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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance.

Würdig solcher Vorgänger war das Herrscherpaar Guidobnldo und Elisn-
betta, unter denen der nrbinatische Hof zu Anfang des 16. Jahrhunderts seine
höchste Blüte entfaltete. Namentlich war es die letztere, die durch ihre seltenen
Eigenschaften der Mittelpunkt eines Kreises ward, in dem sich die klangvollsten
Namen des damaligen Italiens, sei es dauernd oder vorübergehend, vertreten
finden. Castiglione, der neben Männern wie Bembo, Giuliano de' Medici,
welcher nachmals unter dem Namen Clemens VII. den apostolischen Stuhl
bestieg, dem feinsinnigen Bibbiena, dem Bildhauer Cristoforo Romano, dem
Musiker Pietro Monte u. a. zu seinen regsten und begeistertsten Mitgliedern
zählte, hat sich das unsterbliche Verdienst erworben, denselben durch sein Buch
vom Cortigiano dem Gedächtniß der Zeiten zu überliefern.

Die ganze Schrift, die erst nach dem Tode der Herzogin Elisabetta vor
die Öffentlichkeit trat, ist durchdrungen von schwärmerischer Verehrung für diese
Frau; sie schien, sagt er, eine Kette, die alle in Liebe vereinigt hielt, so daß
niemals unter Brüdern größere Eintracht bestand, als sie hier herrschte. Frei
von allem Etiquettenzwang durfte man mit den Damen nach Belieben reden,
scherzen und lachen, aber die Ehrfurcht, die man vor der Herzogin hegte, war
so groß, daß diese Freiheit von keinem mißbraucht ward, daß es vielmehr ein
jeder für das größte Vergnügen hielt, ihr zu gefallen, für das größte Unglück,
ihr zu mißfallen, und so waren die ehrbarsten Sitten mit der größten Freiheit
verbunden und die heitern Spiele nicht nur durch den feinsten Geist geadelt,
sondern auch durch jene Anmuth und Würde, welche alle Handlungen, Worte
und Bewegungen der hohen Frau durchdrang und auf ihre ganze Umgebung
überging.

Nach der Abendmahlzeit, berichtet Castiglione, begaben sich sämmtliche
Edelleute, die am Hofe anwesend waren, in die Gemächer der Herzogin, wo
zwischen Festeslust, Musik und Tanz geistreiche Gespräche gepflogen wurden.
Mau saß dabei uach freier Wahl im Kreise so, daß immer ein Cavalier neben
einer Dame Platz hatte. Die Cavaliere müssen Unterhaltungen in Vorschlag
bringen, durch die der Abend ausgefüllt werden soll, und im vorliegenden Falle
gelangt der Vorschlag des Federigo Frcgvso zur Annahme, daß einer der An¬
wesenden den Begriff eines vollendeten Hofmannes (oortiMMo) entwickeln und
über dieses Thema disputirt werden solle.

Daß es Castiglione nicht etwa bloß darum zu thun ist, ein Referat über
den Gang dieser Disputation zu geben, sondern dieselbe zu einer künstlerisch
abgerundete" Schöpfung im Stile der platonischen Dialoge auszuprägen, wird
niemand bei der Lectüre des Buches verkennen; daß aber diesen Wechselnden
eine wirklich abgehaltene Conversation zu Grunde liegt, geht nicht allein aus
dem individuell gehaltenen Tone hervor, der die einzelnen Reden kennzeichnet,
sondern nicht minder aus der ausdrücklichen Erklärung des Autors, daß das
Gespräch an einem bestimmten Abend im Jahre 1506 stattgefunden habe und


Grenzboten IV. 1381. 47
Die Frauen der italienischen Renaissance.

Würdig solcher Vorgänger war das Herrscherpaar Guidobnldo und Elisn-
betta, unter denen der nrbinatische Hof zu Anfang des 16. Jahrhunderts seine
höchste Blüte entfaltete. Namentlich war es die letztere, die durch ihre seltenen
Eigenschaften der Mittelpunkt eines Kreises ward, in dem sich die klangvollsten
Namen des damaligen Italiens, sei es dauernd oder vorübergehend, vertreten
finden. Castiglione, der neben Männern wie Bembo, Giuliano de' Medici,
welcher nachmals unter dem Namen Clemens VII. den apostolischen Stuhl
bestieg, dem feinsinnigen Bibbiena, dem Bildhauer Cristoforo Romano, dem
Musiker Pietro Monte u. a. zu seinen regsten und begeistertsten Mitgliedern
zählte, hat sich das unsterbliche Verdienst erworben, denselben durch sein Buch
vom Cortigiano dem Gedächtniß der Zeiten zu überliefern.

Die ganze Schrift, die erst nach dem Tode der Herzogin Elisabetta vor
die Öffentlichkeit trat, ist durchdrungen von schwärmerischer Verehrung für diese
Frau; sie schien, sagt er, eine Kette, die alle in Liebe vereinigt hielt, so daß
niemals unter Brüdern größere Eintracht bestand, als sie hier herrschte. Frei
von allem Etiquettenzwang durfte man mit den Damen nach Belieben reden,
scherzen und lachen, aber die Ehrfurcht, die man vor der Herzogin hegte, war
so groß, daß diese Freiheit von keinem mißbraucht ward, daß es vielmehr ein
jeder für das größte Vergnügen hielt, ihr zu gefallen, für das größte Unglück,
ihr zu mißfallen, und so waren die ehrbarsten Sitten mit der größten Freiheit
verbunden und die heitern Spiele nicht nur durch den feinsten Geist geadelt,
sondern auch durch jene Anmuth und Würde, welche alle Handlungen, Worte
und Bewegungen der hohen Frau durchdrang und auf ihre ganze Umgebung
überging.

