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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Zur socialen Frage.

als eine römische Eigenthümlichkeit gelten lassen. Dagegen stellen wir den
Stenerpacht und das DarlehnSgeschäft der Ritter auf eine Linie mit der Thätig¬
keit unsrer Geld- und Börsenmänner. In Rom Ware" es Consortien des Mittel¬
standes, des Geldadels, welche als Steuerpächter den Provinzen das abnahmen,
was ihnen der offen raubende Prätor übrig gelassen hatte; den ruinirten Ge¬
meinden machten dann dieselben oder andre Ritter-Consortien Darlehne zu un¬
erhörten Zinsen. Das Zeitalter war noch naiv, man kannte, wie es scheint,
das gleißnerische System noch nicht, den wucherischer Zinsfuß unter einer fic-
tiven Höhe des Capitals zu verbergen. Heutzutage sind es Consortien auch
von Rittern, die aber Barone und Geheime Commerzieuräthe genannt werden,
welche den gesammten Geldverkehr der Welt und ihr Bedürfniß beherrschen, welche
nach Belieben Ueberfluß und Mangel erzengen, leine Lnndesgrenze kennen und
keine Schränke außer der, welche durch die eigne Concurrenz gebildet wird. In
ihrem Wesen wird die Thätigkeit der Bankiers unsrer Tage von der antiken
nicht sehr verschieden sein, und es bezieht sich dies auch auf die unleugbaren
Vortheile, welche sie dem Publicum in manchen Beziehungen gewährt. Ein
Unterschied aber erscheint mir sehr wesentlich und von kaum abzuschätzender
Bedeutung.

Ein großer Theil der römischen Vermögen lag müßig in baarem Gelde,
Silbergeschirr, Kleinodien n. tgi. Zwar läßt sich nicht mit einiger Ge-
nauigkeit bestimmen, in welchem Umfange das der Fall gewesen. Allein wenn
wir von Maeanlah hören, daß -- vor Contrahirnng der englischen Staatsschuld
im Jahre 1688 -- der Vater des Dichters Pope 20 000 Pfd. Sterl. in einer Kiste
auf seinem Landsitze bei sich hatte, um daraus seine Bedürfnisse zu bestreiten,
so mögen wir uns daraus eine ungefähre Ansicht bilden, welch ungeheure Massen
an Geld und edlen Metallen im römischen Reiche müßig aufgespeichert sein
mußten, wo es an Gelegenheiten nutzbringender Anlage jedenfalls weit mehr
gefehlt hat als in England vor 1688. Heutzutage ist das Geld, welches
den Bestand der Privatkassen bildet, im Verhältniß zum Gesammtvermögen so
außerordentlich gering, daß sein plötzliches Erscheinen auf dem Markte wohl keine
nennenswerthe Störung veranlassen würde. Wir modernen haben tausendfältige
Gelegenheit, jede noch so geringe entbehrliche Summe alsbald nutzbar anzulegen.
Wenn uun schon die Privaten, ja selbst gewöhnliche Arbeiter diese Gelegenheiten
eifrigst benutzen, so ist es umsomehr bei den eigentlichen Weidmännern und den
Reichen Grundsatz und Praxis, Geld keinen Augenblick müßig liegen zu lassen.
Daher kommt denn auch die unaufhaltsame Vermehrung des Reichthums. Nun
belehrt uns zwar die Theorie, daß das Geld nicht imstande sei, Zins zu bringen,
oder in andern Worten, daß keine Capitalanlage anders möglich sei, als indem
sie Arbeit entlehne, daß z. B. eine Eisenbahnactie oder ein Eiscnbcchn-Staats-
schuldscheiu nichts anderes sei als eine Bescheinigung, daß so und so viel in
Arbeit ausgegeben sei. Zugegeben! Allein wir müssen bedenken, daß das Börsen-


Zur socialen Frage.

als eine römische Eigenthümlichkeit gelten lassen. Dagegen stellen wir den
Stenerpacht und das DarlehnSgeschäft der Ritter auf eine Linie mit der Thätig¬
keit unsrer Geld- und Börsenmänner. In Rom Ware» es Consortien des Mittel¬
standes, des Geldadels, welche als Steuerpächter den Provinzen das abnahmen,
was ihnen der offen raubende Prätor übrig gelassen hatte; den ruinirten Ge¬
meinden machten dann dieselben oder andre Ritter-Consortien Darlehne zu un¬
erhörten Zinsen. Das Zeitalter war noch naiv, man kannte, wie es scheint,
das gleißnerische System noch nicht, den wucherischer Zinsfuß unter einer fic-
tiven Höhe des Capitals zu verbergen. Heutzutage sind es Consortien auch
von Rittern, die aber Barone und Geheime Commerzieuräthe genannt werden,
welche den gesammten Geldverkehr der Welt und ihr Bedürfniß beherrschen, welche
nach Belieben Ueberfluß und Mangel erzengen, leine Lnndesgrenze kennen und
keine Schränke außer der, welche durch die eigne Concurrenz gebildet wird. In
ihrem Wesen wird die Thätigkeit der Bankiers unsrer Tage von der antiken
nicht sehr verschieden sein, und es bezieht sich dies auch auf die unleugbaren
Vortheile, welche sie dem Publicum in manchen Beziehungen gewährt. Ein
Unterschied aber erscheint mir sehr wesentlich und von kaum abzuschätzender
Bedeutung.

