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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance.

dazu, sie zur gefeiertsten und bekanntesten Frau der Rcuaissnnee, ja Italiens
überhaupt zu machen.

Sie erblickte das Licht der Welt im Jahre 1490 auf dem im Albaner¬
gebirge gelegenen Schlosse von Marino als Tochter des Fabrizio Colonna, der
unter den berühmtesten Kriegsmännern Italiens glänzt, und der Agnesina von
Montefeltro, der geistesverwandten Schwägerin der nrbinatischen Herzogin
Elisabetta. Als fünfjähriges Kind ward sie bereits verlobt mit Francesco
Ferrante d'Avalos, der nachmals als Heerführer in die glorreichen Fußstapfen
seines Vaters Alfonso, des Markgrafen von Pescara trat und zugleich wie
Vittoria in der Jugend einer trefflichen Geistesbildung theilhaftig wurde. Durch
solche Baude nud noch mehr durch innige Zuneigung der Herzen verbunden,
verlebte das junge Paar Tage des reinsten Glückes ans Ischia, bis die Kriegs-
droinmete den jugendlichen Helden zu den kaiserlichen Fahnen abrief. Mit seinem
Schwiegervater geriet!) er in der Schlacht von Ravenna verwundet in fran¬
zösische Gefangenschaft. Die Terzinen, in die Vittoria auf diese Kunde ihr Leid
ergoß, zeigen deutlich die Geistesstärke, welche die Tochter des kriegerischen Adels¬
geschlechts auch im Unglück zu bewahren wußte. Nach kurzer Zeit der Freiheit
zurückgegeben, eilte Ferrante in ihre Arme, ward jedoch nur zu bald durch neue
Pflichten, theils diplomatischer, theils militärischer Art, ihr wiederum entrissen.
Die Schlacht von Pavia, in der er den Gipfel seines Heldenruhmes erklomm,
ward leider auch die Ursache seines frühzeitigen Todes. Vittoria, welche die
Angst zu ihm trieb, sollte ihn nicht mehr sehen, sondern ward noch unterwegs
in Viterbo von der Nachricht seines Todes in den Tiefen ihrer Seele verwundet.
Nur die energischsten Maßregeln des Papstes konnten sie an der Ausführung
ihres Vorsatzes verhindere, in den Klostermauern ihre Tage zu beschließen und
auf alle die Vorrechte zu verzichten, die ihre hohe Abkunft und ihr Reichthum
in Verbindung mit ihren Geistesgaben ihr verliehen. Auf Ischia, dem Schau¬
platze ihres jungen Eheglücks, lebte sie eine zeitlang in stiller Zurückgezogenheit
und begann die elegische Stimmung, die sie bis zu ihrem Ende nicht mehr ver¬
ließ, in kunstvollen Strophen zu verewigen.

Der geliebte Todte bildet den Mittelpunkt, um den sich ihre Poesien be¬
wegen; alle Freude ist von ihr gewichen, seit ihre schöne Sonne, wie sie ihn
mit Vorliebe nennt, erloschen ist, und das Leben hat den Werth für sie ver¬
loren. Glückselig preist sie jene, die schon in der Wiege ihre Augen zum ewigen
Schlummer schlössen; sie beneidet Dido, welche die Gluthen ihres Innern in den
Flammen des Scheiterhaufens tilgte, und denkt auch ihrerseits wohl an
Selbstvernichtung, von der sie nur die Furcht abhält, sich die Wiederver¬
einigung mit dem Gegenstande ihrer Sehnsucht zu verscherzen; denn kein
Zweifel besteht für sie, daß der Geliebte, befreit vou den irdischen Uebeln,
sich zu reineren Sphären erhoben hat, lind diese Gewißheit ist der einzige Trost
in ihrem Leide:


Die Frauen der italienischen Renaissance.

dazu, sie zur gefeiertsten und bekanntesten Frau der Rcuaissnnee, ja Italiens
überhaupt zu machen.

Sie erblickte das Licht der Welt im Jahre 1490 auf dem im Albaner¬
gebirge gelegenen Schlosse von Marino als Tochter des Fabrizio Colonna, der
unter den berühmtesten Kriegsmännern Italiens glänzt, und der Agnesina von
Montefeltro, der geistesverwandten Schwägerin der nrbinatischen Herzogin
Elisabetta. Als fünfjähriges Kind ward sie bereits verlobt mit Francesco
Ferrante d'Avalos, der nachmals als Heerführer in die glorreichen Fußstapfen
seines Vaters Alfonso, des Markgrafen von Pescara trat und zugleich wie
Vittoria in der Jugend einer trefflichen Geistesbildung theilhaftig wurde. Durch
solche Baude nud noch mehr durch innige Zuneigung der Herzen verbunden,
verlebte das junge Paar Tage des reinsten Glückes ans Ischia, bis die Kriegs-
droinmete den jugendlichen Helden zu den kaiserlichen Fahnen abrief. Mit seinem
Schwiegervater geriet!) er in der Schlacht von Ravenna verwundet in fran¬
zösische Gefangenschaft. Die Terzinen, in die Vittoria auf diese Kunde ihr Leid
ergoß, zeigen deutlich die Geistesstärke, welche die Tochter des kriegerischen Adels¬
geschlechts auch im Unglück zu bewahren wußte. Nach kurzer Zeit der Freiheit
zurückgegeben, eilte Ferrante in ihre Arme, ward jedoch nur zu bald durch neue
Pflichten, theils diplomatischer, theils militärischer Art, ihr wiederum entrissen.
Die Schlacht von Pavia, in der er den Gipfel seines Heldenruhmes erklomm,
ward leider auch die Ursache seines frühzeitigen Todes. Vittoria, welche die
Angst zu ihm trieb, sollte ihn nicht mehr sehen, sondern ward noch unterwegs
in Viterbo von der Nachricht seines Todes in den Tiefen ihrer Seele verwundet.
Nur die energischsten Maßregeln des Papstes konnten sie an der Ausführung
ihres Vorsatzes verhindere, in den Klostermauern ihre Tage zu beschließen und
auf alle die Vorrechte zu verzichten, die ihre hohe Abkunft und ihr Reichthum
in Verbindung mit ihren Geistesgaben ihr verliehen. Auf Ischia, dem Schau¬
platze ihres jungen Eheglücks, lebte sie eine zeitlang in stiller Zurückgezogenheit
und begann die elegische Stimmung, die sie bis zu ihrem Ende nicht mehr ver¬
ließ, in kunstvollen Strophen zu verewigen.