Nach der Abendmahlzeit, berichtet Castiglione, begaben sich sämmtliche
Edelleute, die am Hofe anwesend waren, in die Gemächer der Herzogin, wo
zwischen Festeslust, Musik und Tanz geistreiche Gespräche gepflogen wurden.
Mau saß dabei uach freier Wahl im Kreise so, daß immer ein Cavalier neben
einer Dame Platz hatte. Die Cavaliere müssen Unterhaltungen in Vorschlag
bringen, durch die der Abend ausgefüllt werden soll, und im vorliegenden Falle
gelangt der Vorschlag des Federigo Frcgvso zur Annahme, daß einer der An¬
wesenden den Begriff eines vollendeten Hofmannes (oortiMMo) entwickeln und
über dieses Thema disputirt werden solle.

Daß es Castiglione nicht etwa bloß darum zu thun ist, ein Referat über
den Gang dieser Disputation zu geben, sondern dieselbe zu einer künstlerisch
abgerundete» Schöpfung im Stile der platonischen Dialoge auszuprägen, wird
niemand bei der Lectüre des Buches verkennen; daß aber diesen Wechselnden
eine wirklich abgehaltene Conversation zu Grunde liegt, geht nicht allein aus
dem individuell gehaltenen Tone hervor, der die einzelnen Reden kennzeichnet,
sondern nicht minder aus der ausdrücklichen Erklärung des Autors, daß das
Gespräch an einem bestimmten Abend im Jahre 1506 stattgefunden habe und


Grenzboten IV. 1381. 47
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[0371] Die Frauen der italienischen Renaissance. Würdig solcher Vorgänger war das Herrscherpaar Guidobnldo und Elisn- betta, unter denen der nrbinatische Hof zu Anfang des 16. Jahrhunderts seine höchste Blüte entfaltete. Namentlich war es die letztere, die durch ihre seltenen Eigenschaften der Mittelpunkt eines Kreises ward, in dem sich die klangvollsten Namen des damaligen Italiens, sei es dauernd oder vorübergehend, vertreten finden. Castiglione, der neben Männern wie Bembo, Giuliano de' Medici, welcher nachmals unter dem Namen Clemens VII. den apostolischen Stuhl bestieg, dem feinsinnigen Bibbiena, dem Bildhauer Cristoforo Romano, dem Musiker Pietro Monte u. a. zu seinen regsten und begeistertsten Mitgliedern zählte, hat sich das unsterbliche Verdienst erworben, denselben durch sein Buch vom Cortigiano dem Gedächtniß der Zeiten zu überliefern. Die ganze Schrift, die erst nach dem Tode der Herzogin Elisabetta vor die Öffentlichkeit trat, ist durchdrungen von schwärmerischer Verehrung für diese Frau; sie schien, sagt er, eine Kette, die alle in Liebe vereinigt hielt, so daß niemals unter Brüdern größere Eintracht bestand, als sie hier herrschte. Frei von allem Etiquettenzwang durfte man mit den Damen nach Belieben reden, scherzen und lachen, aber die Ehrfurcht, die man vor der Herzogin hegte, war so groß, daß diese Freiheit von keinem mißbraucht ward, daß es vielmehr ein jeder für das größte Vergnügen hielt, ihr zu gefallen, für das größte Unglück, ihr zu mißfallen, und so waren die ehrbarsten Sitten mit der größten Freiheit verbunden und die heitern Spiele nicht nur durch den feinsten Geist geadelt, sondern auch durch jene Anmuth und Würde, welche alle Handlungen, Worte und Bewegungen der hohen Frau durchdrang und auf ihre ganze Umgebung überging. Nach der Abendmahlzeit, berichtet Castiglione, begaben sich sämmtliche Edelleute, die am Hofe anwesend waren, in die Gemächer der Herzogin, wo zwischen Festeslust, Musik und Tanz geistreiche Gespräche gepflogen wurden. Mau saß dabei uach freier Wahl im Kreise so, daß immer ein Cavalier neben einer Dame Platz hatte. Die Cavaliere müssen Unterhaltungen in Vorschlag bringen, durch die der Abend ausgefüllt werden soll, und im vorliegenden Falle gelangt der Vorschlag des Federigo Frcgvso zur Annahme, daß einer der An¬ wesenden den Begriff eines vollendeten Hofmannes (oortiMMo) entwickeln und über dieses Thema disputirt werden solle. Daß es Castiglione nicht etwa bloß darum zu thun ist, ein Referat über den Gang dieser Disputation zu geben, sondern dieselbe zu einer künstlerisch abgerundete» Schöpfung im Stile der platonischen Dialoge auszuprägen, wird niemand bei der Lectüre des Buches verkennen; daß aber diesen Wechselnden eine wirklich abgehaltene Conversation zu Grunde liegt, geht nicht allein aus dem individuell gehaltenen Tone hervor, der die einzelnen Reden kennzeichnet, sondern nicht minder aus der ausdrücklichen Erklärung des Autors, daß das Gespräch an einem bestimmten Abend im Jahre 1506 stattgefunden habe und Grenzboten IV. 1381. 47

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/371>, abgerufen am 15.01.2025.