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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Am" INolivre-Biographmi,

und Theatcrdirectvr. Anfangs zwar scheint Madeleine Bvjart eine Art Direc-
triee gewesen zu sein, aber sehr bald brachte Molivre durch seine Überlegenheit
die Führung an sich, zumal seitdem er anfing, das Repertoire durch seiue eignen
Erzeugnisse zu beleben.

Wenn man vou dieser gar nicht zu umgehenden geistigen Leitung absieht,
so waren die damaligen Theatergesellschaften Keine Republiken mit vollständiger
Gleichberechtigung aller Mitglieder. Diese letztem standen sich dadurch, wenn
nur der Zuspruch des Publicums uicht ausblieb, recht gut, dn jeglicher Unter-
nehmergewinn wegfiel, vielmehr, wie mau sich heute ausdrückt, "auf Theilung"
gespielt wurde. Zwar fanden die Aufführungen uicht täglich statt, dafür waren
aber damals die Privatvorstelluugen vor hochstehenden Kreisen und, für Paris,
bei Hofe, die sogenannten Visites sehr beliebt. Dazu kam, daß die Eintritts¬
preise verhältnißmäßig hoch, dagegen die Zahl der Gesellschaftsinitgliedcr mir
klein und bei gewöhnlichen Vorstellungen der Aufwand für deeorative Ausstat-
tung sehr genug war.

Für seine Mühwaltung als Bühnenleiter scheint Moliöre niemals ein
Aequivalent erhalten zu haben. Dagegen bezog er außer seinein Antheil als
Schauspieler von seinen Stücken eine beträchtliche Tantieme, und da er in spä¬
terer Zeit das Repertoire seines Theaters fast ausschließlich beherrschte, so waren
seine Einnahmen bedeutend und er selbst als ein reicher Manu anzusehen. Man
sieht, auch damals war das Geschäft eines Lustspieldichters ein lueratives, nota-
bene wenn die Stücke zogen. Und das war bei Moliere allerdings der Fall,
wenn auch nicht immer gerade diejenigen seiner Producte, die den größten, die
einen dauernden Werth hatten, die größte Anziehungskraft ausübten -- wie das
auch heute noch vorkommen soll. Der Tartüffe z. V., für den allerdings die
Gegner durch ihr Verbot und ihre Angriffe Jahre lang tüchtig Reclame gemacht
hatten, konnte vieruudzwcmzigmal hintereinander aufgeführt werde".

Mvliöre wußte aber auch von seinem Reichthum einen angemessenen Ge¬
brauch zu machen. Nicht bloß daß er selber, wie alle Künstler, zu leben ver¬
stand, er hatte auch ein wohlwollendes Herz und offene Hand für andre. Diese
Eigenschaft, wie der Umstand, daß er sich in seinem Leben die treue Freundschaft
von Männern wie Boileau, Lafontaine und andern zu erwerben und zu erhalten
wußte, lassen seinen Gesammtcharakter, trotz seiner nicht abznlcngnendcn Leicht-
lebigkeit und einer gewissen nervösen Reizbarkeit, in freundlichem Lichte er¬
scheinen.

Auf der Bühne scheint Molisre in seinen stehenden Rollen als Komiker
und Charakterdarsteller sehr wirksam gewesen zu sei". Wenn er dagegen, nach
dem übereinstimmenden Urtheile verschiedener, allerdings übelwollender Kritiker,
in tragischen Partien weniger glücklich war, ja geradezu lächerlich wirkte, so ist
das bei seinem Rollenfach begreiflich genng. Wenn jetzt der anerkannte Komiker
eines Theaters, den wir gestern noch als "gebildeten Hausknecht" bewundert


Am« INolivre-Biographmi,

und Theatcrdirectvr. Anfangs zwar scheint Madeleine Bvjart eine Art Direc-
triee gewesen zu sein, aber sehr bald brachte Molivre durch seine Überlegenheit
die Führung an sich, zumal seitdem er anfing, das Repertoire durch seiue eignen
Erzeugnisse zu beleben.

Wenn man vou dieser gar nicht zu umgehenden geistigen Leitung absieht,
so waren die damaligen Theatergesellschaften Keine Republiken mit vollständiger
Gleichberechtigung aller Mitglieder. Diese letztem standen sich dadurch, wenn
nur der Zuspruch des Publicums uicht ausblieb, recht gut, dn jeglicher Unter-
nehmergewinn wegfiel, vielmehr, wie mau sich heute ausdrückt, „auf Theilung"
gespielt wurde. Zwar fanden die Aufführungen uicht täglich statt, dafür waren
aber damals die Privatvorstelluugen vor hochstehenden Kreisen und, für Paris,
bei Hofe, die sogenannten Visites sehr beliebt. Dazu kam, daß die Eintritts¬
preise verhältnißmäßig hoch, dagegen die Zahl der Gesellschaftsinitgliedcr mir
klein und bei gewöhnlichen Vorstellungen der Aufwand für deeorative Ausstat-
tung sehr genug war.

