Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Zur socialen Frage. Rom nicht größer und greller als bei uns? Untersuchen wir zunächst die Friedländer in seiner Sittengeschichte Roms (Ausgabe 1871) glaubt, daß, Dies alles aber sind schon verhältnißmäßig ältere Vermögen; wahrhaft Ueber Natur und Wirkung dieser Vermögen in den beiderlei Perioden läßt Die Quellen der antiken Vermögen waren hauptsächlich die Sklavenarbeit, *) Der diesjährige Gewinn eines dieser Häuser wird a" der sachkundigen Börse auf
46 Millionen geschätzt. Zur socialen Frage. Rom nicht größer und greller als bei uns? Untersuchen wir zunächst die Friedländer in seiner Sittengeschichte Roms (Ausgabe 1871) glaubt, daß, Dies alles aber sind schon verhältnißmäßig ältere Vermögen; wahrhaft Ueber Natur und Wirkung dieser Vermögen in den beiderlei Perioden läßt Die Quellen der antiken Vermögen waren hauptsächlich die Sklavenarbeit, *) Der diesjährige Gewinn eines dieser Häuser wird a» der sachkundigen Börse auf
46 Millionen geschätzt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0452" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151174"/> <fw type="header" place="top"> Zur socialen Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1488" prev="#ID_1487"> Rom nicht größer und greller als bei uns? Untersuchen wir zunächst die<lb/> Größe der Vermögen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1489"> Friedländer in seiner Sittengeschichte Roms (Ausgabe 1871) glaubt, daß,<lb/> wie unsicher auch die Vergleichung des Geldwerthes beider Perioden sei, doch<lb/> die antiken Vermögen den modernen entschieden nachstehen. Die größten rö¬<lb/> mischen Vermögen, von denen uns berichtet wird, betrugen 300 und 400 Millionen<lb/> Sesterzen, d. h. 66 und 87 Millionen Mark. Als höchstes Jahreseinkommen<lb/> werden ca. fünf Millionen Mark angegeben. Dagegen sollen die Bedfvrds<lb/> drei Millionen, die Nvrthumbcrlands vier Millionen Einkommen haben. Die<lb/> Familie Schermetjew in Rußland besaß 200 000 männliche Leibeigne, von<lb/> denen viele Millionäre waren; Astascheff gewann 1843 allein in seinen sibi¬<lb/> rischen Goldbergwerken 6,1 Millionen Mark: der Fähnrich Jakubow wurde auf<lb/> 300 Millionen Mark geschätzt. Der russische Baron Derwies (->-1881 in Lugano)<lb/> hinterließ seiner Frau und zwei Söhnen eine Rente vou 16 Millionen Mark,<lb/> Schlösser, Landgüter ungerechnet. Dies entspricht einem Actiencapital von<lb/> etwa 360 Millionen Mark. Alles dieses aber sind noch Kleinigkeiten. James<lb/> von Rothschild in Paris hinterließ bei seinem 1868 erfolgten Tode 2000 Mil¬<lb/> lionen Francs und Alex. I. Stewart in New-Aork gab sein Einkommen ans<lb/> 4 071 256 Dollars 17 099 275 Mark an und zahlte 407 000 Dollars<lb/> - 1 709 400 Mark Einkommensteuer, was einem Vermögen von mehr als<lb/> 1400 Millionen Mark entspricht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1490"> Dies alles aber sind schon verhältnißmäßig ältere Vermögen; wahrhaft<lb/> erschreckend dagegen sind die Millionäre, die unter unsern Angen in den letzten<lb/> Jahrzehnten fast wie Pilze hervorgeschossen sind, wie die Goldschmidt, die<lb/> Königswerter, die Bleichröder, die Erlanger, die Stern, die Sulzbach und so<lb/> viele andre, Vermögen, deren Größe und jährliches Wachsthum sich jeder Schützung<lb/> entzieht*) und die alle mehr oder weniger auf dem Wege der Agiotage, der<lb/> Gründung, der Discontirnng ungewisser Zukunftswerthe, kurz an der Börse<lb/> entstanden sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_1491"> Ueber Natur und Wirkung dieser Vermögen in den beiderlei Perioden läßt<lb/> sich folgendes bemerken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1492" next="#ID_1493"> Die Quellen der antiken Vermögen waren hauptsächlich die Sklavenarbeit,<lb/> die Beraubung der Provinzen, der Steuerpacht und ein wucherisch betriebenes<lb/> Darlehnsgeschäft. Die Sklavenarbeit entspricht unsrer heutigen Großindustrie,<lb/> jedoch mit dem Unterschiede, daß die Sklavengroßindnstrie des Alterthums keinen<lb/> Kampf gegen ein Kleingewerbe führte, weil der Römer die Arbeit für eines<lb/> freien Mannes unwürdig hielt und also kein Gewerbe trieb. Die Beraubung<lb/> der Provinzen durch ihre vorgesetzten Proconsuln und Proprätoren können wir</p><lb/> <note xml:id="FID_73" place="foot"> *) Der diesjährige Gewinn eines dieser Häuser wird a» der sachkundigen Börse auf<lb/> 46 Millionen geschätzt.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0452]
Zur socialen Frage.