Ein großer Theil der römischen Vermögen lag müßig in baarem Gelde,
Silbergeschirr, Kleinodien n. tgi. Zwar läßt sich nicht mit einiger Ge-
nauigkeit bestimmen, in welchem Umfange das der Fall gewesen. Allein wenn
wir von Maeanlah hören, daß — vor Contrahirnng der englischen Staatsschuld
im Jahre 1688 — der Vater des Dichters Pope 20 000 Pfd. Sterl. in einer Kiste
auf seinem Landsitze bei sich hatte, um daraus seine Bedürfnisse zu bestreiten,
so mögen wir uns daraus eine ungefähre Ansicht bilden, welch ungeheure Massen
an Geld und edlen Metallen im römischen Reiche müßig aufgespeichert sein
mußten, wo es an Gelegenheiten nutzbringender Anlage jedenfalls weit mehr
gefehlt hat als in England vor 1688. Heutzutage ist das Geld, welches
den Bestand der Privatkassen bildet, im Verhältniß zum Gesammtvermögen so
außerordentlich gering, daß sein plötzliches Erscheinen auf dem Markte wohl keine
nennenswerthe Störung veranlassen würde. Wir modernen haben tausendfältige
Gelegenheit, jede noch so geringe entbehrliche Summe alsbald nutzbar anzulegen.
Wenn uun schon die Privaten, ja selbst gewöhnliche Arbeiter diese Gelegenheiten
eifrigst benutzen, so ist es umsomehr bei den eigentlichen Weidmännern und den
Reichen Grundsatz und Praxis, Geld keinen Augenblick müßig liegen zu lassen.
Daher kommt denn auch die unaufhaltsame Vermehrung des Reichthums. Nun
belehrt uns zwar die Theorie, daß das Geld nicht imstande sei, Zins zu bringen,
oder in andern Worten, daß keine Capitalanlage anders möglich sei, als indem
sie Arbeit entlehne, daß z. B. eine Eisenbahnactie oder ein Eiscnbcchn-Staats-
schuldscheiu nichts anderes sei als eine Bescheinigung, daß so und so viel in
Arbeit ausgegeben sei. Zugegeben! Allein wir müssen bedenken, daß das Börsen-


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[0453] Zur socialen Frage. als eine römische Eigenthümlichkeit gelten lassen. Dagegen stellen wir den Stenerpacht und das DarlehnSgeschäft der Ritter auf eine Linie mit der Thätig¬ keit unsrer Geld- und Börsenmänner. In Rom Ware» es Consortien des Mittel¬ standes, des Geldadels, welche als Steuerpächter den Provinzen das abnahmen, was ihnen der offen raubende Prätor übrig gelassen hatte; den ruinirten Ge¬ meinden machten dann dieselben oder andre Ritter-Consortien Darlehne zu un¬ erhörten Zinsen. Das Zeitalter war noch naiv, man kannte, wie es scheint, das gleißnerische System noch nicht, den wucherischer Zinsfuß unter einer fic- tiven Höhe des Capitals zu verbergen. Heutzutage sind es Consortien auch von Rittern, die aber Barone und Geheime Commerzieuräthe genannt werden, welche den gesammten Geldverkehr der Welt und ihr Bedürfniß beherrschen, welche nach Belieben Ueberfluß und Mangel erzengen, leine Lnndesgrenze kennen und keine Schränke außer der, welche durch die eigne Concurrenz gebildet wird. In ihrem Wesen wird die Thätigkeit der Bankiers unsrer Tage von der antiken nicht sehr verschieden sein, und es bezieht sich dies auch auf die unleugbaren Vortheile, welche sie dem Publicum in manchen Beziehungen gewährt. Ein Unterschied aber erscheint mir sehr wesentlich und von kaum abzuschätzender Bedeutung. Ein großer Theil der römischen Vermögen lag müßig in baarem Gelde, Silbergeschirr, Kleinodien n. tgi. Zwar läßt sich nicht mit einiger Ge- nauigkeit bestimmen, in welchem Umfange das der Fall gewesen. Allein wenn wir von Maeanlah hören, daß — vor Contrahirnng der englischen Staatsschuld im Jahre 1688 — der Vater des Dichters Pope 20 000 Pfd. Sterl. in einer Kiste auf seinem Landsitze bei sich hatte, um daraus seine Bedürfnisse zu bestreiten, so mögen wir uns daraus eine ungefähre Ansicht bilden, welch ungeheure Massen an Geld und edlen Metallen im römischen Reiche müßig aufgespeichert sein mußten, wo es an Gelegenheiten nutzbringender Anlage jedenfalls weit mehr gefehlt hat als in England vor 1688. Heutzutage ist das Geld, welches den Bestand der Privatkassen bildet, im Verhältniß zum Gesammtvermögen so außerordentlich gering, daß sein plötzliches Erscheinen auf dem Markte wohl keine nennenswerthe Störung veranlassen würde. Wir modernen haben tausendfältige Gelegenheit, jede noch so geringe entbehrliche Summe alsbald nutzbar anzulegen. Wenn uun schon die Privaten, ja selbst gewöhnliche Arbeiter diese Gelegenheiten eifrigst benutzen, so ist es umsomehr bei den eigentlichen Weidmännern und den Reichen Grundsatz und Praxis, Geld keinen Augenblick müßig liegen zu lassen. Daher kommt denn auch die unaufhaltsame Vermehrung des Reichthums. Nun belehrt uns zwar die Theorie, daß das Geld nicht imstande sei, Zins zu bringen, oder in andern Worten, daß keine Capitalanlage anders möglich sei, als indem sie Arbeit entlehne, daß z. B. eine Eisenbahnactie oder ein Eiscnbcchn-Staats- schuldscheiu nichts anderes sei als eine Bescheinigung, daß so und so viel in Arbeit ausgegeben sei. Zugegeben! Allein wir müssen bedenken, daß das Börsen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/453>, abgerufen am 16.01.2025.