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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Schacksche Gemäldesammlung in München.

sie eine große Zahl der Schackschcn Bilder in eine in der Vorbereitung begriffene
Gesammtpublication der Schcickschen Galerie aufnahm.*)

Man kann also nicht ohne weiteres von der Undankbarkeit des "urtheils¬
losen Haufens" sprechen, wo die Gründe minderer Anerkennung so klar zu Tage
liegen wie hier. Etwas anders verhält es sich mit Feuerbach, dessen trauriges
und beklagenswerthes Schicksal den Grafen, seinen treuen, edelmüthigen und
beharrlichen Beschützer, zu bittern Anklagen gegen Publicum und Presse veran¬
laßt hat. Bevor wir auf die Gründe der ablehnenden Haltung, welche das
Publicum gegen Feuerbach beobachtet hat, näher eingehen, citiren wir zur
Charakteristik des Schackschcn Buches nur noch die hübsche Stelle, welche die
Eigenthümlichkeit der Schwindschen Romantik in folgende Worte zusammenfaßt:
"So wie Weber der specifisch deutsche Componist ist, muß Schwind der specifisch
deutsche Maler genannt werden. Vor seinen Schöpfungen glauben wir Luft
aus den deutscheu Eichenwäldern einzuathmen; aus dem Laubgrün hallen Wald¬
hornklänge an unser Ohr; ferne Berggipfel mit alten Burgen gekrönt, leuchten
im Sonnenglanz; in den Klüften Hausen Gnomen; Elfen wiegen sich auf den
duftigen Morgennebeln. Ueber alles ist ein zauberisches Licht gebreitet, ein
Morgenroth, das uns wie Erinnerung an die früheste Kindheit gemahnt. Nur
aus einer reinen Seele, die sich bis an das Alter die Unschuld der ersten
Lebensjahre bewahrt hat, konnten derartige Gebilde erblühen. Ich kenne kaum
andre Werke der Malerei, die so unmittelbar ans der Empfindung auf die Lein¬
wand übergegangen sind, und hierauf eben beruht die Gewalt, mit der sie den
sinnvollen Beschauer immer und immer von neuen" zu sich hinziehen. Selbst
Scenen des gewöhnlichen Lebens weiß Schwind mit dem wunderbaren Hauche
des Gefühls zu beseelen und in die lauterste Poesie zu verwandeln."

Aus dem, was Schack über Feuerbach schreibt, läßt sich ohne Mühe heraus¬
lesen, daß die Kunstkritiker seinen Tod ans dem Gewissen haben. Weil Feuer¬
bachs Leistungen in Deutschland völliger Theilnahmlosigkeit begegneten, kam er
auf den Gedanken, dnrch große, staunenerregende Kompositionen den Beifall zu
erzwingen, der ihm bis dahin entgangen war. Deshalb malte er die Amcizonen-
schlacht, malte er den Titanensturz, Aufgaben, die ganz außerhalb seiner Macht¬
sphäre lagen und deshalb völlig mißriethen. "So ist -- schließt Schuck daraus --
das Publicum, ist die Kunstkritik, die ihn, mit seltenen Ausnahmen, ignorirte,
während sie Stümper oder höchst ordinäre Talente durch Lobposaunenstvße ver¬
herrlichte, zum Theil dafür verantwortlich zu macheu, wenn er im letzte" Jahr¬
zehnte seines Lebens auf Jrrpfade gerieth." Hat aber Feuerbach, so fragen
wir, in früheren Jahren ernstlich darnach gerungen, den Beifall des Publicums
zu gewinnen? Hat er nicht vielmehr mit eigensinniger Zähigkeit darauf be-



Vgl. die rin großer Opulenz ausgestattete und von Dr. Berggrucu trefflich redigirte
Zeitschrift "Die Graphischen Künste," Jahrgang I.
Die Schacksche Gemäldesammlung in München.

sie eine große Zahl der Schackschcn Bilder in eine in der Vorbereitung begriffene
Gesammtpublication der Schcickschen Galerie aufnahm.*)

Man kann also nicht ohne weiteres von der Undankbarkeit des „urtheils¬
losen Haufens" sprechen, wo die Gründe minderer Anerkennung so klar zu Tage
liegen wie hier. Etwas anders verhält es sich mit Feuerbach, dessen trauriges
und beklagenswerthes Schicksal den Grafen, seinen treuen, edelmüthigen und
beharrlichen Beschützer, zu bittern Anklagen gegen Publicum und Presse veran¬
laßt hat. Bevor wir auf die Gründe der ablehnenden Haltung, welche das
Publicum gegen Feuerbach beobachtet hat, näher eingehen, citiren wir zur
Charakteristik des Schackschcn Buches nur noch die hübsche Stelle, welche die
Eigenthümlichkeit der Schwindschen Romantik in folgende Worte zusammenfaßt:
„So wie Weber der specifisch deutsche Componist ist, muß Schwind der specifisch
deutsche Maler genannt werden. Vor seinen Schöpfungen glauben wir Luft
aus den deutscheu Eichenwäldern einzuathmen; aus dem Laubgrün hallen Wald¬
hornklänge an unser Ohr; ferne Berggipfel mit alten Burgen gekrönt, leuchten
im Sonnenglanz; in den Klüften Hausen Gnomen; Elfen wiegen sich auf den
duftigen Morgennebeln. Ueber alles ist ein zauberisches Licht gebreitet, ein
Morgenroth, das uns wie Erinnerung an die früheste Kindheit gemahnt. Nur
aus einer reinen Seele, die sich bis an das Alter die Unschuld der ersten
Lebensjahre bewahrt hat, konnten derartige Gebilde erblühen. Ich kenne kaum
andre Werke der Malerei, die so unmittelbar ans der Empfindung auf die Lein¬
wand übergegangen sind, und hierauf eben beruht die Gewalt, mit der sie den
sinnvollen Beschauer immer und immer von neuen« zu sich hinziehen. Selbst
Scenen des gewöhnlichen Lebens weiß Schwind mit dem wunderbaren Hauche
des Gefühls zu beseelen und in die lauterste Poesie zu verwandeln."

