Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die politische!! Parteien und ihr Einfluß unf Justiz und Verwaltung.

gerben. Ein Ministerium unter einem mit besondrer Machtvollkommenheit seiner
College" gegenüber ausgestatteten Präsidenten, welches nicht schon bei einem jeden
Unterliegen in einer Kammerabstiminung zu Falle gebracht werden kann und
dessen technische Mitglieder (Kriegs-, Handelsminister u, s, w.) nicht ohne wei¬
teres in diesen Fall verwickelt werden. Sodann neben einem politischen ein
administrativer Unterstaatssecrctcir, welcher von dem Abtreten des Ministers
unberührt bleibt, damit eine Einheit in der Verwaltung aufrecht erhalten werde.
Ferner gesetzliche Regelung der nothwendigen Staatsbedürfnisse, damit nicht die
vitalsten Interessen des Staates bei jeder Budgetabstimmung in Frage gestellt
werden können. Endlich eine größere Jneoinpatibilität gewisser Functionen mit
der Wahl eines Deputirten, ein Zurückdrängen des Advocaten- und Bccnnten-
thnms. Es sollen dies aber nicht nur Reformen an dem Haupte sein, sondern
auch die Glieder bedürfen einer Besserung. Die Reformen, welche Minghetti
auf den Gebieten von Justiz und Verwaltung vorschlägt, können hier nicht näher
erörtert werden, obgleich sie manchen lehrreichen Vergleichspunkt mit den Zu¬
ständen im deutschen Reiche bieten würden.

Auf das 'deutsche System geht Minghetti nicht näher ein, wenn er auch
im einzelnen für die deutsch-preußischen Verwaltnngsreformen des Lobes genug
hat. Es ist das eine Lücke seines Buches. Sie findet aber ihre unbewußte Er¬
gänzung in der Rede des Kanzlers und in der Stellung des preußischen König¬
thums, des deutschen Kaisers.

Minghetti verkeimt keineswegs die große Bedeutung der savvhischen Dynastie
fiir Italien; er führt mit Recht an, daß die zahlreichen Revolutionen, welche
Italien durchzogen haben, eine Einheit nicht haben herbeiführen können, daß
diese letztere lediglich der Dynastie zu verdanken ist. Eine weitere Erwähnung
des Königthums geschieht nicht. Der Verfasser muß also die Stellung desselben
für durchaus befriedigend halten, um an ihr den Parteien gegenüber keine Ver¬
änderung einzuführen. Hiernach würde nach wie vor dieses Königthum nur ein
Spielball der Parteien bleiben, denn wie bisher soll ja der Hauptleiter des
Ministeriums aus der Parlamcntsmchrheit hervorgehen, also auch wider seinen
Willen dem Könige aufgedrängt werden. Im wesentlichen bleibt also die Par¬
lamentsherrschaft aufrecht erhalten. Die von Minghetti empfohlenen Reformen
ändern nicht das System? sie suchen nur die ?r"^/?"<?tL des Parlamentsregimes
in deu ParlamentsabsolntismuS möglichst zu verhindern. Die schreiendsten Un-
zuträglichkeiten, "die heute mehr als die faule That des Dänenkönigs gen Himmel
stinken," werden beseitigt, aber die Grundwurzel des Uebels bleibt bestehen. Alle
Garantien gegen die Ueberwucherung werden es zu einem vollen Rechtsstaate
nicht bringen können. Es ist unmöglich, daS staatliche Leben in so enge gesetz¬
liche Grenzen einzuschränken, daß jedes administrative Arbitrium ausgeschlossen
bleibt, trotz alles söltgovernment hat die Patronage ein weites Feld und auf
diesem können sich die Deputirten mit ihren Sonderinteressen und ihrer Kirch-


Die politische!! Parteien und ihr Einfluß unf Justiz und Verwaltung.

