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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance.

zwar unmittelbar nach der Abreise des Papstes Julius II., der nach der Unter¬
werfung Bolognas Urbinos Gast gewesen war und von dessen Gefolge mehrere,
gefesselt von der feinen Geselligkeit dieses Hofes, noch längere Zeit an demselben
verblieben.

Von dem Inhalte dieser, von Emilia Pia, einer Dame der Herzogin, mit
sicherem Tacte geleiteten Disputation, bei der es sich, beiläufig bemerkt, nicht
sowohl um die äußere Tournüre eines Weltmannes als um die harmonische
Ausbildung der ganzen Persönlichkeit, um dasjenige handelt, was die Griechen
mit dem Worte x">>.oxa/"A/et bezeichneten, sei hier nur einiges herausgehoben,
was besonders geeignet ist, zu veranschaulichen, wie man in den erlesensten Ge¬
sellschaftsschichten der Renaissance über die Frauen dachte und welche Forde¬
rungen man an sie stellte.

Die Widerlegung, die den Gegnern der Frauen im Verlaufe des Gespräches
zu Theil wird, ist schon oben berührt worden. specieller formulirt wird der
Werth des weiblichen Geschlechts in demselben Capitel durch Cesare Gonzaga,
im Hinblick auf die höhern Lebenskreise: "Wie groß ein Hof auch sei, er hat
weder Schmuck noch Glanz noch Freude ohne Frauen; ein Cortigiano kann
nicht wohlerzogen, liebenswürdig und kühn sein und kein anmuthiges ritterliches
Werk vollbringen ohne den Umgang, die Liebe und die Gunst der Frauen; so ist
auch seine Rede stets unvollkommen, wenn nicht die Frauen sich ins Mittel
legen und ihr jene Anmuth verleihen, durch die dem höfischen Anstand (der
oortissmnia) die Krone aufgesetzt wird."

Dem Ideal eines Cortigiano wird weiterhin dasjenige einer Hofdame gegen¬
übergestellt. Eine solche soll nicht nur, so fordert Giuliano de' Medici, sich
von rauhen männlichen Uebungen, wie Reiten, Jagen und Ringen, fernhalten,
sondern auch in den ihr geziemender Beschäftigungen stets auf ein gefälliges,
graziöses Wesen bedacht sein. Sie soll sich etwas bitten lassen, ehe sie tanzt
und musicirt, mit einer gewissen Schüchternheit, und jeden Anschein der Dreistig¬
keit (imMtisuzig.) vermeiden. Kenntnisse in der Literatur, Musik und Malerei
sind unerläßliche Erfordernisse ihres Standes.

Wem es Bedenken erweckt, daß die Italienerinnen jener Zeit unbeschadet
ihres Rufes die Frivolitäten des Novellisten Bandello oder die Cynismen gewisser
Komödien anhören durften, ja ohne nervöse Anfälle anhören konnten, der findet
einen versöhnenden Gegensatz dazu, wenn er sieht, wie anderseits auch die
idealsten Dinge nach Ausweis des Cortigiano ebenfalls in Gegenwart von Frauen
und unter deren Beifall zur Verhandlung kamen. Man lese die schwungvolle
platonisirende Rede, in welcher sich Bembo über den Begriff der Liebe aus¬
spricht, als deren wahren Genuß er gegenseitige innere Läuterung hinstellt.
"Wie das irdische Feuer das Gold verfeinert, so zerstört dies heilige Feuer in
den Seelen das, was darin sterblich ist, und erweckt zum Leben und veredelt
den himmlischen Theil, der zuerst von den Sinnen ertödtet und begraben war.


Die Frauen der italienischen Renaissance.

zwar unmittelbar nach der Abreise des Papstes Julius II., der nach der Unter¬
werfung Bolognas Urbinos Gast gewesen war und von dessen Gefolge mehrere,
gefesselt von der feinen Geselligkeit dieses Hofes, noch längere Zeit an demselben
verblieben.

Von dem Inhalte dieser, von Emilia Pia, einer Dame der Herzogin, mit
sicherem Tacte geleiteten Disputation, bei der es sich, beiläufig bemerkt, nicht
sowohl um die äußere Tournüre eines Weltmannes als um die harmonische
Ausbildung der ganzen Persönlichkeit, um dasjenige handelt, was die Griechen
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was besonders geeignet ist, zu veranschaulichen, wie man in den erlesensten Ge¬
sellschaftsschichten der Renaissance über die Frauen dachte und welche Forde¬
rungen man an sie stellte.

Die Widerlegung, die den Gegnern der Frauen im Verlaufe des Gespräches
zu Theil wird, ist schon oben berührt worden. specieller formulirt wird der
Werth des weiblichen Geschlechts in demselben Capitel durch Cesare Gonzaga,
im Hinblick auf die höhern Lebenskreise: „Wie groß ein Hof auch sei, er hat
weder Schmuck noch Glanz noch Freude ohne Frauen; ein Cortigiano kann
nicht wohlerzogen, liebenswürdig und kühn sein und kein anmuthiges ritterliches
Werk vollbringen ohne den Umgang, die Liebe und die Gunst der Frauen; so ist
auch seine Rede stets unvollkommen, wenn nicht die Frauen sich ins Mittel
legen und ihr jene Anmuth verleihen, durch die dem höfischen Anstand (der
oortissmnia) die Krone aufgesetzt wird."

