Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.bald die Unterjochung der Spanier vollendet war. Man begann seine Sorge Im Laufe des Juni jedoch traten die Tendenzen Oesterreichs deutlicher Es fragte sich nur, ob die Berechnungen des Wiener Cabinets nicht durch bald die Unterjochung der Spanier vollendet war. Man begann seine Sorge Im Laufe des Juni jedoch traten die Tendenzen Oesterreichs deutlicher Es fragte sich nur, ob die Berechnungen des Wiener Cabinets nicht durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150780"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_144" prev="#ID_143"> bald die Unterjochung der Spanier vollendet war. Man begann seine Sorge<lb/> der Kriegsbereitschaft der Armee zuzuwenden und schuf eine Reserve und dann<lb/> eine Landwehr, erklärte aber zugleich, der gegenwärtige Zeitpunkt für die Re¬<lb/> form des Heerwesens sei deshalb gewählt, weil Oesterreich „mit allen Mächten<lb/> des Continents in friedlichen Verhältnissen lebe." Und dieser ängstlichen Vor¬<lb/> sicht entsprach auch die Taktik des Wiener Ccibinets in den auswärtigen Be¬<lb/> ziehungen. Nichts deutete auf einen Wechsel in der Politik, nichts auf einen<lb/> aggressiven Plan. Man schien in der Hofburg mehr als je beflissen, sich den<lb/> Beifall Napoleons zu erwerben.</p><lb/> <p xml:id="ID_145"> Im Laufe des Juni jedoch traten die Tendenzen Oesterreichs deutlicher<lb/> hervor. Die Nachricht von dein Zusammentreten der prvvinzialen Jnntas in<lb/> Spanien, unter deren Leitung sich der Aufstand mit Sturmeseile über das Land<lb/> verbreitete, rief mich in Oesterreich eine gewaltige Erregung der Geister hervor.<lb/> Alle Stunde wurden von gleichem Eifer für den Dienst in der Reserve und<lb/> der Landwehr ergriffen, und es war bald nur ein Wunsch von Jung und Alt,<lb/> daß der Beginn des Kampfes nicht lange mehr auf sich warten lassen möge.<lb/> Auch die Regierung schien sich energisch aus ihrer langen Erstarrung aufraffen<lb/> zu wollen. Die Vertheidigungsanstalten wurden eifriger betrieben. Man ver¬<lb/> suchte sich Rußland zu nähern. Eine ansehnliche Partei am Hofe, zu welcher<lb/> die Kaiserin, ihre Brüder und die jüngern Erzherzoge gehörten, drängte zu<lb/> rascher Entscheidung. In den Reihen der Armee war die Ansicht weit ver¬<lb/> breitet, daß man nicht warten dürfe, bis Napoleon den Kampf beginne, viel¬<lb/> mehr die Zeit, während deren die Franzosen in Spanien beschäftigt wären, zu<lb/> einem Angriffe auf die französischen Truppen in Schlesien und Polen benutzen<lb/> müsse. Indeß neigte die österreichische Politik vorwiegend noch immer dahin,<lb/> den Krieg zu vermeiden, wenigstens so lange, bis die Rüstungen vollendet<lb/> wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_146"> Es fragte sich nur, ob die Berechnungen des Wiener Cabinets nicht durch<lb/> die Ereignisse über den Hansen geworfen werden würden. Die Spannung mit<lb/> Napoleon nahm von Tage zu Tage einen ernsteren Charakter an. Ein großer<lb/> Theil der französischen Truppen in Schlesien wurde im Juli bis in die Nähe<lb/> der österreichischen Grenze vorgeschoben, die Rheinbundfürsten waren aufgefordert<lb/> worden, ihre Contingente ungesäumt auf den Kriegsfuß zu setzen, und an<lb/> mehreren Stellen Westdeutschlands wurden Observationscorps zusammengezogen.<lb/> Zuletzt forderte, Mitte August, Napoleon von der österreichischen Regierung<lb/> kategorische Erklärungen über die Absichten der militärischen Maßregeln und<lb/> Einstellung der letztern. Aber die Dinge standen jetzt nicht mehr so, daß Kaiser<lb/> Franz sich weiter zu demüthigen genöthigt gewesen wäre. Man wußte, daß die<lb/> Franzosen in Spanien in übler Lage waren. So erhielt Napoleon eine aus¬<lb/> weichende Antwort: man betheuerte in Wien seine Friedfertigkeit, dachte aber<lb/> nicht daran, in Sistirung der Kriegsbereitschaft zu willigen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