gerben. Ein Ministerium unter einem mit besondrer Machtvollkommenheit seiner
College» gegenüber ausgestatteten Präsidenten, welches nicht schon bei einem jeden
Unterliegen in einer Kammerabstiminung zu Falle gebracht werden kann und
dessen technische Mitglieder (Kriegs-, Handelsminister u, s, w.) nicht ohne wei¬
teres in diesen Fall verwickelt werden. Sodann neben einem politischen ein
administrativer Unterstaatssecrctcir, welcher von dem Abtreten des Ministers
unberührt bleibt, damit eine Einheit in der Verwaltung aufrecht erhalten werde.
Ferner gesetzliche Regelung der nothwendigen Staatsbedürfnisse, damit nicht die
vitalsten Interessen des Staates bei jeder Budgetabstimmung in Frage gestellt
werden können. Endlich eine größere Jneoinpatibilität gewisser Functionen mit
der Wahl eines Deputirten, ein Zurückdrängen des Advocaten- und Bccnnten-
thnms. Es sollen dies aber nicht nur Reformen an dem Haupte sein, sondern
auch die Glieder bedürfen einer Besserung. Die Reformen, welche Minghetti
auf den Gebieten von Justiz und Verwaltung vorschlägt, können hier nicht näher
erörtert werden, obgleich sie manchen lehrreichen Vergleichspunkt mit den Zu¬
ständen im deutschen Reiche bieten würden.

Auf das 'deutsche System geht Minghetti nicht näher ein, wenn er auch
im einzelnen für die deutsch-preußischen Verwaltnngsreformen des Lobes genug
hat. Es ist das eine Lücke seines Buches. Sie findet aber ihre unbewußte Er¬
gänzung in der Rede des Kanzlers und in der Stellung des preußischen König¬
thums, des deutschen Kaisers.

