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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Friedrichs des Großen erster Ivaffengmig.

svweniger gefielen, als er wußte, daß Sachsen mit allem Eifer auch ein Stück
von Böhmen erstrebte. In Berücksichtigung aller dieser Momente wird man
dem Urtheile Grünhagens wohl beipflichten, wenn er diese Kleinschnellendvrfer
Episode, die aus des Königs eigenster. Initiative entsprang, bestimmt für einen
Fehler erklärt. Sie hat dem Rufe Friedrichs nicht ohne sein Verschulden geschadet
und ihm keine Vortheile gebracht, die er nicht auf andre Weise sicher hätte ge¬
winnen können. Seine lange politische Laufbahn hat denn much etwas ähn¬
liches nicht wieder auszuweisen.

Der Gesichtspunkt aber, sich möglichst unabhängig von den Franzosen zu
stellen, hörte nicht auf, seine Handlungsweise zu bestimmen, wenn er ihn auch
einen andern Weg einzuschlagen veranlaßte. Zwar war, als im November 1741
Prag in die Hände eines bairisch-französischen, von den Sachsen unterstützten
Heeres gefallen war, Karl Albert von Baiern zum König von Böhmen gekrönt
und im Januar 1742 auch in Frankfurt zum Kaiser gewählt worden, aber fast
gleichzeitig gelang es dem österreichischen General Khevenhuller, Oberösterreich
zurückzugewinnen und in Baiern selbst einzudringen. In diesem Moment griff
Friedrich von neuem ein mit dem Plan, Baiern durch eine militärische Diver-
sion gegen Mähren und Niederösterreich Luft zu schaffen, die er unter seiner
eignen Führung hauptsächlich mit den Sachsen und einem kleinen französischen
Corps ausführen wollte. Wenn der Kurfürst vou Sachsen Mähren haben
wolle, meinte er, müsse er es auch erobern helfen. Er wollte durchaus die Sachsen
von den Franzosen weg und aus Böhmen Herausziehen, wo er sie nun einmal
keine Eroberungen machen lassen wollte. Böhmen für Vaiern, Mähren und
ein Theil von Oberschlesien für Sachsen -- das war sein Programm; das
übrige sollte den Oesterreichern verbleiben. Gönnte er den Sachsen eine Ver-
größerung, so sollten sie ihn doch nicht mit ihren Besitzungen umfassen, was
geschehen wäre, wenn sie einen Theil des nördlichen Böhmens erhalten hätten;
dagegen erschien ihm die sächsische Herrschaft in Mähren schon deshalb vor¬
theilhaft, weil sie sich zwischen Preußen und zwischen Oesterreich schob, auf dessen
freundschaftliche Gesinnung der König auch in Zukunft nicht glaubte rechnen zu
können. Und zum guten Ende behielt, wenn er mit den Sachsen Mähren er¬
oberte und durch Bedrohung Wiens die Oesterreicher zum Verlassen Baierns
zwang, er selbst und nicht die Franzosen die Möglichkeit, den Frieden zu dictiren
in der Hand. Aber die militärischen Pläne mißlangen ans mancherlei Gründen,
theils durch die Schwäche der Sachsen, deren Commando fortwährend zwischen
den Forderungen der Preuße" und der Franzosen hin und her schwankte, theils
dnrch die Fehler des eignen Feldzngsplcmes. Im Anfang des Sommers mußte
sich Friedrich nach Böhmen zurückziehen, um die Verbindung mit Prag zu unter-
halten, und hier die Entscheidung auf dem Schlachtfelde vou Chvtusitz suche".
Doch hatten inzwischen andre Abtheilungen seines Heeres ganz Oberschlesien und
die Grafschaft Glatz eingenommen.


Friedrichs des Großen erster Ivaffengmig.

svweniger gefielen, als er wußte, daß Sachsen mit allem Eifer auch ein Stück
von Böhmen erstrebte. In Berücksichtigung aller dieser Momente wird man
dem Urtheile Grünhagens wohl beipflichten, wenn er diese Kleinschnellendvrfer
Episode, die aus des Königs eigenster. Initiative entsprang, bestimmt für einen
Fehler erklärt. Sie hat dem Rufe Friedrichs nicht ohne sein Verschulden geschadet
und ihm keine Vortheile gebracht, die er nicht auf andre Weise sicher hätte ge¬
winnen können. Seine lange politische Laufbahn hat denn much etwas ähn¬
liches nicht wieder auszuweisen.