Aus dem, was Schack über Feuerbach schreibt, läßt sich ohne Mühe heraus¬
lesen, daß die Kunstkritiker seinen Tod ans dem Gewissen haben. Weil Feuer¬
bachs Leistungen in Deutschland völliger Theilnahmlosigkeit begegneten, kam er
auf den Gedanken, dnrch große, staunenerregende Kompositionen den Beifall zu
erzwingen, der ihm bis dahin entgangen war. Deshalb malte er die Amcizonen-
schlacht, malte er den Titanensturz, Aufgaben, die ganz außerhalb seiner Macht¬
sphäre lagen und deshalb völlig mißriethen. „So ist — schließt Schuck daraus —
das Publicum, ist die Kunstkritik, die ihn, mit seltenen Ausnahmen, ignorirte,
während sie Stümper oder höchst ordinäre Talente durch Lobposaunenstvße ver¬
herrlichte, zum Theil dafür verantwortlich zu macheu, wenn er im letzte» Jahr¬
zehnte seines Lebens auf Jrrpfade gerieth." Hat aber Feuerbach, so fragen
wir, in früheren Jahren ernstlich darnach gerungen, den Beifall des Publicums
zu gewinnen? Hat er nicht vielmehr mit eigensinniger Zähigkeit darauf be-



Vgl. die rin großer Opulenz ausgestattete und von Dr. Berggrucu trefflich redigirte
Zeitschrift „Die Graphischen Künste," Jahrgang I.
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[0378] Die Schacksche Gemäldesammlung in München. sie eine große Zahl der Schackschcn Bilder in eine in der Vorbereitung begriffene Gesammtpublication der Schcickschen Galerie aufnahm.*) Man kann also nicht ohne weiteres von der Undankbarkeit des „urtheils¬ losen Haufens" sprechen, wo die Gründe minderer Anerkennung so klar zu Tage liegen wie hier. Etwas anders verhält es sich mit Feuerbach, dessen trauriges und beklagenswerthes Schicksal den Grafen, seinen treuen, edelmüthigen und beharrlichen Beschützer, zu bittern Anklagen gegen Publicum und Presse veran¬ laßt hat. Bevor wir auf die Gründe der ablehnenden Haltung, welche das Publicum gegen Feuerbach beobachtet hat, näher eingehen, citiren wir zur Charakteristik des Schackschcn Buches nur noch die hübsche Stelle, welche die Eigenthümlichkeit der Schwindschen Romantik in folgende Worte zusammenfaßt: „So wie Weber der specifisch deutsche Componist ist, muß Schwind der specifisch deutsche Maler genannt werden. Vor seinen Schöpfungen glauben wir Luft aus den deutscheu Eichenwäldern einzuathmen; aus dem Laubgrün hallen Wald¬ hornklänge an unser Ohr; ferne Berggipfel mit alten Burgen gekrönt, leuchten im Sonnenglanz; in den Klüften Hausen Gnomen; Elfen wiegen sich auf den duftigen Morgennebeln. Ueber alles ist ein zauberisches Licht gebreitet, ein Morgenroth, das uns wie Erinnerung an die früheste Kindheit gemahnt. Nur aus einer reinen Seele, die sich bis an das Alter die Unschuld der ersten Lebensjahre bewahrt hat, konnten derartige Gebilde erblühen. Ich kenne kaum andre Werke der Malerei, die so unmittelbar ans der Empfindung auf die Lein¬ wand übergegangen sind, und hierauf eben beruht die Gewalt, mit der sie den sinnvollen Beschauer immer und immer von neuen« zu sich hinziehen. Selbst Scenen des gewöhnlichen Lebens weiß Schwind mit dem wunderbaren Hauche des Gefühls zu beseelen und in die lauterste Poesie zu verwandeln." Aus dem, was Schack über Feuerbach schreibt, läßt sich ohne Mühe heraus¬ lesen, daß die Kunstkritiker seinen Tod ans dem Gewissen haben. Weil Feuer¬ bachs Leistungen in Deutschland völliger Theilnahmlosigkeit begegneten, kam er auf den Gedanken, dnrch große, staunenerregende Kompositionen den Beifall zu erzwingen, der ihm bis dahin entgangen war. Deshalb malte er die Amcizonen- schlacht, malte er den Titanensturz, Aufgaben, die ganz außerhalb seiner Macht¬ sphäre lagen und deshalb völlig mißriethen. „So ist — schließt Schuck daraus — das Publicum, ist die Kunstkritik, die ihn, mit seltenen Ausnahmen, ignorirte, während sie Stümper oder höchst ordinäre Talente durch Lobposaunenstvße ver¬ herrlichte, zum Theil dafür verantwortlich zu macheu, wenn er im letzte» Jahr¬ zehnte seines Lebens auf Jrrpfade gerieth." Hat aber Feuerbach, so fragen wir, in früheren Jahren ernstlich darnach gerungen, den Beifall des Publicums zu gewinnen? Hat er nicht vielmehr mit eigensinniger Zähigkeit darauf be- Vgl. die rin großer Opulenz ausgestattete und von Dr. Berggrucu trefflich redigirte Zeitschrift „Die Graphischen Künste," Jahrgang I.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/378>, abgerufen am 15.01.2025.