Minghetti verkeimt keineswegs die große Bedeutung der savvhischen Dynastie
fiir Italien; er führt mit Recht an, daß die zahlreichen Revolutionen, welche
Italien durchzogen haben, eine Einheit nicht haben herbeiführen können, daß
diese letztere lediglich der Dynastie zu verdanken ist. Eine weitere Erwähnung
des Königthums geschieht nicht. Der Verfasser muß also die Stellung desselben
für durchaus befriedigend halten, um an ihr den Parteien gegenüber keine Ver¬
änderung einzuführen. Hiernach würde nach wie vor dieses Königthum nur ein
Spielball der Parteien bleiben, denn wie bisher soll ja der Hauptleiter des
Ministeriums aus der Parlamcntsmchrheit hervorgehen, also auch wider seinen
Willen dem Könige aufgedrängt werden. Im wesentlichen bleibt also die Par¬
lamentsherrschaft aufrecht erhalten. Die von Minghetti empfohlenen Reformen
ändern nicht das System? sie suchen nur die ?r«^/?«<?tL des Parlamentsregimes
in deu ParlamentsabsolntismuS möglichst zu verhindern. Die schreiendsten Un-
zuträglichkeiten, „die heute mehr als die faule That des Dänenkönigs gen Himmel
stinken," werden beseitigt, aber die Grundwurzel des Uebels bleibt bestehen. Alle
Garantien gegen die Ueberwucherung werden es zu einem vollen Rechtsstaate
nicht bringen können. Es ist unmöglich, daS staatliche Leben in so enge gesetz¬
liche Grenzen einzuschränken, daß jedes administrative Arbitrium ausgeschlossen
bleibt, trotz alles söltgovernment hat die Patronage ein weites Feld und auf
diesem können sich die Deputirten mit ihren Sonderinteressen und ihrer Kirch-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151226"/>
          <fw type="header" place="top"> Die politische!! Parteien und ihr Einfluß unf Justiz und Verwaltung.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1651" prev="#ID_1650"> gerben. Ein Ministerium unter einem mit besondrer Machtvollkommenheit seiner<lb/>
College» gegenüber ausgestatteten Präsidenten, welches nicht schon bei einem jeden<lb/>
Unterliegen in einer Kammerabstiminung zu Falle gebracht werden kann und<lb/>
dessen technische Mitglieder (Kriegs-, Handelsminister u, s, w.) nicht ohne wei¬<lb/>
teres in diesen Fall verwickelt werden. Sodann neben einem politischen ein<lb/>
administrativer Unterstaatssecrctcir, welcher von dem Abtreten des Ministers<lb/>
unberührt bleibt, damit eine Einheit in der Verwaltung aufrecht erhalten werde.<lb/>
Ferner gesetzliche Regelung der nothwendigen Staatsbedürfnisse, damit nicht die<lb/>
vitalsten Interessen des Staates bei jeder Budgetabstimmung in Frage gestellt<lb/>
werden können. Endlich eine größere Jneoinpatibilität gewisser Functionen mit<lb/>
der Wahl eines Deputirten, ein Zurückdrängen des Advocaten- und Bccnnten-<lb/>
thnms. Es sollen dies aber nicht nur Reformen an dem Haupte sein, sondern<lb/>
auch die Glieder bedürfen einer Besserung. Die Reformen, welche Minghetti<lb/>
auf den Gebieten von Justiz und Verwaltung vorschlägt, können hier nicht näher<lb/>
erörtert werden, obgleich sie manchen lehrreichen Vergleichspunkt mit den Zu¬<lb/>
ständen im deutschen Reiche bieten würden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1652"> Auf das 'deutsche System geht Minghetti nicht näher ein, wenn er auch<lb/>
im einzelnen für die deutsch-preußischen Verwaltnngsreformen des Lobes genug<lb/>
hat. Es ist das eine Lücke seines Buches. Sie findet aber ihre unbewußte Er¬<lb/>
gänzung in der Rede des Kanzlers und in der Stellung des preußischen König¬<lb/>
thums, des deutschen Kaisers.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1653" next="#ID_1654"> Minghetti verkeimt keineswegs die große Bedeutung der savvhischen Dynastie<lb/>
fiir Italien; er führt mit Recht an, daß die zahlreichen Revolutionen, welche<lb/>
Italien durchzogen haben, eine Einheit nicht haben herbeiführen können, daß<lb/>
diese letztere lediglich der Dynastie zu verdanken ist. Eine weitere Erwähnung<lb/>
des Königthums geschieht nicht. Der Verfasser muß also die Stellung desselben<lb/>
für durchaus befriedigend halten, um an ihr den Parteien gegenüber keine Ver¬<lb/>
änderung einzuführen. Hiernach würde nach wie vor dieses Königthum nur ein<lb/>
Spielball der Parteien bleiben, denn wie bisher soll ja der Hauptleiter des<lb/>
Ministeriums aus der Parlamcntsmchrheit hervorgehen, also auch wider seinen<lb/>
