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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Sie Frauen der italienischen ^euaissonee.
Welch hohen Rang und welche Herrlichkeiten
Empfingst dn, Edler, in des Himmels Wohnung,
Vertieft in jenes Licht, so göttlich rein?
Gerechte Hand gewähret dort Belohnung-,
Schon Sterblichen gewohnt voranzuschreiten,
Wirst dort der Seelen Führer nun du sein.

Die Wahrheit der Empfindung, die durchgängig in Vittorias Gedichten
waltet, unterscheidet dieselben aufs vortheilhafteste von den conventionellen Phrasen,
mit denen sich die große Mehrzahl der zeitgenössischen Lyriker begnügte. Freilich
macht sich in ihnen eine gewisse Monotonie geltend, da die Dichterin nur selten ihr
Lieblingsthema verläßt, um um lebende Persönlichkeiten wie Bembo, den Dichter
Molza, Kaiser Karl V. oder Veronica Gambara und andere befreundete und
verwandte Frauen ein Lied zu richten. Mehr und mehr verwandelte sich ihr
Schmerz mit der Zeit in Resignation, und ihre Seele suchte Befriedigung in
religiöser Andacht, die von dem Beigeschmack mystischer Grübelei nicht frei ist.
In einem längeren Gedichte schildert sie, wie sie durch einen Traum von Christus
zur himmlischen Liebe bekehrt wird, in der fortan ihr Fühlen und Dichten
aufgeht.

Von der Begeisterung, welche Vittorias Poesien hervorriefen, legen nicht
allein die rasch aufeinanderfolgenden Auflagen derselben, sondern auch die Kund¬
gebungen der größten Autoritäten Zeugniß ab. Werke in lateinischer und ita¬
lienischer Sprache wurden ihr in Menge gewidmet. Unter den Poeten war es
vor allen Ariost, der sie im 37. Gesänge seines Epos auf eine Weise ver¬
herrlichte, die in der That nicht schmeichelhafter sein konnte; führt er sie doch
als glänzendstes Beispiel einer dichtenden Frau an, der jede andre neidlos
den Vortritt einräumen müsse:

Victoria heißt sie, und so ziemt's der Hehren,
Geboren einst beim Sieg, der, wo sie weilt,
Sich die Trophäen, die Triumphe mehren,
Der nah und der voraus Victoria eilt;
Hoch ist sie, Artcmisicu gleich zu ehren,
Der nichts den Schmerz um den Gemahl geheilt --
Ja höher noch, denn schöner ist's, den Gatten
Aus Grabesucicht zu ziehn als ihn bestatten.
Wird Porzia noch, wird Laodamia,
Argia noch nebst andern hochgepriesen,
Wird noch gerühmt Evadnc, Arria,
Die selbst im Tod den Gatten nicht verließen:
Welch einen Ruhm verdient Victoria,
Die, mochte neunfach ihn der Styx umschließen,
Zum Trotz den Parzen und dem Tod den Gatten
Ans Licht gezogen aus dem Reich der Schatten?

Sie Frauen der italienischen ^euaissonee.
Welch hohen Rang und welche Herrlichkeiten
Empfingst dn, Edler, in des Himmels Wohnung,
Vertieft in jenes Licht, so göttlich rein?
Gerechte Hand gewähret dort Belohnung-,
Schon Sterblichen gewohnt voranzuschreiten,
Wirst dort der Seelen Führer nun du sein.

Die Wahrheit der Empfindung, die durchgängig in Vittorias Gedichten
waltet, unterscheidet dieselben aufs vortheilhafteste von den conventionellen Phrasen,
mit denen sich die große Mehrzahl der zeitgenössischen Lyriker begnügte. Freilich
macht sich in ihnen eine gewisse Monotonie geltend, da die Dichterin nur selten ihr
Lieblingsthema verläßt, um um lebende Persönlichkeiten wie Bembo, den Dichter
Molza, Kaiser Karl V. oder Veronica Gambara und andere befreundete und
verwandte Frauen ein Lied zu richten. Mehr und mehr verwandelte sich ihr
Schmerz mit der Zeit in Resignation, und ihre Seele suchte Befriedigung in
religiöser Andacht, die von dem Beigeschmack mystischer Grübelei nicht frei ist.
In einem längeren Gedichte schildert sie, wie sie durch einen Traum von Christus
zur himmlischen Liebe bekehrt wird, in der fortan ihr Fühlen und Dichten
aufgeht.

