Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Die Schacksche Gemäldesammlung in München, standen, einsam seine Straße zu wandeln, ohne dem modernen Geiste die ge¬ Es ist die Aufgabe der Kunstkritik, mit allen ihr zu Gebote stehenden Feucrbcich hat sich in keine Lage des Lebens zu schicken gewußt. Die Zuerst geschah es mit der Amazvnenschlncht. Feuerbach war nach Wien Gvenzlwwi IV, I8"1, 43
Die Schacksche Gemäldesammlung in München, standen, einsam seine Straße zu wandeln, ohne dem modernen Geiste die ge¬ Es ist die Aufgabe der Kunstkritik, mit allen ihr zu Gebote stehenden Feucrbcich hat sich in keine Lage des Lebens zu schicken gewußt. Die Zuerst geschah es mit der Amazvnenschlncht. Feuerbach war nach Wien Gvenzlwwi IV, I8«1, 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0379" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151101"/> <fw type="header" place="top"> Die Schacksche Gemäldesammlung in München,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1253" prev="#ID_1252"> standen, einsam seine Straße zu wandeln, ohne dem modernen Geiste die ge¬<lb/> ringste Concession zu machen? Hat er nicht, ein mißvergnügter Misanthrop,<lb/> dem Reiche der Farbe eine Ende machen und alles Fröhliche, alles Farbige<lb/> mit dem grauen Schleier seines umdüstcrten Gemüths verhangen wollen?</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Es ist die Aufgabe der Kunstkritik, mit allen ihr zu Gebote stehenden<lb/> Mitteln solche krankhaften Tendenzen zu bekämpfen. Bedauerlich, wenn der<lb/> eine oder der andre diesem Kampfe zum Opfer fällt; aber das allgemeine Wohl<lb/> steht höher als vereinzelte Opfer, Wer im Strom des Lebens nicht ein starker<lb/> Schwimmer ist, muß sich hüten, gegen den Strom zu schwimmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255"> Feucrbcich hat sich in keine Lage des Lebens zu schicken gewußt. Die<lb/> Feinde, die ihn vernichteten, sind in seiner eigenen Brust, nicht im Lager der<lb/> Kunstkritik zu suchen. Zu der Zeit, erzählt Schack, da ich in Rom mit ihm<lb/> verkehrte, hatte er „nur Geringschätzung für fast alles, waS in unserm Jahr¬<lb/> hundert producirt war oder um ihn producirt wurde. Ich erinnere mich nicht,<lb/> daß er über irgend ein andres Kunstwerk unsrer Tage sich beifällig geäußert<lb/> habe, als über einige Bilder von Schwind. Sein Verdammungsurtheil er¬<lb/> streckte sich auch auf die französische und belgische Malerei, von welcher er früher<lb/> sehr eingenommen gewesen war— Seine wegwerfende Kritik über die Leistungen<lb/> andrer und die Härte, mit der er sie aussprach, zog ihm natürlich die Feind¬<lb/> schaft mancher Künstler zu und versetzte ihn in eine Jsolirung, die von Jahr<lb/> zu Jahr znnnhm." Und solch ein Mann ist über die Maßen empfindlich, wenn<lb/> um ihn ein ähnlicher Maßstab der Kritik gelegt wird!</p><lb/> <p xml:id="ID_1256" next="#ID_1257"> Zuerst geschah es mit der Amazvnenschlncht. Feuerbach war nach Wien<lb/> gekommen, wo ihm eine ehrenvolle Lehrthätigkeit an der Kunstakademie eröffnet<lb/> worden war. Die Sorge des Lebens war von ihm genommen, und die lange<lb/> ersehnte Anerkennung in Gestalt eines Amtes und einer einflußreichen Wirksamkeit<lb/> war erschienen. Aber der Ehrgeiz, der ruhelos an ihm zehrte wie ein vernich-<lb/> tungsfreudiger Dämon, gab ihm keine Ruhe. Wie Makart wollte er große<lb/> Flächen Leinwand mit michelaugeleskcu Compositionen füllen, und er wollte es<lb/> wieder den Coloristen zum Trotz, ohne der Farbe mehr Macht zu gestatten als<lb/> zur Färbung unbedingt nothwendig war. Gerade weil man nach seinen früheren<lb/> Leistungen, nach der Iphigenie, nach der Pieta und dem Gastmahle des Platon<lb/> etwas außergewöhnliches von ihm erwartete, war die Enttäuschung um so größer.<lb/> Wenn dieselbe in der Tagespresse einen offenen und ungeschminkten Aus¬<lb/> druck fand, so hat deshalb noch niemand das Recht, die Angriffe der Kritik<lb/> als aus „gehässigen" Motiven entsprungen zu erklären, wie Graf Schack es<lb/> thut. „Wenn ein Künstler, sagt er, der schon ausgezeichnetes geleistet, minder<lb/> gelungenes hervorbringt, wie dies selbst den größten oft begegnet ist, so sollte<lb/> man doch mich von seinen Verirrungen mit Achtung, mindestens mit Schonung<lb/> spreche». Dies ist ein Gebot der Schicklichkeit, in dessen Befolgung sich die<lb/> Deutschen fremde Nationen, z. B. die Franzosen zum Vorbild nehme» sollten.,,,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gvenzlwwi IV, I8«1, 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0379]
Die Schacksche Gemäldesammlung in München,
standen, einsam seine Straße zu wandeln, ohne dem modernen Geiste die ge¬
ringste Concession zu machen? Hat er nicht, ein mißvergnügter Misanthrop,
dem Reiche der Farbe eine Ende machen und alles Fröhliche, alles Farbige
mit dem grauen Schleier seines umdüstcrten Gemüths verhangen wollen?