bald die Unterjochung der Spanier vollendet war. Man begann seine Sorge
der Kriegsbereitschaft der Armee zuzuwenden und schuf eine Reserve und dann
eine Landwehr, erklärte aber zugleich, der gegenwärtige Zeitpunkt für die Re¬
form des Heerwesens sei deshalb gewählt, weil Oesterreich „mit allen Mächten
des Continents in friedlichen Verhältnissen lebe." Und dieser ängstlichen Vor¬
sicht entsprach auch die Taktik des Wiener Ccibinets in den auswärtigen Be¬
ziehungen. Nichts deutete auf einen Wechsel in der Politik, nichts auf einen
aggressiven Plan. Man schien in der Hofburg mehr als je beflissen, sich den
Beifall Napoleons zu erwerben.
Im Laufe des Juni jedoch traten die Tendenzen Oesterreichs deutlicher
hervor. Die Nachricht von dein Zusammentreten der prvvinzialen Jnntas in
Spanien, unter deren Leitung sich der Aufstand mit Sturmeseile über das Land
verbreitete, rief mich in Oesterreich eine gewaltige Erregung der Geister hervor.
Alle Stunde wurden von gleichem Eifer für den Dienst in der Reserve und
der Landwehr ergriffen, und es war bald nur ein Wunsch von Jung und Alt,
daß der Beginn des Kampfes nicht lange mehr auf sich warten lassen möge.
Auch die Regierung schien sich energisch aus ihrer langen Erstarrung aufraffen
zu wollen. Die Vertheidigungsanstalten wurden eifriger betrieben. Man ver¬
suchte sich Rußland zu nähern. Eine ansehnliche Partei am Hofe, zu welcher
die Kaiserin, ihre Brüder und die jüngern Erzherzoge gehörten, drängte zu
rascher Entscheidung. In den Reihen der Armee war die Ansicht weit ver¬
breitet, daß man nicht warten dürfe, bis Napoleon den Kampf beginne, viel¬
mehr die Zeit, während deren die Franzosen in Spanien beschäftigt wären, zu
einem Angriffe auf die französischen Truppen in Schlesien und Polen benutzen
müsse. Indeß neigte die österreichische Politik vorwiegend noch immer dahin,
den Krieg zu vermeiden, wenigstens so lange, bis die Rüstungen vollendet
wären.
Es fragte sich nur, ob die Berechnungen des Wiener Cabinets nicht durch
die Ereignisse über den Hansen geworfen werden würden. Die Spannung mit
Napoleon nahm von Tage zu Tage einen ernsteren Charakter an. Ein großer
Theil der französischen Truppen in Schlesien wurde im Juli bis in die Nähe
der österreichischen Grenze vorgeschoben, die Rheinbundfürsten waren aufgefordert
worden, ihre Contingente ungesäumt auf den Kriegsfuß zu setzen, und an
mehreren Stellen Westdeutschlands wurden Observationscorps zusammengezogen.
Zuletzt forderte, Mitte August, Napoleon von der österreichischen Regierung
kategorische Erklärungen über die Absichten der militärischen Maßregeln und
Einstellung der letztern. Aber die Dinge standen jetzt nicht mehr so, daß Kaiser
Franz sich weiter zu demüthigen genöthigt gewesen wäre. Man wußte, daß die
Franzosen in Spanien in übler Lage waren. So erhielt Napoleon eine aus¬
weichende Antwort: man betheuerte in Wien seine Friedfertigkeit, dachte aber
nicht daran, in Sistirung der Kriegsbereitschaft zu willigen.
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