Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Ans der Zeit "ach dein Tilsiter Frieden. Nirgends war man dem allem mit mehr Theilnahme gefolgt als in Preußen. Bei dieser abwehrenden Haltung ließ es der König aber nicht. Zur per¬ So empfing Graf Götzen, dessen Verdienste um die Vertheidigung Schlesiens "Mein lieber Oberstleutnant Graf von Götzen! , Die gegenwärtigen Verhält- Ans der Zeit »ach dein Tilsiter Frieden. Nirgends war man dem allem mit mehr Theilnahme gefolgt als in Preußen. Bei dieser abwehrenden Haltung ließ es der König aber nicht. Zur per¬ So empfing Graf Götzen, dessen Verdienste um die Vertheidigung Schlesiens „Mein lieber Oberstleutnant Graf von Götzen! , Die gegenwärtigen Verhält- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0059" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150781"/> <fw type="header" place="top"> Ans der Zeit »ach dein Tilsiter Frieden.</fw><lb/> <p xml:id="ID_147"> Nirgends war man dem allem mit mehr Theilnahme gefolgt als in Preußen.<lb/> Wie die französische Armee vertheilt war, verstand es sich von selbst, daß Na¬<lb/> poleon, wenn er etwas gegen Oesterreich unternehmen wollte, den Schwerpunkt<lb/> seiner Operationen nach Schlesien verlegen würde. Der König hatte dort aller¬<lb/> dings nur ungefähr 10,000 Mann stehen, aber trotzdem konnten die preußischen<lb/> Truppen gerade in den der böhmisch-mährischen Grenze zunächstgelegenen Theilen<lb/> der Provinz, in der Grafschaft Glatz und in Oberschlesien, bedeutenden Einfluß<lb/> auf die Kriegführung gewinnen, da sie die wichtigen Festungen Cosel, Silber¬<lb/> berg und Glatz besetzt hielten. Die Sache veranlaßte den Wiener Hof, sich<lb/> über die Meinung Friedrich Wilhelms Gewißheit zu verschaffen. Stadion knüpfte<lb/> mit Finkenstein vertrauliche Erörterungen an, wies auf den gefährdeten Besitz<lb/> der preußischen Festungen hin und fragte dann gerade heraus, ob der König<lb/> seinen Truppen befehlen werde, sich mit Gewalt zu behaupten, wenn Napoleon<lb/> Uebergabe der festen Plätze in Schlesien verlange. Dieses Vorgehen mißfiel<lb/> dem Könige höchlich, da Oesterreich sich bisher Preußen gegenüber sehr gleich-<lb/> giltig und zugeknöpft verhalten hatte. Das Wiener Cabinet, so heißt es in<lb/> der Erwiederung an Finkenstein, habe im Kriege seine Hilfe versagt, es habe<lb/> nach dem Frieden lange kein Lebenszeichen von sich gegeben, und jetzt verlange<lb/> es Beantwortung einer Frage, die nur unter eng befrenndeten Mächten gestellt<lb/> werden dürfe. Erst müsse man wissen, wie Oesterreich mit Frankreich und Ru߬<lb/> land stehe. So lange man hierüber nicht im klaren sei, könne Preußen keine<lb/> bestimmte Autwort ertheilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_148"> Bei dieser abwehrenden Haltung ließ es der König aber nicht. Zur per¬<lb/> sönlichen Information für Finkenstein fügte er hinzu, die Verpflichtungen, die<lb/> er in Tilsit übernommen, werde er allerdings pünktlich erfüllen, weitergehenden<lb/> Forderungen Napoleons aber sich nach Kräften widersetzen. Dabei dachte er<lb/> offenbar zunächst an die Eventualitäten in der Grafschaft Glatz, auf die Stadion<lb/> hingewiesen. Von den schlesischen Behörden war gemeldet worden, daß ein Theil<lb/> der französischen Oeenpativnsarmee in die Nähe der böhmischen Grenze verlegt<lb/> worden war. Dies und die Kunde von den Mobilmachungen in Westfalen und<lb/> Süddeutschland verlieh der Frage der schlesischen Festungen einen sehr ernsten<lb/> Charakter, und der König war entschlossen, dieselben Napoleon auf keinem Fall<lb/> M überlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_149"> So empfing Graf Götzen, dessen Verdienste um die Vertheidigung Schlesiens<lb/> un letzten Kriege noch in gutem Andenken standen, den Befehl, sofort nach Ober¬<lb/> schlesien abzugehen. Die betreffende Ordre, datirt Königsberg, 23. Juli 1808,<lb/> lautete:</p><lb/> <p xml:id="ID_150" next="#ID_151"><note type="salute"> „Mein lieber Oberstleutnant Graf von Götzen!</note> , Die gegenwärtigen Verhält-<lb/> '"sse in Schlesien machen es nothwendig, daß Ihr Euch dorthin begeht, und unter<lb/> dem Vorwmide, dort das Bad zu gebrauchen, die Angelegenheiten Meiner Truppen<lb/> ^tet. Damit dies jedoch ohne alles Aufsehen geschehe, so werdet Ihr vor jetzt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0059]
Ans der Zeit »ach dein Tilsiter Frieden.