Dem Ideal eines Cortigiano wird weiterhin dasjenige einer Hofdame gegen¬
übergestellt. Eine solche soll nicht nur, so fordert Giuliano de' Medici, sich
von rauhen männlichen Uebungen, wie Reiten, Jagen und Ringen, fernhalten,
sondern auch in den ihr geziemender Beschäftigungen stets auf ein gefälliges,
graziöses Wesen bedacht sein. Sie soll sich etwas bitten lassen, ehe sie tanzt
und musicirt, mit einer gewissen Schüchternheit, und jeden Anschein der Dreistig¬
keit (imMtisuzig.) vermeiden. Kenntnisse in der Literatur, Musik und Malerei
sind unerläßliche Erfordernisse ihres Standes.

Wem es Bedenken erweckt, daß die Italienerinnen jener Zeit unbeschadet
ihres Rufes die Frivolitäten des Novellisten Bandello oder die Cynismen gewisser
Komödien anhören durften, ja ohne nervöse Anfälle anhören konnten, der findet
einen versöhnenden Gegensatz dazu, wenn er sieht, wie anderseits auch die
idealsten Dinge nach Ausweis des Cortigiano ebenfalls in Gegenwart von Frauen
und unter deren Beifall zur Verhandlung kamen. Man lese die schwungvolle
platonisirende Rede, in welcher sich Bembo über den Begriff der Liebe aus¬
spricht, als deren wahren Genuß er gegenseitige innere Läuterung hinstellt.
„Wie das irdische Feuer das Gold verfeinert, so zerstört dies heilige Feuer in
den Seelen das, was darin sterblich ist, und erweckt zum Leben und veredelt
den himmlischen Theil, der zuerst von den Sinnen ertödtet und begraben war.


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[0372] Die Frauen der italienischen Renaissance. zwar unmittelbar nach der Abreise des Papstes Julius II., der nach der Unter¬ werfung Bolognas Urbinos Gast gewesen war und von dessen Gefolge mehrere, gefesselt von der feinen Geselligkeit dieses Hofes, noch längere Zeit an demselben verblieben. Von dem Inhalte dieser, von Emilia Pia, einer Dame der Herzogin, mit sicherem Tacte geleiteten Disputation, bei der es sich, beiläufig bemerkt, nicht sowohl um die äußere Tournüre eines Weltmannes als um die harmonische Ausbildung der ganzen Persönlichkeit, um dasjenige handelt, was die Griechen mit dem Worte x«>>.oxa/«A/et bezeichneten, sei hier nur einiges herausgehoben, was besonders geeignet ist, zu veranschaulichen, wie man in den erlesensten Ge¬ sellschaftsschichten der Renaissance über die Frauen dachte und welche Forde¬ rungen man an sie stellte. Die Widerlegung, die den Gegnern der Frauen im Verlaufe des Gespräches zu Theil wird, ist schon oben berührt worden. specieller formulirt wird der Werth des weiblichen Geschlechts in demselben Capitel durch Cesare Gonzaga, im Hinblick auf die höhern Lebenskreise: „Wie groß ein Hof auch sei, er hat weder Schmuck noch Glanz noch Freude ohne Frauen; ein Cortigiano kann nicht wohlerzogen, liebenswürdig und kühn sein und kein anmuthiges ritterliches Werk vollbringen ohne den Umgang, die Liebe und die Gunst der Frauen; so ist auch seine Rede stets unvollkommen, wenn nicht die Frauen sich ins Mittel legen und ihr jene Anmuth verleihen, durch die dem höfischen Anstand (der oortissmnia) die Krone aufgesetzt wird." Dem Ideal eines Cortigiano wird weiterhin dasjenige einer Hofdame gegen¬ übergestellt. Eine solche soll nicht nur, so fordert Giuliano de' Medici, sich von rauhen männlichen Uebungen, wie Reiten, Jagen und Ringen, fernhalten, sondern auch in den ihr geziemender Beschäftigungen stets auf ein gefälliges, graziöses Wesen bedacht sein. Sie soll sich etwas bitten lassen, ehe sie tanzt und musicirt, mit einer gewissen Schüchternheit, und jeden Anschein der Dreistig¬ keit (imMtisuzig.) vermeiden. Kenntnisse in der Literatur, Musik und Malerei sind unerläßliche Erfordernisse ihres Standes. Wem es Bedenken erweckt, daß die Italienerinnen jener Zeit unbeschadet ihres Rufes die Frivolitäten des Novellisten Bandello oder die Cynismen gewisser Komödien anhören durften, ja ohne nervöse Anfälle anhören konnten, der findet einen versöhnenden Gegensatz dazu, wenn er sieht, wie anderseits auch die idealsten Dinge nach Ausweis des Cortigiano ebenfalls in Gegenwart von Frauen und unter deren Beifall zur Verhandlung kamen. Man lese die schwungvolle platonisirende Rede, in welcher sich Bembo über den Begriff der Liebe aus¬ spricht, als deren wahren Genuß er gegenseitige innere Läuterung hinstellt. „Wie das irdische Feuer das Gold verfeinert, so zerstört dies heilige Feuer in den Seelen das, was darin sterblich ist, und erweckt zum Leben und veredelt den himmlischen Theil, der zuerst von den Sinnen ertödtet und begraben war.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/372>, abgerufen am 15.01.2025.