Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.abhängig, und diese letzteren verstehen es, ihre Stellung zu benutzen. Sie scheuen Wer das Bild, welches der italienische Staatsmann zeichnet, sorgsam be¬ Miughetti ist viel zu sehr im parlamentarischen Regime aufgewachsen, um abhängig, und diese letzteren verstehen es, ihre Stellung zu benutzen. Sie scheuen Wer das Bild, welches der italienische Staatsmann zeichnet, sorgsam be¬ Miughetti ist viel zu sehr im parlamentarischen Regime aufgewachsen, um <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0503" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151225"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1648" prev="#ID_1647"> abhängig, und diese letzteren verstehen es, ihre Stellung zu benutzen. Sie scheuen<lb/> sich nicht, im Parlament ihre eignen Interessen zu fördern. Miughetti macht<lb/> auf deu Uebelstand besonders aufmerksam, der durch ein Ueberwucheru des Ad-<lb/> vocateustaudes im Parlament für das öffentliche Leben einreißt. Ist es doch<lb/> vorgekommen, daß Advocaten, welche einen Proceß in erster Instanz verloren<lb/> hatten, im Parlamente eine Jnterpellation und eine Besprechung des streitigen<lb/> Gesetzes veranlaßten, um auf die in der höher» Instanz schwebende Entscheidung<lb/> einzuwirken. Auch wird über den übermächtigen Einfluß eines parlamentarischen<lb/> Advocaten auf Richter und Geschworne besonders Klage erhoben. Unter diesen<lb/> Verhältnissen ist es selbstverständlich, daß die Abgeordneten auf die Ernennung<lb/> der Beamten und ans die ganze Staatsverwaltung einen Einfluß üben, der das<lb/> allgemeine Interesse den Sonderintercssen der Wahleollcgien und einzelner Wähler<lb/> unterordnet, der den Ministern und hohen Beamten jedes freie Handeln un¬<lb/> möglich macht, der die Beamtendisciplin und die öffentliche Moral erschüttert<lb/> und neben dein angeblich verantwortlichen Ministerium ein unsichtbares un¬<lb/> verantwortliches, aber übermächtiges zweites Regiment etablirt. Der allgemeine<lb/> Rückgang des Staates ist eine natürliche Folge. Bei dem ewigen Wechsel der<lb/> Minister ist die strenge Durchführung einer auswärtigen Politik unmöglich.<lb/> Jeder auswärtige Staat muß Bedenken tragen, mit einem Ministerium zu ver¬<lb/> handeln, das von jeder Parlamcntslaunc zu Falle gebracht werden und da¬<lb/> mit eine ganz entgegengesetzte Richtung in der auswärtigen Politik hervor¬<lb/> rufen kann. Die Isolirtheit Italiens in dem europäischen Concert »ut der<lb/> Verlust seiner Stellung im Orient und insbesondere in Tunis sind nur allzu-<lb/> dcutliche Belege. Ju gleicher Weise ist im Innern an grundlegende Reformen<lb/> nicht zu denken. Bis jetzt war Italien nicht imstande, auch nur ein einheitliches<lb/> Strafgesetz und einen Hnndclscodex zuwege zu bringe». Die Finanzen sind<lb/> n»geregelt, Handel und Industrie ermangeln einer gleichmäßigen Unterstützung,<lb/> die Schulen sind ungenügend, und die Verwaltung entbehrt jeder Strammheit<lb/> des Dienstes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1649"> Wer das Bild, welches der italienische Staatsmann zeichnet, sorgsam be¬<lb/> trachtet, der wird freilich nicht mit der Nationalzeitnng es als Weisheit preisen,<lb/> daß nunmehr auch der Linken Gelegenheit gegeben wird, sich ebenso gründlich<lb/> abzuwirtschaften, als es die Rechte gethan hat. Bei dieser Verwirthschaftung<lb/> muß das Gemeinwesen zu Grunde gehen, und es kann nur als ein geringer<lb/> Vortheil betrachtet werden, wenn selbst republikanische Abgeordnete in den Dienst<lb/> der Krone getreten sind, um diese Mißwirthschaft fortzusetzen und Land und<lb/> Dynastie an den Abgrund zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1650" next="#ID_1651"> Miughetti ist viel zu sehr im parlamentarischen Regime aufgewachsen, um<lb/> das radicalste Mittel zur Heilung in Vorschlag zu bringen. Aber was er ver¬<lb/> langt, kommt doch nahezu der Abschaffung der Parlamentshcrrschaft und einer<lb/> Umkehr zu dem deutscheu System gleich. Seine Reformen bestehen in fol-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0503]
