mischen Bühnen nur lau begrüßt, hatte sich das Stück in Mailand der beifälligsten<lb/> Aufnahme zu erfreuen, die den Verfasser ermunterte, seine dramatische Thätigkeit<lb/> rüstig fortzusetzen. Von materiellem Lohne warder Erfolg des „Nero" leider nicht<lb/> begleitet, so daß sich der mittellose Autor, um seine Existenz zu fristen, zur<lb/> Uebernahme einer kärglichen Lchrstellung an einem römischen Institut genöthigt<lb/> sah. Er verfaßte nunmehr in kurzen Zwischenräumen die Dramen xi^uto K it<lb/> 8no SWolo, ein Stück, welches in Anbetracht der vortrefflichen Reconftruction<lb/> eines entlegenen Zeitalters zu seinen besten Arbeiten gezählt wird, alsdann<lb/> einen vois, all Kicmxo, über den die Stimmen der Kritik auseinandergingen, der<lb/> indeß Stellen von hoher poetischer Schönheit ausweist, und I/^riosto 6 ZU<lb/> ^tcmsi, ein Drama, zu dessen Abfassung ihm die äußere Anregung zur Ge¬<lb/> dächtnißfeier des großen romantischen Epikers von seiten der Gemeinde von<lb/> Ferrara wurde. In seiner großen, sechsactigcn Tragödie NkWiümg, setzte der<lb/> Dichter fort, was er bereits im Usionö angestrebt hatte: er führte die Helden<lb/> der alten Geschichte, die auf dem italienischen Theater, abgesehen von dem einen<lb/> Wen, zu innerlich unwahren, verschwommenen Halbgöttern geworden waren,<lb/> als Menschen von Fleisch und Blut vor und wußte durch die Schärfe seiner<lb/> Charakteristik aufs glücklichste mit dem Historiker zu wetteifern, durch die Ge¬<lb/> nialität der Intuition aber ihn oft zu übertreffen. Wer die lyrischen Triviali¬<lb/> täten kennt, die Metastasio und andre zum Entzücken des italienischen Publicums<lb/> ihre „historischen" Dramen einflochten, der wird nicht umhin können, der<lb/> °<de dramatischen, lebenswahren Diction, die Cossa in diesem wie spätern Stücken<lb/> derselben Gattung aufweist, die höchste Anerkennung zu zollen. Theilt er diesen<lb/> Vorzug mit Alfieri, so unterscheidet er sich dagegen in Bezug auf die Compo-<lb/> sttion sehr wesentlich von seinem großen Vorgänger. Denn während dieser alles<lb/> Nebensächliche principiell fernhält und das Interesse des Zuschauers so viel als<lb/> 'uöglich auf die Hauptpersonen zu concentriren bestrebt ist, nimmt Cossa in<lb/> größtem Umfange Nebenfiguren und episodische Vorgänge zu Hilfe, um den<lb/> Hörer durch bunten Wechsel in dauernder Spannung zu erhalten, und gerade<lb/> mit diesen Nebenpersonen und Episoden, die seiner Phantasie den freiesten Spiel¬<lb/> raum gewähren, weiß er die packendsten Wirkungen hervorzubringen. So ist<lb/> w dem Trauerspiel UsssMva die Gestalt des Gladiators Bito, in der sich mit<lb/> den verworfensten Eigenschaften der edle Zug der Dankbarkeit und Treue gegen<lb/> d^ schnöde hingemordeten Herrn vereinigt, eine vortrefflich gelungene psycho-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0089]
Pietro Lossa,
beilegt. Zeigte sich in diesen Versuchen noch keine selbständige Richtung, in den
erstgenannten vielmehr noch jene von Frankreich dictirte Unterwerfung unter den
Zwang des aristotelischen Kanons, der so viel Unheil in der modernen Dra¬
matik angerichtet hat, so begann der Dichter dagegen in seiner Tragödie „Nero"
einen eignen Weg einzuschlagen, indem er an der Hand der 'historischen Ueber¬
lieferung eine Reihe zum Theil sehr wirkungsvoller, aber freilich allzu lose ver¬
bundener Scenen zu einem dramatischen Zeitgemälde vereinigte. Auf den rö¬
mischen Bühnen nur lau begrüßt, hatte sich das Stück in Mailand der beifälligsten
Aufnahme zu erfreuen, die den Verfasser ermunterte, seine dramatische Thätigkeit
rüstig fortzusetzen. Von materiellem Lohne warder Erfolg des „Nero" leider nicht
begleitet, so daß sich der mittellose Autor, um seine Existenz zu fristen, zur
Uebernahme einer kärglichen Lchrstellung an einem römischen Institut genöthigt
sah. Er verfaßte nunmehr in kurzen Zwischenräumen die Dramen xi^uto K it
8no SWolo, ein Stück, welches in Anbetracht der vortrefflichen Reconftruction
eines entlegenen Zeitalters zu seinen besten Arbeiten gezählt wird, alsdann
einen vois, all Kicmxo, über den die Stimmen der Kritik auseinandergingen, der
indeß Stellen von hoher poetischer Schönheit ausweist, und I/^riosto 6 ZU
^tcmsi, ein Drama, zu dessen Abfassung ihm die äußere Anregung zur Ge¬
dächtnißfeier des großen romantischen Epikers von seiten der Gemeinde von
Ferrara wurde. In seiner großen, sechsactigcn Tragödie NkWiümg, setzte der
Dichter fort, was er bereits im Usionö angestrebt hatte: er führte die Helden
der alten Geschichte, die auf dem italienischen Theater, abgesehen von dem einen
Wen, zu innerlich unwahren, verschwommenen Halbgöttern geworden waren,
als Menschen von Fleisch und Blut vor und wußte durch die Schärfe seiner
Charakteristik aufs glücklichste mit dem Historiker zu wetteifern, durch die Ge¬
nialität der Intuition aber ihn oft zu übertreffen. Wer die lyrischen Triviali¬
täten kennt, die Metastasio und andre zum Entzücken des italienischen Publicums
ihre „historischen" Dramen einflochten, der wird nicht umhin können, der
°<de dramatischen, lebenswahren Diction, die Cossa in diesem wie spätern Stücken
derselben Gattung aufweist, die höchste Anerkennung zu zollen. Theilt er diesen
Vorzug mit Alfieri, so unterscheidet er sich dagegen in Bezug auf die Compo-
sttion sehr wesentlich von seinem großen Vorgänger. Denn während dieser alles
Nebensächliche principiell fernhält und das Interesse des Zuschauers so viel als
'uöglich auf die Hauptpersonen zu concentriren bestrebt ist, nimmt Cossa in
größtem Umfange Nebenfiguren und episodische Vorgänge zu Hilfe, um den
Hörer durch bunten Wechsel in dauernder Spannung zu erhalten, und gerade
mit diesen Nebenpersonen und Episoden, die seiner Phantasie den freiesten Spiel¬
raum gewähren, weiß er die packendsten Wirkungen hervorzubringen. So ist
w dem Trauerspiel UsssMva die Gestalt des Gladiators Bito, in der sich mit
den verworfensten Eigenschaften der edle Zug der Dankbarkeit und Treue gegen
d^ schnöde hingemordeten Herrn vereinigt, eine vortrefflich gelungene psycho-
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