Für seine Mühwaltung als Bühnenleiter scheint Moliöre niemals ein
Aequivalent erhalten zu haben. Dagegen bezog er außer seinein Antheil als
Schauspieler von seinen Stücken eine beträchtliche Tantieme, und da er in spä¬
terer Zeit das Repertoire seines Theaters fast ausschließlich beherrschte, so waren
seine Einnahmen bedeutend und er selbst als ein reicher Manu anzusehen. Man
sieht, auch damals war das Geschäft eines Lustspieldichters ein lueratives, nota-
bene wenn die Stücke zogen. Und das war bei Moliere allerdings der Fall,
wenn auch nicht immer gerade diejenigen seiner Producte, die den größten, die
einen dauernden Werth hatten, die größte Anziehungskraft ausübten — wie das
auch heute noch vorkommen soll. Der Tartüffe z. V., für den allerdings die
Gegner durch ihr Verbot und ihre Angriffe Jahre lang tüchtig Reclame gemacht
hatten, konnte vieruudzwcmzigmal hintereinander aufgeführt werde».

Mvliöre wußte aber auch von seinem Reichthum einen angemessenen Ge¬
brauch zu machen. Nicht bloß daß er selber, wie alle Künstler, zu leben ver¬
stand, er hatte auch ein wohlwollendes Herz und offene Hand für andre. Diese
Eigenschaft, wie der Umstand, daß er sich in seinem Leben die treue Freundschaft
von Männern wie Boileau, Lafontaine und andern zu erwerben und zu erhalten
wußte, lassen seinen Gesammtcharakter, trotz seiner nicht abznlcngnendcn Leicht-
lebigkeit und einer gewissen nervösen Reizbarkeit, in freundlichem Lichte er¬
scheinen.

Auf der Bühne scheint Molisre in seinen stehenden Rollen als Komiker
und Charakterdarsteller sehr wirksam gewesen zu sei». Wenn er dagegen, nach
dem übereinstimmenden Urtheile verschiedener, allerdings übelwollender Kritiker,
in tragischen Partien weniger glücklich war, ja geradezu lächerlich wirkte, so ist
das bei seinem Rollenfach begreiflich genng. Wenn jetzt der anerkannte Komiker
eines Theaters, den wir gestern noch als „gebildeten Hausknecht" bewundert


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[0472] Am« INolivre-Biographmi, und Theatcrdirectvr. Anfangs zwar scheint Madeleine Bvjart eine Art Direc- triee gewesen zu sein, aber sehr bald brachte Molivre durch seine Überlegenheit die Führung an sich, zumal seitdem er anfing, das Repertoire durch seiue eignen Erzeugnisse zu beleben. Wenn man vou dieser gar nicht zu umgehenden geistigen Leitung absieht, so waren die damaligen Theatergesellschaften Keine Republiken mit vollständiger Gleichberechtigung aller Mitglieder. Diese letztem standen sich dadurch, wenn nur der Zuspruch des Publicums uicht ausblieb, recht gut, dn jeglicher Unter- nehmergewinn wegfiel, vielmehr, wie mau sich heute ausdrückt, „auf Theilung" gespielt wurde. Zwar fanden die Aufführungen uicht täglich statt, dafür waren aber damals die Privatvorstelluugen vor hochstehenden Kreisen und, für Paris, bei Hofe, die sogenannten Visites sehr beliebt. Dazu kam, daß die Eintritts¬ preise verhältnißmäßig hoch, dagegen die Zahl der Gesellschaftsinitgliedcr mir klein und bei gewöhnlichen Vorstellungen der Aufwand für deeorative Ausstat- tung sehr genug war. Für seine Mühwaltung als Bühnenleiter scheint Moliöre niemals ein Aequivalent erhalten zu haben. Dagegen bezog er außer seinein Antheil als Schauspieler von seinen Stücken eine beträchtliche Tantieme, und da er in spä¬ terer Zeit das Repertoire seines Theaters fast ausschließlich beherrschte, so waren seine Einnahmen bedeutend und er selbst als ein reicher Manu anzusehen. Man sieht, auch damals war das Geschäft eines Lustspieldichters ein lueratives, nota- bene wenn die Stücke zogen. Und das war bei Moliere allerdings der Fall, wenn auch nicht immer gerade diejenigen seiner Producte, die den größten, die einen dauernden Werth hatten, die größte Anziehungskraft ausübten — wie das auch heute noch vorkommen soll. Der Tartüffe z. V., für den allerdings die Gegner durch ihr Verbot und ihre Angriffe Jahre lang tüchtig Reclame gemacht hatten, konnte vieruudzwcmzigmal hintereinander aufgeführt werde». Mvliöre wußte aber auch von seinem Reichthum einen angemessenen Ge¬ brauch zu machen. Nicht bloß daß er selber, wie alle Künstler, zu leben ver¬ stand, er hatte auch ein wohlwollendes Herz und offene Hand für andre. Diese Eigenschaft, wie der Umstand, daß er sich in seinem Leben die treue Freundschaft von Männern wie Boileau, Lafontaine und andern zu erwerben und zu erhalten wußte, lassen seinen Gesammtcharakter, trotz seiner nicht abznlcngnendcn Leicht- lebigkeit und einer gewissen nervösen Reizbarkeit, in freundlichem Lichte er¬ scheinen. Auf der Bühne scheint Molisre in seinen stehenden Rollen als Komiker und Charakterdarsteller sehr wirksam gewesen zu sei». Wenn er dagegen, nach dem übereinstimmenden Urtheile verschiedener, allerdings übelwollender Kritiker, in tragischen Partien weniger glücklich war, ja geradezu lächerlich wirkte, so ist das bei seinem Rollenfach begreiflich genng. Wenn jetzt der anerkannte Komiker eines Theaters, den wir gestern noch als „gebildeten Hausknecht" bewundert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/472>, abgerufen am 20.10.2024.