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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Schacksche Gemäldesammlung in Minchen,

hineingeblickt hat, auf welchem heutzutage die Göttin des Ruhmes durch alle
Lande geschoben wird, dem kann es fürwahr nicht schwer werden, eine so wohl¬
feile Art der Beförderung abzulehnen. Es mag ein Moment zorniger Auf¬
wallung gewesen sei", in welchem Graf Schack Anklagen erhob, die schon durch
das nächste Blatt seines Buches aufs bündigste widerlegt werden. Dort hat
nämlich der Verleger ein Verzeichnis; seiner Schriften zusammengestellt, und nur
wenige von ihnen haben nicht zwei oder drei Auflagen erlebt. Daß Werke, die
sich von vornherein nur an verwandte, gleich vornehme und erlesene Geister
wenden, keine lärmenden Erfolge erzielen, liegt nicht in der Undankbarkeit, son¬
dern nur in der UnVollkommenheit des Menschengeschlechts.

Viel begründeter sind die Klagen des Grafen in Bezug auf mehrere seiner
Lieblinge, die ihm besonders ans Herz gewachsen sind. Es ist wahr, daß Ge-
nelli und Feuerbach unter der Verkennung und Mißachtung ihrer Zeitgenossen
aufs schwerste haben leiden müssen und daß selbst Moriz von Schwind nicht
denjenigen Grad von Popularität erreicht hat, der ihm mehr als jedem andern
Maler seiner Zeit gebührt, weil er den deutschen Volksgeist in seinem innersten
Wesen begriffen und erfaßt hat und durch zahlreiche Schöpfungen hat reden
lassen. Bevor man aber eine ganze Nation verurtheilt und des schwärzesten
Undanks beschuldigt, sollte man billig untersuchen, ob nicht ein Theil solcher
Schuld auf feiten des verkannten Künstlers liegt und ob nicht äußere Umstände,
die niemand verschuldet hat, ihr Theil dazu beigetragen haben, daß dieser und
jener nicht zu dem Maße der Anerkennung gelangt ist, welches er beanspruchen
durfte.

Schack besitzt allein von Schwind vierunddreißig Werke, wie er selbst sagt,
mehr als alle übrigen öffentlichen und Privatgalerien zusammengenommen. Da¬
durch ist gerade, womit natürlich kein Vorwurf, sondern nur ein Einwand er¬
hoben werden soll, das Stadium Schwindscher Gemälde zu einem exclusiver
Genuß für diejenigen geworden, die sich eine Reise nach München erlauben
können. Man kann also nicht die Verständnißlosigkeit des deutschen Volkes,
sondern mir den Umstand, daß die meisten Arbeiten Schwinds an einem Orte
concentrirt sind, dafür verantwortlich machen, daß er so wenig in die breiten
Schichten des Volkes gedrungen ist. So oft er oder andre für ihn die Hilfe
der reproducirenden Kunst in Anspruch nahmen, ist er überall willkommen ge¬
heißen worden. Wir erinnern an die prächtigen Münchener Bilderbogen und
an die köstlichen Cyklen der sieben Raben und der schönen Melusine. Auch die
Fresken aus dem Leben der Hi. Elisabeth ans der Wartburg finden alljährlich
tausende von andächtigen Bewunderern. Die ganze Eigenart Schwinds, seine
mehr zeichnerische als malerische Art des Producirens, ist ganz dazu angethan,
auf demselben Wege volksthümlich gemacht zu werden wie die Ludwig Richters.
Die "Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" in Wien sollte sich diese edle Auf¬
gabe angelegen sein lassen. Einen ersten Schritt dazu hat sie schon gethan, indem


Die Schacksche Gemäldesammlung in Minchen,

hineingeblickt hat, auf welchem heutzutage die Göttin des Ruhmes durch alle
Lande geschoben wird, dem kann es fürwahr nicht schwer werden, eine so wohl¬
feile Art der Beförderung abzulehnen. Es mag ein Moment zorniger Auf¬
wallung gewesen sei», in welchem Graf Schack Anklagen erhob, die schon durch
das nächste Blatt seines Buches aufs bündigste widerlegt werden. Dort hat
nämlich der Verleger ein Verzeichnis; seiner Schriften zusammengestellt, und nur
wenige von ihnen haben nicht zwei oder drei Auflagen erlebt. Daß Werke, die
sich von vornherein nur an verwandte, gleich vornehme und erlesene Geister
wenden, keine lärmenden Erfolge erzielen, liegt nicht in der Undankbarkeit, son¬
dern nur in der UnVollkommenheit des Menschengeschlechts.

Viel begründeter sind die Klagen des Grafen in Bezug auf mehrere seiner
Lieblinge, die ihm besonders ans Herz gewachsen sind. Es ist wahr, daß Ge-
nelli und Feuerbach unter der Verkennung und Mißachtung ihrer Zeitgenossen
aufs schwerste haben leiden müssen und daß selbst Moriz von Schwind nicht
denjenigen Grad von Popularität erreicht hat, der ihm mehr als jedem andern
Maler seiner Zeit gebührt, weil er den deutschen Volksgeist in seinem innersten
Wesen begriffen und erfaßt hat und durch zahlreiche Schöpfungen hat reden
lassen. Bevor man aber eine ganze Nation verurtheilt und des schwärzesten
Undanks beschuldigt, sollte man billig untersuchen, ob nicht ein Theil solcher
Schuld auf feiten des verkannten Künstlers liegt und ob nicht äußere Umstände,
die niemand verschuldet hat, ihr Theil dazu beigetragen haben, daß dieser und
jener nicht zu dem Maße der Anerkennung gelangt ist, welches er beanspruchen
durfte.

Schack besitzt allein von Schwind vierunddreißig Werke, wie er selbst sagt,
mehr als alle übrigen öffentlichen und Privatgalerien zusammengenommen. Da¬
durch ist gerade, womit natürlich kein Vorwurf, sondern nur ein Einwand er¬
hoben werden soll, das Stadium Schwindscher Gemälde zu einem exclusiver
Genuß für diejenigen geworden, die sich eine Reise nach München erlauben
können. Man kann also nicht die Verständnißlosigkeit des deutschen Volkes,
sondern mir den Umstand, daß die meisten Arbeiten Schwinds an einem Orte
concentrirt sind, dafür verantwortlich machen, daß er so wenig in die breiten
Schichten des Volkes gedrungen ist. So oft er oder andre für ihn die Hilfe
der reproducirenden Kunst in Anspruch nahmen, ist er überall willkommen ge¬
heißen worden. Wir erinnern an die prächtigen Münchener Bilderbogen und
an die köstlichen Cyklen der sieben Raben und der schönen Melusine. Auch die
Fresken aus dem Leben der Hi. Elisabeth ans der Wartburg finden alljährlich
tausende von andächtigen Bewunderern. Die ganze Eigenart Schwinds, seine
mehr zeichnerische als malerische Art des Producirens, ist ganz dazu angethan,
auf demselben Wege volksthümlich gemacht zu werden wie die Ludwig Richters.
Die „Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" in Wien sollte sich diese edle Auf¬
gabe angelegen sein lassen. Einen ersten Schritt dazu hat sie schon gethan, indem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/377>, abgerufen am 15.01.2025.