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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die akademische Rinistansstellung in Baru",

mis Speisesaaldecoration gedacht, alles weit hinter sich gelassen, was in Deutsch¬
land bisher auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Eine wahrhaft berauschende
Farbenpracht, zugleich ein Beweis, daß das vielbewunderte technische Korne"
der Franzosen durchaus nicht außerhalb des deutschen Kunstvermögens liegt.

Die plastische Abtheilung der Kunstausstellung sieht in diesem Jahre
ungleich imponirender aus als die der Gemälde. Der Zufall hat es gewollt,
daß eine größere Anzahl von Entwürfen und Modellen zu monumentalen Ar¬
beiten zusammengetroffen ist als je zuvor. An der Spitze stehen Schapers
Lessing für Hamburg und Moltke für Köln. Dem sitzenden Lessing, der gerade
in der Lectüre innehält und emporblickt, als ob sich ein Gedanke über seine
Lippen drängen wollte, kann man kein größeres Lob nachsagen, als daß er der
Rietschelschcn Statue in Braunschweig vollkommen ebenbürtig ist. Der stehende
wie der sitzende Lessing gehören zu de" glücklichsten und allseitig vollendetsten
Schöpfungen, welche die Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts hervorgebracht
hat. Schayer hat zugleich durch eine glänzende That ein ungerechtfertigtes
Vorurtheil überwunden, welches sitzende Figuren für monumentale Wirkung
unfähig hielt. Moltkes schmächtige Persönlichkeit ist für den Künstler bei weitem
nicht so dankbar wie die markige Gestalt des Fürsten Bismarck. Er mußte deu
Mantel als Folie nehmen und gewann dadurch einen malerischen Hintergrund,
der zugleich deu geistvollen, ungemein lebendigen Kopf stärker hervorhebt. Hartzers
Statue des Komponisten Spohr für Kassel leidet unter der Ungunst des phi¬
liströsen Costüms, welches einen unwiderstehlich komischen Eindruck macht, den
der seine Kopf und die eigenthümlich durchgeistigten Züge nicht besiegen können-
Brunows Hilfsmodell zu der Statue König Friedrichs I. für die Herrscherhalle
des Berliner Zeughauses folgt sehr glücklich dem malerischen Geiste des schon
zum Rococo sich neigenden Barockstils, ohne daß die Feinheit der Formen¬
bildung dadurch beeinträchtigt worden ist. Gustav Eberlein, der talentvvllste
unter den jüngern Naturalisten, welche Reinhold Begas folgen, hat zwei Modelle
für eine Statue des Plato und eine solche des Hippokrates für die Kieler Uni¬
versität, offenbar unter dem Einflusse des lateranischen Sophokles und des
vaticanischen Demosthenes, angefertigt. Er hat sich gewiß mit Recht an die
classischen Thpen angelehnt, die so vollendet sind, daß sie nicht mehr überboten
werden können. Nur in der größern Belebung der Gesichtszüge und in dem
malerischen Arrangement der Gewänder verräth sich der moderne Geist. Die
griechische Flötenspielerin Eberleins, ein unbekleidetes Mädchen von höchster
Anmuth der jugendlichen Formen, ist dagegen ganz in diesem Geiste eoneipirt.
Man darf ihn nicht schelten, wenn er so bezaubernde Reize und ein so gefälliges
Vewegungsmotiv zu schaffen weiß.

Joseph Kasfsacks Lübeeca, eine edle Frauengestalt in Renaissancecostüm,
welche für einen Brunnen oder ein Kriegerdenkmal bestimmt zu sein scheint,
kann man monumentale Würde nicht absprechen. Nur Hütte" die Züge belebter


Die akademische Rinistansstellung in Baru»,

mis Speisesaaldecoration gedacht, alles weit hinter sich gelassen, was in Deutsch¬
land bisher auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Eine wahrhaft berauschende
Farbenpracht, zugleich ein Beweis, daß das vielbewunderte technische Korne»
der Franzosen durchaus nicht außerhalb des deutschen Kunstvermögens liegt.