Willen dem Könige aufgedrängt werden. Im wesentlichen bleibt also die Par¬<lb/>
lamentsherrschaft aufrecht erhalten. Die von Minghetti empfohlenen Reformen<lb/>
ändern nicht das System? sie suchen nur die ?r«^/?«&lt;?tL des Parlamentsregimes<lb/>
in deu ParlamentsabsolntismuS möglichst zu verhindern. Die schreiendsten Un-<lb/>
zuträglichkeiten, &#x201E;die heute mehr als die faule That des Dänenkönigs gen Himmel<lb/>
stinken," werden beseitigt, aber die Grundwurzel des Uebels bleibt bestehen. Alle<lb/>
Garantien gegen die Ueberwucherung werden es zu einem vollen Rechtsstaate<lb/>
nicht bringen können. Es ist unmöglich, daS staatliche Leben in so enge gesetz¬<lb/>
liche Grenzen einzuschränken, daß jedes administrative Arbitrium ausgeschlossen<lb/>
bleibt, trotz alles söltgovernment hat die Patronage ein weites Feld und auf<lb/>
diesem können sich die Deputirten mit ihren Sonderinteressen und ihrer Kirch-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0504] Die politische!! Parteien und ihr Einfluß unf Justiz und Verwaltung. gerben. Ein Ministerium unter einem mit besondrer Machtvollkommenheit seiner College» gegenüber ausgestatteten Präsidenten, welches nicht schon bei einem jeden Unterliegen in einer Kammerabstiminung zu Falle gebracht werden kann und dessen technische Mitglieder (Kriegs-, Handelsminister u, s, w.) nicht ohne wei¬ teres in diesen Fall verwickelt werden. Sodann neben einem politischen ein administrativer Unterstaatssecrctcir, welcher von dem Abtreten des Ministers unberührt bleibt, damit eine Einheit in der Verwaltung aufrecht erhalten werde. Ferner gesetzliche Regelung der nothwendigen Staatsbedürfnisse, damit nicht die vitalsten Interessen des Staates bei jeder Budgetabstimmung in Frage gestellt werden können. Endlich eine größere Jneoinpatibilität gewisser Functionen mit der Wahl eines Deputirten, ein Zurückdrängen des Advocaten- und Bccnnten- thnms. Es sollen dies aber nicht nur Reformen an dem Haupte sein, sondern auch die Glieder bedürfen einer Besserung. Die Reformen, welche Minghetti auf den Gebieten von Justiz und Verwaltung vorschlägt, können hier nicht näher erörtert werden, obgleich sie manchen lehrreichen Vergleichspunkt mit den Zu¬ ständen im deutschen Reiche bieten würden. Auf das 'deutsche System geht Minghetti nicht näher ein, wenn er auch im einzelnen für die deutsch-preußischen Verwaltnngsreformen des Lobes genug hat. Es ist das eine Lücke seines Buches. Sie findet aber ihre unbewußte Er¬ gänzung in der Rede des Kanzlers und in der Stellung des preußischen König¬ thums, des deutschen Kaisers. Minghetti verkeimt keineswegs die große Bedeutung der savvhischen Dynastie fiir Italien; er führt mit Recht an, daß die zahlreichen Revolutionen, welche Italien durchzogen haben, eine Einheit nicht haben herbeiführen können, daß diese letztere lediglich der Dynastie zu verdanken ist. Eine weitere Erwähnung des Königthums geschieht nicht. Der Verfasser muß also die Stellung desselben für durchaus befriedigend halten, um an ihr den Parteien gegenüber keine Ver¬ änderung einzuführen. Hiernach würde nach wie vor dieses Königthum nur ein Spielball der Parteien bleiben, denn wie bisher soll ja der Hauptleiter des Ministeriums aus der Parlamcntsmchrheit hervorgehen, also auch wider seinen Willen dem Könige aufgedrängt werden. Im wesentlichen bleibt also die Par¬ lamentsherrschaft aufrecht erhalten. Die von Minghetti empfohlenen Reformen ändern nicht das System? sie suchen nur die ?r«^/?«<?tL des Parlamentsregimes in deu ParlamentsabsolntismuS möglichst zu verhindern. Die schreiendsten Un- zuträglichkeiten, „die heute mehr als die faule That des Dänenkönigs gen Himmel stinken," werden beseitigt, aber die Grundwurzel des Uebels bleibt bestehen. Alle Garantien gegen die Ueberwucherung werden es zu einem vollen Rechtsstaate nicht bringen können. Es ist unmöglich, daS staatliche Leben in so enge gesetz¬ liche Grenzen einzuschränken, daß jedes administrative Arbitrium ausgeschlossen bleibt, trotz alles söltgovernment hat die Patronage ein weites Feld und auf diesem können sich die Deputirten mit ihren Sonderinteressen und ihrer Kirch-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/504
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/504>, abgerufen am 15.01.2025.