Der geliebte Todte bildet den Mittelpunkt, um den sich ihre Poesien be¬
wegen; alle Freude ist von ihr gewichen, seit ihre schöne Sonne, wie sie ihn
mit Vorliebe nennt, erloschen ist, und das Leben hat den Werth für sie ver¬
loren. Glückselig preist sie jene, die schon in der Wiege ihre Augen zum ewigen
Schlummer schlössen; sie beneidet Dido, welche die Gluthen ihres Innern in den
Flammen des Scheiterhaufens tilgte, und denkt auch ihrerseits wohl an
Selbstvernichtung, von der sie nur die Furcht abhält, sich die Wiederver¬
einigung mit dem Gegenstande ihrer Sehnsucht zu verscherzen; denn kein
Zweifel besteht für sie, daß der Geliebte, befreit vou den irdischen Uebeln,
sich zu reineren Sphären erhoben hat, lind diese Gewißheit ist der einzige Trost
in ihrem Leide:


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[0413] Die Frauen der italienischen Renaissance. dazu, sie zur gefeiertsten und bekanntesten Frau der Rcuaissnnee, ja Italiens überhaupt zu machen. Sie erblickte das Licht der Welt im Jahre 1490 auf dem im Albaner¬ gebirge gelegenen Schlosse von Marino als Tochter des Fabrizio Colonna, der unter den berühmtesten Kriegsmännern Italiens glänzt, und der Agnesina von Montefeltro, der geistesverwandten Schwägerin der nrbinatischen Herzogin Elisabetta. Als fünfjähriges Kind ward sie bereits verlobt mit Francesco Ferrante d'Avalos, der nachmals als Heerführer in die glorreichen Fußstapfen seines Vaters Alfonso, des Markgrafen von Pescara trat und zugleich wie Vittoria in der Jugend einer trefflichen Geistesbildung theilhaftig wurde. Durch solche Baude nud noch mehr durch innige Zuneigung der Herzen verbunden, verlebte das junge Paar Tage des reinsten Glückes ans Ischia, bis die Kriegs- droinmete den jugendlichen Helden zu den kaiserlichen Fahnen abrief. Mit seinem Schwiegervater geriet!) er in der Schlacht von Ravenna verwundet in fran¬ zösische Gefangenschaft. Die Terzinen, in die Vittoria auf diese Kunde ihr Leid ergoß, zeigen deutlich die Geistesstärke, welche die Tochter des kriegerischen Adels¬ geschlechts auch im Unglück zu bewahren wußte. Nach kurzer Zeit der Freiheit zurückgegeben, eilte Ferrante in ihre Arme, ward jedoch nur zu bald durch neue Pflichten, theils diplomatischer, theils militärischer Art, ihr wiederum entrissen. Die Schlacht von Pavia, in der er den Gipfel seines Heldenruhmes erklomm, ward leider auch die Ursache seines frühzeitigen Todes. Vittoria, welche die Angst zu ihm trieb, sollte ihn nicht mehr sehen, sondern ward noch unterwegs in Viterbo von der Nachricht seines Todes in den Tiefen ihrer Seele verwundet. Nur die energischsten Maßregeln des Papstes konnten sie an der Ausführung ihres Vorsatzes verhindere, in den Klostermauern ihre Tage zu beschließen und auf alle die Vorrechte zu verzichten, die ihre hohe Abkunft und ihr Reichthum in Verbindung mit ihren Geistesgaben ihr verliehen. Auf Ischia, dem Schau¬ platze ihres jungen Eheglücks, lebte sie eine zeitlang in stiller Zurückgezogenheit und begann die elegische Stimmung, die sie bis zu ihrem Ende nicht mehr ver¬ ließ, in kunstvollen Strophen zu verewigen. Der geliebte Todte bildet den Mittelpunkt, um den sich ihre Poesien be¬ wegen; alle Freude ist von ihr gewichen, seit ihre schöne Sonne, wie sie ihn mit Vorliebe nennt, erloschen ist, und das Leben hat den Werth für sie ver¬ loren. Glückselig preist sie jene, die schon in der Wiege ihre Augen zum ewigen Schlummer schlössen; sie beneidet Dido, welche die Gluthen ihres Innern in den Flammen des Scheiterhaufens tilgte, und denkt auch ihrerseits wohl an Selbstvernichtung, von der sie nur die Furcht abhält, sich die Wiederver¬ einigung mit dem Gegenstande ihrer Sehnsucht zu verscherzen; denn kein Zweifel besteht für sie, daß der Geliebte, befreit vou den irdischen Uebeln, sich zu reineren Sphären erhoben hat, lind diese Gewißheit ist der einzige Trost in ihrem Leide:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/413>, abgerufen am 15.01.2025.