Nirgends war man dem allem mit mehr Theilnahme gefolgt als in Preußen.
Wie die französische Armee vertheilt war, verstand es sich von selbst, daß Na¬
poleon, wenn er etwas gegen Oesterreich unternehmen wollte, den Schwerpunkt
seiner Operationen nach Schlesien verlegen würde. Der König hatte dort aller¬
dings nur ungefähr 10,000 Mann stehen, aber trotzdem konnten die preußischen
Truppen gerade in den der böhmisch-mährischen Grenze zunächstgelegenen Theilen
der Provinz, in der Grafschaft Glatz und in Oberschlesien, bedeutenden Einfluß
auf die Kriegführung gewinnen, da sie die wichtigen Festungen Cosel, Silber¬
berg und Glatz besetzt hielten. Die Sache veranlaßte den Wiener Hof, sich
über die Meinung Friedrich Wilhelms Gewißheit zu verschaffen. Stadion knüpfte
mit Finkenstein vertrauliche Erörterungen an, wies auf den gefährdeten Besitz
der preußischen Festungen hin und fragte dann gerade heraus, ob der König
seinen Truppen befehlen werde, sich mit Gewalt zu behaupten, wenn Napoleon
Uebergabe der festen Plätze in Schlesien verlange. Dieses Vorgehen mißfiel
dem Könige höchlich, da Oesterreich sich bisher Preußen gegenüber sehr gleich-
giltig und zugeknöpft verhalten hatte. Das Wiener Cabinet, so heißt es in
der Erwiederung an Finkenstein, habe im Kriege seine Hilfe versagt, es habe
nach dem Frieden lange kein Lebenszeichen von sich gegeben, und jetzt verlange
es Beantwortung einer Frage, die nur unter eng befrenndeten Mächten gestellt
werden dürfe. Erst müsse man wissen, wie Oesterreich mit Frankreich und Ru߬
land stehe. So lange man hierüber nicht im klaren sei, könne Preußen keine
bestimmte Autwort ertheilen.
Bei dieser abwehrenden Haltung ließ es der König aber nicht. Zur per¬
sönlichen Information für Finkenstein fügte er hinzu, die Verpflichtungen, die
er in Tilsit übernommen, werde er allerdings pünktlich erfüllen, weitergehenden
Forderungen Napoleons aber sich nach Kräften widersetzen. Dabei dachte er
offenbar zunächst an die Eventualitäten in der Grafschaft Glatz, auf die Stadion
hingewiesen. Von den schlesischen Behörden war gemeldet worden, daß ein Theil
der französischen Oeenpativnsarmee in die Nähe der böhmischen Grenze verlegt
worden war. Dies und die Kunde von den Mobilmachungen in Westfalen und
Süddeutschland verlieh der Frage der schlesischen Festungen einen sehr ernsten
Charakter, und der König war entschlossen, dieselben Napoleon auf keinem Fall
M überlassen.
So empfing Graf Götzen, dessen Verdienste um die Vertheidigung Schlesiens
un letzten Kriege noch in gutem Andenken standen, den Befehl, sofort nach Ober¬
schlesien abzugehen. Die betreffende Ordre, datirt Königsberg, 23. Juli 1808,
lautete:
„Mein lieber Oberstleutnant Graf von Götzen! , Die gegenwärtigen Verhält-
'"sse in Schlesien machen es nothwendig, daß Ihr Euch dorthin begeht, und unter
dem Vorwmide, dort das Bad zu gebrauchen, die Angelegenheiten Meiner Truppen
^tet. Damit dies jedoch ohne alles Aufsehen geschehe, so werdet Ihr vor jetzt
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