Es ist die Aufgabe der Kunstkritik, mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln solche krankhaften Tendenzen zu bekämpfen. Bedauerlich, wenn der
eine oder der andre diesem Kampfe zum Opfer fällt; aber das allgemeine Wohl
steht höher als vereinzelte Opfer, Wer im Strom des Lebens nicht ein starker
Schwimmer ist, muß sich hüten, gegen den Strom zu schwimmen.
Feucrbcich hat sich in keine Lage des Lebens zu schicken gewußt. Die
Feinde, die ihn vernichteten, sind in seiner eigenen Brust, nicht im Lager der
Kunstkritik zu suchen. Zu der Zeit, erzählt Schack, da ich in Rom mit ihm
verkehrte, hatte er „nur Geringschätzung für fast alles, waS in unserm Jahr¬
hundert producirt war oder um ihn producirt wurde. Ich erinnere mich nicht,
daß er über irgend ein andres Kunstwerk unsrer Tage sich beifällig geäußert
habe, als über einige Bilder von Schwind. Sein Verdammungsurtheil er¬
streckte sich auch auf die französische und belgische Malerei, von welcher er früher
sehr eingenommen gewesen war— Seine wegwerfende Kritik über die Leistungen
andrer und die Härte, mit der er sie aussprach, zog ihm natürlich die Feind¬
schaft mancher Künstler zu und versetzte ihn in eine Jsolirung, die von Jahr
zu Jahr znnnhm." Und solch ein Mann ist über die Maßen empfindlich, wenn
um ihn ein ähnlicher Maßstab der Kritik gelegt wird!
Zuerst geschah es mit der Amazvnenschlncht. Feuerbach war nach Wien
gekommen, wo ihm eine ehrenvolle Lehrthätigkeit an der Kunstakademie eröffnet
worden war. Die Sorge des Lebens war von ihm genommen, und die lange
ersehnte Anerkennung in Gestalt eines Amtes und einer einflußreichen Wirksamkeit
war erschienen. Aber der Ehrgeiz, der ruhelos an ihm zehrte wie ein vernich-
tungsfreudiger Dämon, gab ihm keine Ruhe. Wie Makart wollte er große
Flächen Leinwand mit michelaugeleskcu Compositionen füllen, und er wollte es
wieder den Coloristen zum Trotz, ohne der Farbe mehr Macht zu gestatten als
zur Färbung unbedingt nothwendig war. Gerade weil man nach seinen früheren
Leistungen, nach der Iphigenie, nach der Pieta und dem Gastmahle des Platon
etwas außergewöhnliches von ihm erwartete, war die Enttäuschung um so größer.
Wenn dieselbe in der Tagespresse einen offenen und ungeschminkten Aus¬
druck fand, so hat deshalb noch niemand das Recht, die Angriffe der Kritik
als aus „gehässigen" Motiven entsprungen zu erklären, wie Graf Schack es
thut. „Wenn ein Künstler, sagt er, der schon ausgezeichnetes geleistet, minder
gelungenes hervorbringt, wie dies selbst den größten oft begegnet ist, so sollte
man doch mich von seinen Verirrungen mit Achtung, mindestens mit Schonung
spreche». Dies ist ein Gebot der Schicklichkeit, in dessen Befolgung sich die
Deutschen fremde Nationen, z. B. die Franzosen zum Vorbild nehme» sollten.,,,
Gvenzlwwi IV, I8«1, 43
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