Der Gesichtspunkt aber, sich möglichst unabhängig von den Franzosen zu
stellen, hörte nicht auf, seine Handlungsweise zu bestimmen, wenn er ihn auch
einen andern Weg einzuschlagen veranlaßte. Zwar war, als im November 1741
Prag in die Hände eines bairisch-französischen, von den Sachsen unterstützten
Heeres gefallen war, Karl Albert von Baiern zum König von Böhmen gekrönt
und im Januar 1742 auch in Frankfurt zum Kaiser gewählt worden, aber fast
gleichzeitig gelang es dem österreichischen General Khevenhuller, Oberösterreich
zurückzugewinnen und in Baiern selbst einzudringen. In diesem Moment griff
Friedrich von neuem ein mit dem Plan, Baiern durch eine militärische Diver-
sion gegen Mähren und Niederösterreich Luft zu schaffen, die er unter seiner
eignen Führung hauptsächlich mit den Sachsen und einem kleinen französischen
Corps ausführen wollte. Wenn der Kurfürst vou Sachsen Mähren haben
wolle, meinte er, müsse er es auch erobern helfen. Er wollte durchaus die Sachsen
von den Franzosen weg und aus Böhmen Herausziehen, wo er sie nun einmal
keine Eroberungen machen lassen wollte. Böhmen für Vaiern, Mähren und
ein Theil von Oberschlesien für Sachsen — das war sein Programm; das
übrige sollte den Oesterreichern verbleiben. Gönnte er den Sachsen eine Ver-
größerung, so sollten sie ihn doch nicht mit ihren Besitzungen umfassen, was
geschehen wäre, wenn sie einen Theil des nördlichen Böhmens erhalten hätten;
dagegen erschien ihm die sächsische Herrschaft in Mähren schon deshalb vor¬
theilhaft, weil sie sich zwischen Preußen und zwischen Oesterreich schob, auf dessen
freundschaftliche Gesinnung der König auch in Zukunft nicht glaubte rechnen zu
können. Und zum guten Ende behielt, wenn er mit den Sachsen Mähren er¬
oberte und durch Bedrohung Wiens die Oesterreicher zum Verlassen Baierns
zwang, er selbst und nicht die Franzosen die Möglichkeit, den Frieden zu dictiren
in der Hand. Aber die militärischen Pläne mißlangen ans mancherlei Gründen,
theils durch die Schwäche der Sachsen, deren Commando fortwährend zwischen
den Forderungen der Preuße» und der Franzosen hin und her schwankte, theils
dnrch die Fehler des eignen Feldzngsplcmes. Im Anfang des Sommers mußte
sich Friedrich nach Böhmen zurückziehen, um die Verbindung mit Prag zu unter-
halten, und hier die Entscheidung auf dem Schlachtfelde vou Chvtusitz suche».
Doch hatten inzwischen andre Abtheilungen seines Heeres ganz Oberschlesien und
die Grafschaft Glatz eingenommen.


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[0462] Friedrichs des Großen erster Ivaffengmig. svweniger gefielen, als er wußte, daß Sachsen mit allem Eifer auch ein Stück von Böhmen erstrebte. In Berücksichtigung aller dieser Momente wird man dem Urtheile Grünhagens wohl beipflichten, wenn er diese Kleinschnellendvrfer Episode, die aus des Königs eigenster. Initiative entsprang, bestimmt für einen Fehler erklärt. Sie hat dem Rufe Friedrichs nicht ohne sein Verschulden geschadet und ihm keine Vortheile gebracht, die er nicht auf andre Weise sicher hätte ge¬ winnen können. Seine lange politische Laufbahn hat denn much etwas ähn¬ liches nicht wieder auszuweisen. Der Gesichtspunkt aber, sich möglichst unabhängig von den Franzosen zu stellen, hörte nicht auf, seine Handlungsweise zu bestimmen, wenn er ihn auch einen andern Weg einzuschlagen veranlaßte. Zwar war, als im November 1741 Prag in die Hände eines bairisch-französischen, von den Sachsen unterstützten Heeres gefallen war, Karl Albert von Baiern zum König von Böhmen gekrönt und im Januar 1742 auch in Frankfurt zum Kaiser gewählt worden, aber fast gleichzeitig gelang es dem österreichischen General Khevenhuller, Oberösterreich zurückzugewinnen und in Baiern selbst einzudringen. In diesem Moment griff Friedrich von neuem ein mit dem Plan, Baiern durch eine militärische Diver- sion gegen Mähren und Niederösterreich Luft zu schaffen, die er unter seiner eignen Führung hauptsächlich mit den Sachsen und einem kleinen französischen Corps ausführen wollte. Wenn der Kurfürst vou Sachsen Mähren haben wolle, meinte er, müsse er es auch erobern helfen. Er wollte durchaus die Sachsen von den Franzosen weg und aus Böhmen Herausziehen, wo er sie nun einmal keine Eroberungen machen lassen wollte. Böhmen für Vaiern, Mähren und ein Theil von Oberschlesien für Sachsen — das war sein Programm; das übrige sollte den Oesterreichern verbleiben. Gönnte er den Sachsen eine Ver- größerung, so sollten sie ihn doch nicht mit ihren Besitzungen umfassen, was geschehen wäre, wenn sie einen Theil des nördlichen Böhmens erhalten hätten; dagegen erschien ihm die sächsische Herrschaft in Mähren schon deshalb vor¬ theilhaft, weil sie sich zwischen Preußen und zwischen Oesterreich schob, auf dessen freundschaftliche Gesinnung der König auch in Zukunft nicht glaubte rechnen zu können. Und zum guten Ende behielt, wenn er mit den Sachsen Mähren er¬ oberte und durch Bedrohung Wiens die Oesterreicher zum Verlassen Baierns zwang, er selbst und nicht die Franzosen die Möglichkeit, den Frieden zu dictiren in der Hand. Aber die militärischen Pläne mißlangen ans mancherlei Gründen, theils durch die Schwäche der Sachsen, deren Commando fortwährend zwischen den Forderungen der Preuße» und der Franzosen hin und her schwankte, theils dnrch die Fehler des eignen Feldzngsplcmes. Im Anfang des Sommers mußte sich Friedrich nach Böhmen zurückziehen, um die Verbindung mit Prag zu unter- halten, und hier die Entscheidung auf dem Schlachtfelde vou Chvtusitz suche». Doch hatten inzwischen andre Abtheilungen seines Heeres ganz Oberschlesien und die Grafschaft Glatz eingenommen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/462>, abgerufen am 27.09.2024.