Rom nicht größer und greller als bei uns? Untersuchen wir zunächst die
Größe der Vermögen.
Friedländer in seiner Sittengeschichte Roms (Ausgabe 1871) glaubt, daß,
wie unsicher auch die Vergleichung des Geldwerthes beider Perioden sei, doch
die antiken Vermögen den modernen entschieden nachstehen. Die größten rö¬
mischen Vermögen, von denen uns berichtet wird, betrugen 300 und 400 Millionen
Sesterzen, d. h. 66 und 87 Millionen Mark. Als höchstes Jahreseinkommen
werden ca. fünf Millionen Mark angegeben. Dagegen sollen die Bedfvrds
drei Millionen, die Nvrthumbcrlands vier Millionen Einkommen haben. Die
Familie Schermetjew in Rußland besaß 200 000 männliche Leibeigne, von
denen viele Millionäre waren; Astascheff gewann 1843 allein in seinen sibi¬
rischen Goldbergwerken 6,1 Millionen Mark: der Fähnrich Jakubow wurde auf
300 Millionen Mark geschätzt. Der russische Baron Derwies (->-1881 in Lugano)
hinterließ seiner Frau und zwei Söhnen eine Rente vou 16 Millionen Mark,
Schlösser, Landgüter ungerechnet. Dies entspricht einem Actiencapital von
etwa 360 Millionen Mark. Alles dieses aber sind noch Kleinigkeiten. James
von Rothschild in Paris hinterließ bei seinem 1868 erfolgten Tode 2000 Mil¬
lionen Francs und Alex. I. Stewart in New-Aork gab sein Einkommen ans
4 071 256 Dollars 17 099 275 Mark an und zahlte 407 000 Dollars
- 1 709 400 Mark Einkommensteuer, was einem Vermögen von mehr als
1400 Millionen Mark entspricht.
Dies alles aber sind schon verhältnißmäßig ältere Vermögen; wahrhaft
erschreckend dagegen sind die Millionäre, die unter unsern Angen in den letzten
Jahrzehnten fast wie Pilze hervorgeschossen sind, wie die Goldschmidt, die
Königswerter, die Bleichröder, die Erlanger, die Stern, die Sulzbach und so
viele andre, Vermögen, deren Größe und jährliches Wachsthum sich jeder Schützung
entzieht*) und die alle mehr oder weniger auf dem Wege der Agiotage, der
Gründung, der Discontirnng ungewisser Zukunftswerthe, kurz an der Börse
entstanden sind.
Ueber Natur und Wirkung dieser Vermögen in den beiderlei Perioden läßt
sich folgendes bemerken.
Die Quellen der antiken Vermögen waren hauptsächlich die Sklavenarbeit,
die Beraubung der Provinzen, der Steuerpacht und ein wucherisch betriebenes
Darlehnsgeschäft. Die Sklavenarbeit entspricht unsrer heutigen Großindustrie,
jedoch mit dem Unterschiede, daß die Sklavengroßindnstrie des Alterthums keinen
Kampf gegen ein Kleingewerbe führte, weil der Römer die Arbeit für eines
freien Mannes unwürdig hielt und also kein Gewerbe trieb. Die Beraubung
der Provinzen durch ihre vorgesetzten Proconsuln und Proprätoren können wir
*) Der diesjährige Gewinn eines dieser Häuser wird a» der sachkundigen Börse auf
46 Millionen geschätzt.
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