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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Vie neuen Erwerbungen der Dresdener Galerie.

gleichwohl 6000 Mark erlegt wurden. Vergl. Lermolieff a. a. O. S. 197--200.
N'r. 1815 l Tod der Virginia. Angeblich von Holbein, in der That Nachahmung
ohne Werth. Preis 1020." Diese Proben werden genügen, um den unbe¬
fangenen Leser über die Art und Weise, in welcher Herr Dr. Eisenmann Kunst¬
kritik betreibt, genügend aufzuklären. Solche Behauptungen lassen sich ebenso
leicht aufstellen als widerlegen. Es braucht mir jemand sich die Mühe zu geben,
das ganze Verzeichniß des Herrn Eisenmann zu wiederholen und das Gegen¬
theil mit dem nöthigen Aufwand von technischen, in Kunsthändlerkreisen
üblichen Ausdrücken zu behaupten. Wer zuletzt zum Worte gelaugt, be¬
hält Recht.

Wir können dafür ein ebenso ergötzliches als lehrreiches Beispiel anführen.
Das große Werk der Herren Crowe und Cavaleaselle über die italienische Malerei
machte bei seinem Erscheinen ein ungewöhnliches, aber durchaus gerechtfertigtes
Aufsehen. Seit den "Italienischen Forschungen" des Herrn von Rumohr war
kein ähnliches Werk geschrieben worden, hatte niemand mit ebensoviel Geist,
Scharfsinn und Gelehrsamkeit die kritische Sonde an eine Unzahl in ganz
Europa verstreuter Gemälde gelegt. Ganze Perioden der italienischen Kunst-
geschichte traten ans dem Dunkel hervor, die verworrensten Verhältnisse, an
deren Losung schon manch feiner Kopf verzweifelt, wurden mit einem Schlage
aufgeklärt, und mancher verkannte Meister kam zu seinem Rechte, wahrend
die Gloriole andrer mit strenger, aber gerechter Hand vernichtet wurde. Ein
Urtheil, welches sich auf eine so ungeheure Bildcrtenntniß und ein so imposantes
Material von Urkunden und gedruckten Quellenschriften stützte, wurde länger als
ein Jahrzehnt mit höchster Pietät respectirt, und alle Specialforschungen nahmen
von dem grundlegenden Werke jenes Forscherpaares ihren Ausgang. Auch die
Verwaltung der Dresdener Galerie adoptirte zum großen Theil die Ergebnisse
ihrer Untersuchungen in den neuesten Ausgaben ihres Katalogs, obwohl manches
Werk, welches die Tradition anders getauft hatte, dadurch einen neuen, oft wenig
oder gar nicht gekannten Namen erhielt.

Da, gegen Ende des vorigen Jahres, wurde der Nimbus, welcher die Namen
Crowe und Cavaleaselle umgab, mit einemmale durch ein Buch zerstört, welches
unter dem Titel "Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München,
Dresden und Berlin" im Verlage von E. A. Seemann in Leipzig erschien und
als dessen Verfasser sich ein Russe Ivan Lermolieff nannte. I" eingeweihten
.Kreisen wurde dieser Name bald als Pseudonym und der wahre Verfasser in
der Person des italienischen Senators Morclli erkannt, eines feinen Kenners
italienischer Malerei, der auf deutschen Universitäten studirt hat, also der deut¬
schen Sprache vollkommen mächtig ist. Leider wurde der Genuß des geistvollen,
an neuen Ergebnissen überaus reichen Buches einigermaßen durch die beißende
Ironie getrübt, mit welcher Mvrelli die Herren Crowe und Cavaleaselle ver¬
folgt. Im Vorworte geht er sogar so weit, sie unter einer leicht erkenn-


Vie neuen Erwerbungen der Dresdener Galerie.

gleichwohl 6000 Mark erlegt wurden. Vergl. Lermolieff a. a. O. S. 197—200.
N'r. 1815 l Tod der Virginia. Angeblich von Holbein, in der That Nachahmung
ohne Werth. Preis 1020." Diese Proben werden genügen, um den unbe¬
fangenen Leser über die Art und Weise, in welcher Herr Dr. Eisenmann Kunst¬
kritik betreibt, genügend aufzuklären. Solche Behauptungen lassen sich ebenso
leicht aufstellen als widerlegen. Es braucht mir jemand sich die Mühe zu geben,
das ganze Verzeichniß des Herrn Eisenmann zu wiederholen und das Gegen¬
theil mit dem nöthigen Aufwand von technischen, in Kunsthändlerkreisen
üblichen Ausdrücken zu behaupten. Wer zuletzt zum Worte gelaugt, be¬
hält Recht.

Wir können dafür ein ebenso ergötzliches als lehrreiches Beispiel anführen.
Das große Werk der Herren Crowe und Cavaleaselle über die italienische Malerei
machte bei seinem Erscheinen ein ungewöhnliches, aber durchaus gerechtfertigtes
Aufsehen. Seit den „Italienischen Forschungen" des Herrn von Rumohr war
kein ähnliches Werk geschrieben worden, hatte niemand mit ebensoviel Geist,
Scharfsinn und Gelehrsamkeit die kritische Sonde an eine Unzahl in ganz
Europa verstreuter Gemälde gelegt. Ganze Perioden der italienischen Kunst-
geschichte traten ans dem Dunkel hervor, die verworrensten Verhältnisse, an
deren Losung schon manch feiner Kopf verzweifelt, wurden mit einem Schlage
aufgeklärt, und mancher verkannte Meister kam zu seinem Rechte, wahrend
die Gloriole andrer mit strenger, aber gerechter Hand vernichtet wurde. Ein
Urtheil, welches sich auf eine so ungeheure Bildcrtenntniß und ein so imposantes
Material von Urkunden und gedruckten Quellenschriften stützte, wurde länger als
ein Jahrzehnt mit höchster Pietät respectirt, und alle Specialforschungen nahmen
von dem grundlegenden Werke jenes Forscherpaares ihren Ausgang. Auch die
Verwaltung der Dresdener Galerie adoptirte zum großen Theil die Ergebnisse
ihrer Untersuchungen in den neuesten Ausgaben ihres Katalogs, obwohl manches
Werk, welches die Tradition anders getauft hatte, dadurch einen neuen, oft wenig
oder gar nicht gekannten Namen erhielt.

Da, gegen Ende des vorigen Jahres, wurde der Nimbus, welcher die Namen
Crowe und Cavaleaselle umgab, mit einemmale durch ein Buch zerstört, welches
unter dem Titel „Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München,
Dresden und Berlin" im Verlage von E. A. Seemann in Leipzig erschien und
als dessen Verfasser sich ein Russe Ivan Lermolieff nannte. I» eingeweihten
.Kreisen wurde dieser Name bald als Pseudonym und der wahre Verfasser in
der Person des italienischen Senators Morclli erkannt, eines feinen Kenners
italienischer Malerei, der auf deutschen Universitäten studirt hat, also der deut¬
schen Sprache vollkommen mächtig ist. Leider wurde der Genuß des geistvollen,
an neuen Ergebnissen überaus reichen Buches einigermaßen durch die beißende
Ironie getrübt, mit welcher Mvrelli die Herren Crowe und Cavaleaselle ver¬
folgt. Im Vorworte geht er sogar so weit, sie unter einer leicht erkenn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/522>, abgerufen am 16.01.2025.