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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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pietro Lossa.

das auf Objectivitcit Anspruch erheben dürfte. Außerhalb seines Vaterlandes ist
Cossa bis jetzt nur wenig bekannt geworden, obwohl er es unleugbar weit mehr
verdiente als jene dramatischen Faiseurs an der Seine, deren pMognomielose
Fabrikate uns Deutschen speciell in Uebersetzungen und Nachahmungen über Ge¬
bühr nahe gebracht sind. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob es in
erster Linie die von Cossa behandelten Stoffe sind, die ihm ausländische Bühnen
mit wenigen Ausnahmen verschlossen hielten; wem es jedoch bei dramatischen
Schöpfungen weniger auf das Materielle der Fabel als auf die künstlerische
Behandlung ankommt, wer nicht sowohl auf das "Zeitgemäße" als auf das
Bleibende sein Augenmerk richtet, der darf an Cossas Dichtungen so wenig vorüber¬
gehen wie an irgend einem Dramatiker von wahrem Berufe, der in der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts geschrieben hat. Für Italien zumal, das auf dra¬
matischem Gebiete bekanntlich im Verhältniß zu andern Gattungen der Literatur
nicht eben reich dasteht, gewinnt eine Persönlichkeit von der Originalität des
Dahingeschiedenen eine ganz besondre Bedeutung.

Bei dem kurzen Abriß, den ich im folgenden zu geben versuche, ist mir
Beschränkung auf einzelnes umsomehr geboten, als mir mehrere durch den
Druck noch nicht veröffentlichte Arbeiten Cossas nicht bekannt sind. Es wäre
in hohem Grade zu wünschen, daß man in Italien recht bald durch eine voll¬
ständige Ausgabe seiner Werke dem Dichter gegenüber eine Pflicht der Dankbar¬
keit erfüllte und zugleich dem Auslande Gelegenheit böte, sich mit einer der
hervorragendsten Erscheinungen im Geistesleben des zeitgenössischen Italiens ver¬
traut zu machen. In deutscher Übersetzung ist mir nur eines von Cossas
Stücken, Nvroiiö, begegnet,*) leider in so unbeholfener, daß man von der Eigen¬
thümlichkeit des Dichters, namentlich seiner urwüchsigen, von allem Conven-
tionalismus weit entfernten Diction, die schon in diesem Jugendwerke hervor¬
tritt, einen sehr unvollkommenen Begriff erhält. Eine formgerechte Uebertragung
des SiMano 1'L.xo8eg.tÄ oder der 0lLvxg.tra wäre sicherlich eine ungleich wür¬
digere Aufgabe, als sie der große Haufe der von der "Uebersetzungsseuche" be¬
hafteten in Deutschland sich zu wählen pflegt; möge ihre Erledigung von be¬
rufener Seite nicht allzulange auf sich warten lassen!

Die ersten Stücke Cossas sind in chronologischer Reihenfolge: Nario L i
(Ämvri (1864), der durch Dante inspirirte LoräsIIo, UoimIäWoüi (das bekannte
Opfer der Königin Christine von Schweden), LkLtllovsn, ein Drama in Prosa,
in welchem der Dichter nach seinen eignen, von Siegfried Sumpfes mitgetheilten
Worten**) "dem unsterblichen deutschen Meister, dem größte" Komponisten, der
je in der Welt existirte," einen Tribut der Bewunderung entrichten wollte, und
endlich ?u8eulcin, eine Arbeit, welcher der Autor selbst keine große Bedeutung




*) Reclamsche Umversalbiblivthek, Ur. S91.
**) Pietro Aretnw und Italienische Charnkterköpfe, Berlin, 1881, S, 108,
pietro Lossa.

das auf Objectivitcit Anspruch erheben dürfte. Außerhalb seines Vaterlandes ist
Cossa bis jetzt nur wenig bekannt geworden, obwohl er es unleugbar weit mehr
verdiente als jene dramatischen Faiseurs an der Seine, deren pMognomielose
Fabrikate uns Deutschen speciell in Uebersetzungen und Nachahmungen über Ge¬
bühr nahe gebracht sind. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob es in
erster Linie die von Cossa behandelten Stoffe sind, die ihm ausländische Bühnen
mit wenigen Ausnahmen verschlossen hielten; wem es jedoch bei dramatischen
Schöpfungen weniger auf das Materielle der Fabel als auf die künstlerische
Behandlung ankommt, wer nicht sowohl auf das „Zeitgemäße" als auf das
Bleibende sein Augenmerk richtet, der darf an Cossas Dichtungen so wenig vorüber¬
gehen wie an irgend einem Dramatiker von wahrem Berufe, der in der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts geschrieben hat. Für Italien zumal, das auf dra¬
matischem Gebiete bekanntlich im Verhältniß zu andern Gattungen der Literatur
nicht eben reich dasteht, gewinnt eine Persönlichkeit von der Originalität des
Dahingeschiedenen eine ganz besondre Bedeutung.

Bei dem kurzen Abriß, den ich im folgenden zu geben versuche, ist mir
Beschränkung auf einzelnes umsomehr geboten, als mir mehrere durch den
Druck noch nicht veröffentlichte Arbeiten Cossas nicht bekannt sind. Es wäre
in hohem Grade zu wünschen, daß man in Italien recht bald durch eine voll¬
ständige Ausgabe seiner Werke dem Dichter gegenüber eine Pflicht der Dankbar¬
keit erfüllte und zugleich dem Auslande Gelegenheit böte, sich mit einer der
hervorragendsten Erscheinungen im Geistesleben des zeitgenössischen Italiens ver¬
traut zu machen. In deutscher Übersetzung ist mir nur eines von Cossas
Stücken, Nvroiiö, begegnet,*) leider in so unbeholfener, daß man von der Eigen¬
thümlichkeit des Dichters, namentlich seiner urwüchsigen, von allem Conven-
tionalismus weit entfernten Diction, die schon in diesem Jugendwerke hervor¬
tritt, einen sehr unvollkommenen Begriff erhält. Eine formgerechte Uebertragung
des SiMano 1'L.xo8eg.tÄ oder der 0lLvxg.tra wäre sicherlich eine ungleich wür¬
digere Aufgabe, als sie der große Haufe der von der „Uebersetzungsseuche" be¬
hafteten in Deutschland sich zu wählen pflegt; möge ihre Erledigung von be¬
rufener Seite nicht allzulange auf sich warten lassen!

Die ersten Stücke Cossas sind in chronologischer Reihenfolge: Nario L i
(Ämvri (1864), der durch Dante inspirirte LoräsIIo, UoimIäWoüi (das bekannte
Opfer der Königin Christine von Schweden), LkLtllovsn, ein Drama in Prosa,
in welchem der Dichter nach seinen eignen, von Siegfried Sumpfes mitgetheilten
Worten**) „dem unsterblichen deutschen Meister, dem größte» Komponisten, der
je in der Welt existirte," einen Tribut der Bewunderung entrichten wollte, und
endlich ?u8eulcin, eine Arbeit, welcher der Autor selbst keine große Bedeutung




*) Reclamsche Umversalbiblivthek, Ur. S91.
**) Pietro Aretnw und Italienische Charnkterköpfe, Berlin, 1881, S, 108,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/88>, abgerufen am 15.01.2025.