abhängig, und diese letzteren verstehen es, ihre Stellung zu benutzen. Sie scheuen
sich nicht, im Parlament ihre eignen Interessen zu fördern. Miughetti macht
auf deu Uebelstand besonders aufmerksam, der durch ein Ueberwucheru des Ad-
vocateustaudes im Parlament für das öffentliche Leben einreißt. Ist es doch
vorgekommen, daß Advocaten, welche einen Proceß in erster Instanz verloren
hatten, im Parlamente eine Jnterpellation und eine Besprechung des streitigen
Gesetzes veranlaßten, um auf die in der höher» Instanz schwebende Entscheidung
einzuwirken. Auch wird über den übermächtigen Einfluß eines parlamentarischen
Advocaten auf Richter und Geschworne besonders Klage erhoben. Unter diesen
Verhältnissen ist es selbstverständlich, daß die Abgeordneten auf die Ernennung
der Beamten und ans die ganze Staatsverwaltung einen Einfluß üben, der das
allgemeine Interesse den Sonderintercssen der Wahleollcgien und einzelner Wähler
unterordnet, der den Ministern und hohen Beamten jedes freie Handeln un¬
möglich macht, der die Beamtendisciplin und die öffentliche Moral erschüttert
und neben dein angeblich verantwortlichen Ministerium ein unsichtbares un¬
verantwortliches, aber übermächtiges zweites Regiment etablirt. Der allgemeine
Rückgang des Staates ist eine natürliche Folge. Bei dem ewigen Wechsel der
Minister ist die strenge Durchführung einer auswärtigen Politik unmöglich.
Jeder auswärtige Staat muß Bedenken tragen, mit einem Ministerium zu ver¬
handeln, das von jeder Parlamcntslaunc zu Falle gebracht werden und da¬
mit eine ganz entgegengesetzte Richtung in der auswärtigen Politik hervor¬
rufen kann. Die Isolirtheit Italiens in dem europäischen Concert »ut der
Verlust seiner Stellung im Orient und insbesondere in Tunis sind nur allzu-
dcutliche Belege. Ju gleicher Weise ist im Innern an grundlegende Reformen
nicht zu denken. Bis jetzt war Italien nicht imstande, auch nur ein einheitliches
Strafgesetz und einen Hnndclscodex zuwege zu bringe». Die Finanzen sind
n»geregelt, Handel und Industrie ermangeln einer gleichmäßigen Unterstützung,
die Schulen sind ungenügend, und die Verwaltung entbehrt jeder Strammheit
des Dienstes.
Wer das Bild, welches der italienische Staatsmann zeichnet, sorgsam be¬
trachtet, der wird freilich nicht mit der Nationalzeitnng es als Weisheit preisen,
daß nunmehr auch der Linken Gelegenheit gegeben wird, sich ebenso gründlich
abzuwirtschaften, als es die Rechte gethan hat. Bei dieser Verwirthschaftung
muß das Gemeinwesen zu Grunde gehen, und es kann nur als ein geringer
Vortheil betrachtet werden, wenn selbst republikanische Abgeordnete in den Dienst
der Krone getreten sind, um diese Mißwirthschaft fortzusetzen und Land und
Dynastie an den Abgrund zu bringen.
Miughetti ist viel zu sehr im parlamentarischen Regime aufgewachsen, um
das radicalste Mittel zur Heilung in Vorschlag zu bringen. Aber was er ver¬
langt, kommt doch nahezu der Abschaffung der Parlamentshcrrschaft und einer
Umkehr zu dem deutscheu System gleich. Seine Reformen bestehen in fol-
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