Die plastische Abtheilung der Kunstausstellung sieht in diesem Jahre
ungleich imponirender aus als die der Gemälde. Der Zufall hat es gewollt,
daß eine größere Anzahl von Entwürfen und Modellen zu monumentalen Ar¬
beiten zusammengetroffen ist als je zuvor. An der Spitze stehen Schapers
Lessing für Hamburg und Moltke für Köln. Dem sitzenden Lessing, der gerade
in der Lectüre innehält und emporblickt, als ob sich ein Gedanke über seine
Lippen drängen wollte, kann man kein größeres Lob nachsagen, als daß er der
Rietschelschcn Statue in Braunschweig vollkommen ebenbürtig ist. Der stehende
wie der sitzende Lessing gehören zu de» glücklichsten und allseitig vollendetsten
Schöpfungen, welche die Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts hervorgebracht
hat. Schayer hat zugleich durch eine glänzende That ein ungerechtfertigtes
Vorurtheil überwunden, welches sitzende Figuren für monumentale Wirkung
unfähig hielt. Moltkes schmächtige Persönlichkeit ist für den Künstler bei weitem
nicht so dankbar wie die markige Gestalt des Fürsten Bismarck. Er mußte deu
Mantel als Folie nehmen und gewann dadurch einen malerischen Hintergrund,
der zugleich deu geistvollen, ungemein lebendigen Kopf stärker hervorhebt. Hartzers
Statue des Komponisten Spohr für Kassel leidet unter der Ungunst des phi¬
liströsen Costüms, welches einen unwiderstehlich komischen Eindruck macht, den
der seine Kopf und die eigenthümlich durchgeistigten Züge nicht besiegen können-
Brunows Hilfsmodell zu der Statue König Friedrichs I. für die Herrscherhalle
des Berliner Zeughauses folgt sehr glücklich dem malerischen Geiste des schon
zum Rococo sich neigenden Barockstils, ohne daß die Feinheit der Formen¬
bildung dadurch beeinträchtigt worden ist. Gustav Eberlein, der talentvvllste
unter den jüngern Naturalisten, welche Reinhold Begas folgen, hat zwei Modelle
für eine Statue des Plato und eine solche des Hippokrates für die Kieler Uni¬
versität, offenbar unter dem Einflusse des lateranischen Sophokles und des
vaticanischen Demosthenes, angefertigt. Er hat sich gewiß mit Recht an die
classischen Thpen angelehnt, die so vollendet sind, daß sie nicht mehr überboten
werden können. Nur in der größern Belebung der Gesichtszüge und in dem
malerischen Arrangement der Gewänder verräth sich der moderne Geist. Die
griechische Flötenspielerin Eberleins, ein unbekleidetes Mädchen von höchster
Anmuth der jugendlichen Formen, ist dagegen ganz in diesem Geiste eoneipirt.
Man darf ihn nicht schelten, wenn er so bezaubernde Reize und ein so gefälliges
Vewegungsmotiv zu schaffen weiß.

Joseph Kasfsacks Lübeeca, eine edle Frauengestalt in Renaissancecostüm,
welche für einen Brunnen oder ein Kriegerdenkmal bestimmt zu sein scheint,
kann man monumentale Würde nicht absprechen. Nur Hütte» die Züge belebter


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[0052] Die akademische Rinistansstellung in Baru», mis Speisesaaldecoration gedacht, alles weit hinter sich gelassen, was in Deutsch¬ land bisher auf diesem Gebiete geleistet worden ist. Eine wahrhaft berauschende Farbenpracht, zugleich ein Beweis, daß das vielbewunderte technische Korne» der Franzosen durchaus nicht außerhalb des deutschen Kunstvermögens liegt. Die plastische Abtheilung der Kunstausstellung sieht in diesem Jahre ungleich imponirender aus als die der Gemälde. Der Zufall hat es gewollt, daß eine größere Anzahl von Entwürfen und Modellen zu monumentalen Ar¬ beiten zusammengetroffen ist als je zuvor. An der Spitze stehen Schapers Lessing für Hamburg und Moltke für Köln. Dem sitzenden Lessing, der gerade in der Lectüre innehält und emporblickt, als ob sich ein Gedanke über seine Lippen drängen wollte, kann man kein größeres Lob nachsagen, als daß er der Rietschelschcn Statue in Braunschweig vollkommen ebenbürtig ist. Der stehende wie der sitzende Lessing gehören zu de» glücklichsten und allseitig vollendetsten Schöpfungen, welche die Bildhauerkunst des 19. Jahrhunderts hervorgebracht hat. Schayer hat zugleich durch eine glänzende That ein ungerechtfertigtes Vorurtheil überwunden, welches sitzende Figuren für monumentale Wirkung unfähig hielt. Moltkes schmächtige Persönlichkeit ist für den Künstler bei weitem nicht so dankbar wie die markige Gestalt des Fürsten Bismarck. Er mußte deu Mantel als Folie nehmen und gewann dadurch einen malerischen Hintergrund, der zugleich deu geistvollen, ungemein lebendigen Kopf stärker hervorhebt. Hartzers Statue des Komponisten Spohr für Kassel leidet unter der Ungunst des phi¬ liströsen Costüms, welches einen unwiderstehlich komischen Eindruck macht, den der seine Kopf und die eigenthümlich durchgeistigten Züge nicht besiegen können- Brunows Hilfsmodell zu der Statue König Friedrichs I. für die Herrscherhalle des Berliner Zeughauses folgt sehr glücklich dem malerischen Geiste des schon zum Rococo sich neigenden Barockstils, ohne daß die Feinheit der Formen¬ bildung dadurch beeinträchtigt worden ist. Gustav Eberlein, der talentvvllste unter den jüngern Naturalisten, welche Reinhold Begas folgen, hat zwei Modelle für eine Statue des Plato und eine solche des Hippokrates für die Kieler Uni¬ versität, offenbar unter dem Einflusse des lateranischen Sophokles und des vaticanischen Demosthenes, angefertigt. Er hat sich gewiß mit Recht an die classischen Thpen angelehnt, die so vollendet sind, daß sie nicht mehr überboten werden können. Nur in der größern Belebung der Gesichtszüge und in dem malerischen Arrangement der Gewänder verräth sich der moderne Geist. Die griechische Flötenspielerin Eberleins, ein unbekleidetes Mädchen von höchster Anmuth der jugendlichen Formen, ist dagegen ganz in diesem Geiste eoneipirt. Man darf ihn nicht schelten, wenn er so bezaubernde Reize und ein so gefälliges Vewegungsmotiv zu schaffen weiß. Joseph Kasfsacks Lübeeca, eine edle Frauengestalt in Renaissancecostüm, welche für einen Brunnen oder ein Kriegerdenkmal bestimmt zu sein scheint, kann man monumentale Würde nicht absprechen. Nur Hütte» die Züge belebter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/52>, abgerufen am 15.01.2025.