Von der Begeisterung, welche Vittorias Poesien hervorriefen, legen nicht
allein die rasch aufeinanderfolgenden Auflagen derselben, sondern auch die Kund¬
gebungen der größten Autoritäten Zeugniß ab. Werke in lateinischer und ita¬
lienischer Sprache wurden ihr in Menge gewidmet. Unter den Poeten war es
vor allen Ariost, der sie im 37. Gesänge seines Epos auf eine Weise ver¬
herrlichte, die in der That nicht schmeichelhafter sein konnte; führt er sie doch
als glänzendstes Beispiel einer dichtenden Frau an, der jede andre neidlos
den Vortritt einräumen müsse:

Victoria heißt sie, und so ziemt's der Hehren,
Geboren einst beim Sieg, der, wo sie weilt,
Sich die Trophäen, die Triumphe mehren,
Der nah und der voraus Victoria eilt;
Hoch ist sie, Artcmisicu gleich zu ehren,
Der nichts den Schmerz um den Gemahl geheilt —
Ja höher noch, denn schöner ist's, den Gatten
Aus Grabesucicht zu ziehn als ihn bestatten.
Wird Porzia noch, wird Laodamia,
Argia noch nebst andern hochgepriesen,
Wird noch gerühmt Evadnc, Arria,
Die selbst im Tod den Gatten nicht verließen:
Welch einen Ruhm verdient Victoria,
Die, mochte neunfach ihn der Styx umschließen,
Zum Trotz den Parzen und dem Tod den Gatten
Ans Licht gezogen aus dem Reich der Schatten?

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[0414] Sie Frauen der italienischen ^euaissonee. Welch hohen Rang und welche Herrlichkeiten Empfingst dn, Edler, in des Himmels Wohnung, Vertieft in jenes Licht, so göttlich rein? Gerechte Hand gewähret dort Belohnung-, Schon Sterblichen gewohnt voranzuschreiten, Wirst dort der Seelen Führer nun du sein. Die Wahrheit der Empfindung, die durchgängig in Vittorias Gedichten waltet, unterscheidet dieselben aufs vortheilhafteste von den conventionellen Phrasen, mit denen sich die große Mehrzahl der zeitgenössischen Lyriker begnügte. Freilich macht sich in ihnen eine gewisse Monotonie geltend, da die Dichterin nur selten ihr Lieblingsthema verläßt, um um lebende Persönlichkeiten wie Bembo, den Dichter Molza, Kaiser Karl V. oder Veronica Gambara und andere befreundete und verwandte Frauen ein Lied zu richten. Mehr und mehr verwandelte sich ihr Schmerz mit der Zeit in Resignation, und ihre Seele suchte Befriedigung in religiöser Andacht, die von dem Beigeschmack mystischer Grübelei nicht frei ist. In einem längeren Gedichte schildert sie, wie sie durch einen Traum von Christus zur himmlischen Liebe bekehrt wird, in der fortan ihr Fühlen und Dichten aufgeht. Von der Begeisterung, welche Vittorias Poesien hervorriefen, legen nicht allein die rasch aufeinanderfolgenden Auflagen derselben, sondern auch die Kund¬ gebungen der größten Autoritäten Zeugniß ab. Werke in lateinischer und ita¬ lienischer Sprache wurden ihr in Menge gewidmet. Unter den Poeten war es vor allen Ariost, der sie im 37. Gesänge seines Epos auf eine Weise ver¬ herrlichte, die in der That nicht schmeichelhafter sein konnte; führt er sie doch als glänzendstes Beispiel einer dichtenden Frau an, der jede andre neidlos den Vortritt einräumen müsse: Victoria heißt sie, und so ziemt's der Hehren, Geboren einst beim Sieg, der, wo sie weilt, Sich die Trophäen, die Triumphe mehren, Der nah und der voraus Victoria eilt; Hoch ist sie, Artcmisicu gleich zu ehren, Der nichts den Schmerz um den Gemahl geheilt — Ja höher noch, denn schöner ist's, den Gatten Aus Grabesucicht zu ziehn als ihn bestatten. Wird Porzia noch, wird Laodamia, Argia noch nebst andern hochgepriesen, Wird noch gerühmt Evadnc, Arria, Die selbst im Tod den Gatten nicht verließen: Welch einen Ruhm verdient Victoria, Die, mochte neunfach ihn der Styx umschließen, Zum Trotz den Parzen und dem Tod den Gatten Ans Licht gezogen aus dem Reich der Schatten?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/414>, abgerufen am 15.01.2025.