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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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vie Frauen der italienischen Renaissance.

die berühmtesten dieser Bücher herauszugreifen, Pietro Bembo in seinen ^sol-mi
einen Kreis junger Leute, der sich ebenfalls aus beiden Geschlechtern zusammen¬
setzt, über die Liebe disputiren; er selbst deutet zwar in der Einleitung an, daß
die Namen Lisa, Berenice und Sabinetta, welche die drei Schönen führen,
fingirt seien, läßt aber keinen Zweifel darüber, daß diesen redegewandten, geist¬
reichen Geschöpfen wirkliche Modelle zu Grunde liegen, wie sie Catarina Cornaro
auf ihrem Lustschloß Asolo um sich hatte.

Firenzuola, dem wir schon unter den eifrigsten Anwälten des schönen Ge¬
schlechts begegneten, zeigt uns in seinen 'kÄMonlunsicki Madonna Costanza
Amaretta, die 1523 aus Rom nach Florenz kam, als Mittelpunkt eines schön¬
geistigen Cirkels, der in einer bei der Stadt gelegenen Villa seinen Sitz auf¬
schlägt und nach einem festen Programm in philosophischen Disputationen,
Recitation von Gedichten und Erzählung von Novelle" seine Unterhaltung sucht.

Diejenige Schilderung aber, welche uns das gesellschaftliche Leben der
Renaissance zur duftigsten Blüte entwickelt zeigt und von Meisterhand entworfen
ein unvergängliches Denkmal desselben bleiben wird, verdanken wir dem Grafen
Baldasscire Castiglione (f 1529), dem Verfasser des schon erwähnten Ooitig'iMo.
In diesem vielgenannten, doch im Verhältniß zu seiner cnlturgeschichtlichen Wich¬
tigkeit viel zu wenig bekannten Werke, dessen Zweck es ist, das Ideal eines
Gesellschaftsmenschen festzustellen, erhält man zugleich ein Bild von dem geistigen
Gehalte des damaligen geselligen Lebens, wie es anmuthiger, liebenswürdiger
und farbenprächtiger kaum gedacht werden kann.

Castiglioncs Buch, ein classisches Muster italienischer Prosa, führt uns ein
in den Hof von Urbino, der sich bereits unter dem berühmten Herzog Federigo
da Montefeltro als Pflcgstätte idealer Bestrebungen eines reichlich verdienten
Rufes erfreute. Jener Federigo 1482), einer der angesehensten Heerführer,
die im Solde von Fürsten und Päpsten sich in den Kriegsunternehmungen des
15. Jahrhunderts hervorthaten, vergaß über dem rauhen Waffenhandwerk nie¬
mals den friedlichen Dienst der Musen, denen er seinen großartigen, noch heute
jeden Besucher mit Bewunderung erfüllenden Palast zum Tempel weihte. Die
kostbarsten und erlesensten Schätze waren darin aufgespeichert, antike Bildwerke
aus Marmor und Bronze, vorzügliche Gemälde, musikalische Instrumente aller
Art und außerdem eine für jene Zeit höchst ansehnliche Bibliothek, die luxuriös
ausgestattete lateinische, griechische und hebräische Bücher vereinigte. Und wie
der Herzog, dem geistige Genüsse dermaßen Bedürfniß waren, daß er sogar
während der Mahlzeit sich aus den alten Classikern vorlesen ließ, war seine
Gemahlin Battista Sforza, die Tochter jener bereits genannten Costanza Varano,
so ausgezeichnet durch treffliche Bildung, daß Pius II. bei ihrer Anwesenheit
in Rom entzückt von ihrer Rede sich dahin aussprach, daß es keine Frau in
ganz Italien gebe, die sich mit ihr an Gelehrsamkeit und Beredtsnnckeit ver¬
gleichen ließe.


vie Frauen der italienischen Renaissance.

die berühmtesten dieser Bücher herauszugreifen, Pietro Bembo in seinen ^sol-mi
einen Kreis junger Leute, der sich ebenfalls aus beiden Geschlechtern zusammen¬
setzt, über die Liebe disputiren; er selbst deutet zwar in der Einleitung an, daß
die Namen Lisa, Berenice und Sabinetta, welche die drei Schönen führen,
fingirt seien, läßt aber keinen Zweifel darüber, daß diesen redegewandten, geist¬
reichen Geschöpfen wirkliche Modelle zu Grunde liegen, wie sie Catarina Cornaro
auf ihrem Lustschloß Asolo um sich hatte.

Firenzuola, dem wir schon unter den eifrigsten Anwälten des schönen Ge¬
schlechts begegneten, zeigt uns in seinen 'kÄMonlunsicki Madonna Costanza
Amaretta, die 1523 aus Rom nach Florenz kam, als Mittelpunkt eines schön¬
geistigen Cirkels, der in einer bei der Stadt gelegenen Villa seinen Sitz auf¬
schlägt und nach einem festen Programm in philosophischen Disputationen,
Recitation von Gedichten und Erzählung von Novelle» seine Unterhaltung sucht.

Diejenige Schilderung aber, welche uns das gesellschaftliche Leben der
Renaissance zur duftigsten Blüte entwickelt zeigt und von Meisterhand entworfen
ein unvergängliches Denkmal desselben bleiben wird, verdanken wir dem Grafen
Baldasscire Castiglione (f 1529), dem Verfasser des schon erwähnten Ooitig'iMo.
In diesem vielgenannten, doch im Verhältniß zu seiner cnlturgeschichtlichen Wich¬
tigkeit viel zu wenig bekannten Werke, dessen Zweck es ist, das Ideal eines
Gesellschaftsmenschen festzustellen, erhält man zugleich ein Bild von dem geistigen
Gehalte des damaligen geselligen Lebens, wie es anmuthiger, liebenswürdiger
und farbenprächtiger kaum gedacht werden kann.

Castiglioncs Buch, ein classisches Muster italienischer Prosa, führt uns ein
in den Hof von Urbino, der sich bereits unter dem berühmten Herzog Federigo
da Montefeltro als Pflcgstätte idealer Bestrebungen eines reichlich verdienten
Rufes erfreute. Jener Federigo 1482), einer der angesehensten Heerführer,
die im Solde von Fürsten und Päpsten sich in den Kriegsunternehmungen des
15. Jahrhunderts hervorthaten, vergaß über dem rauhen Waffenhandwerk nie¬
mals den friedlichen Dienst der Musen, denen er seinen großartigen, noch heute
jeden Besucher mit Bewunderung erfüllenden Palast zum Tempel weihte. Die
kostbarsten und erlesensten Schätze waren darin aufgespeichert, antike Bildwerke
aus Marmor und Bronze, vorzügliche Gemälde, musikalische Instrumente aller
Art und außerdem eine für jene Zeit höchst ansehnliche Bibliothek, die luxuriös
ausgestattete lateinische, griechische und hebräische Bücher vereinigte. Und wie
der Herzog, dem geistige Genüsse dermaßen Bedürfniß waren, daß er sogar
während der Mahlzeit sich aus den alten Classikern vorlesen ließ, war seine
Gemahlin Battista Sforza, die Tochter jener bereits genannten Costanza Varano,
so ausgezeichnet durch treffliche Bildung, daß Pius II. bei ihrer Anwesenheit
in Rom entzückt von ihrer Rede sich dahin aussprach, daß es keine Frau in
ganz Italien gebe, die sich mit ihr an Gelehrsamkeit und Beredtsnnckeit ver¬
gleichen ließe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/370>, abgerufen am 15.01.2025.