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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienische" Renaissance.

als Rednerin producirte und sogar des Griechischen in dem Maße mächtig war,
daß sie es sprach, preist er auf Grund persönlicher Bekanntschaft mit ihr neben
andern Vorzügen besonders ihre Liebenswürdigkeit, ein Lob, in welches Firenzuola
einstimmt, indem er ihr das deutsch wörtlich kaum wiederzugebende Epitheton
sssutilö beilegt. Die Fertigkeit im Lautenspiel, welche die obenerwähnte Casscmdra
Fedele nach dem Zeugniß des Johannes Baptista Egnatius besaß, theilten mit
ihr die meisten Frauen ihrer Zeit, die auf höhere Bildung Anspruch erhoben.

Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß Erscheinungen wie die hier
berührten selbst in den bevorzugten Gesellschaftsklassen nicht die Regel bildeten,
sondern nur die höchste Stufe reprcisentiren, die einer Italienerin der Renaissance
auf humanistischer Grundlage erreichbar war. Daß sie auch von den Zeitge¬
nossen als etwas außergewöhnliches betrachtet wurde", läßt der Umstand erkennen,
daß man für sie eine stehende Bezeichnung, den Namen vir^go, hatte. Dieser
Ausdruck bedeutet nicht im entferntesten eine Herabsetzung wie sie in der wört¬
lichen Uebersetzung "Mannweib" liegt; er enthält vielmehr die Anerkennung
einer der weiblichen Durchschnittsnatur überlegenen Persönlichkeit, die sich in
erster Linie auf geistige Vorzüge gründet. Bisweilen dient das Wort allerdings
auch zur Bezeichnung eines muthigen, energischen Charakters, der das Weib
auch in der Sphäre des Handelns dein Manne nähert. In diesem Sinne findet
es sich z. B. gebraucht für Eleonora von Aragon, die Tochter Ferdinands und
Jsabellas von Neapel und Gattin des Herzogs Ercole von Ferrara, die mit
Klugheit, Frömmigkeit und Milde kühne Thatkraft und Entschlossenheit vereinigte.
Wenn ihr Gemahl durch das Waffenhandwerk ferngehalten war, so war sie es,
welche die Negierung mit starker Hand leitete; gerecht und leutselig gegen jeder¬
mann, wohlthätig und freigebig, stand sie so hoch da, daß sich selbst in dein so
schmähsüchtigen Zeitalter, wie ihr Biograph sagt, kein Tadel, keine Verleumdung
an sie heranwagte. Ihr höchster Genuß war der Umgang mit bedeutenden
Männern wie den Dichtern Bojardo, Francesco Ciecv und dem ältern Strozzi,
und die größte Sorgfalt verwandte sie auf die Erziehung ihrer Kinder, von
denen wir weiterhin Jsabella als eine begeisterte Freundin von Kunst und Wissen¬
schaft zu Mantua werden walten sehen. Und dieselbe Frau rettete durch ihre
Geistesgegenwart und Unerschrockenheit, während ihr Gatte krank darniederlag,
ihr Land vor dem Ansturm der Venezianer, indem sie durch eine markige An¬
sprache die Bürgerschaft zu tapferer Vertheidigung der heimischen Mauern ent¬
flammte. Noch stärkere Proben mannhaften Sinnes gab eine andre virile-,
Katarina Sforza, die Gräfin von Forli und Jmola, die, wie ein neuerer Ge¬
schichtschreiber mit Recht sagt, als Ideal jener heroischen Weiber Italiens gelten
kann, welche nicht nur in den romantischen Dichtungen Bojardvs und Arivsts,
sondern in der Wirklichkeit angetroffen wurden. Nachdem ihr herrschsüchtiger
und roher Gatte Girolamo Riario im Jahre 1488 als Opfer einer Verschwö¬
rung gefallen und sein Leichnam durch die Straßen Fortis geschleift worden


Die Frauen der italienische» Renaissance.

als Rednerin producirte und sogar des Griechischen in dem Maße mächtig war,
daß sie es sprach, preist er auf Grund persönlicher Bekanntschaft mit ihr neben
andern Vorzügen besonders ihre Liebenswürdigkeit, ein Lob, in welches Firenzuola
einstimmt, indem er ihr das deutsch wörtlich kaum wiederzugebende Epitheton
sssutilö beilegt. Die Fertigkeit im Lautenspiel, welche die obenerwähnte Casscmdra
Fedele nach dem Zeugniß des Johannes Baptista Egnatius besaß, theilten mit
ihr die meisten Frauen ihrer Zeit, die auf höhere Bildung Anspruch erhoben.

Es braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß Erscheinungen wie die hier
berührten selbst in den bevorzugten Gesellschaftsklassen nicht die Regel bildeten,
sondern nur die höchste Stufe reprcisentiren, die einer Italienerin der Renaissance
auf humanistischer Grundlage erreichbar war. Daß sie auch von den Zeitge¬
nossen als etwas außergewöhnliches betrachtet wurde», läßt der Umstand erkennen,
daß man für sie eine stehende Bezeichnung, den Namen vir^go, hatte. Dieser
Ausdruck bedeutet nicht im entferntesten eine Herabsetzung wie sie in der wört¬
lichen Uebersetzung „Mannweib" liegt; er enthält vielmehr die Anerkennung
einer der weiblichen Durchschnittsnatur überlegenen Persönlichkeit, die sich in
erster Linie auf geistige Vorzüge gründet. Bisweilen dient das Wort allerdings
auch zur Bezeichnung eines muthigen, energischen Charakters, der das Weib
auch in der Sphäre des Handelns dein Manne nähert. In diesem Sinne findet
es sich z. B. gebraucht für Eleonora von Aragon, die Tochter Ferdinands und
Jsabellas von Neapel und Gattin des Herzogs Ercole von Ferrara, die mit
Klugheit, Frömmigkeit und Milde kühne Thatkraft und Entschlossenheit vereinigte.
Wenn ihr Gemahl durch das Waffenhandwerk ferngehalten war, so war sie es,
welche die Negierung mit starker Hand leitete; gerecht und leutselig gegen jeder¬
mann, wohlthätig und freigebig, stand sie so hoch da, daß sich selbst in dein so
schmähsüchtigen Zeitalter, wie ihr Biograph sagt, kein Tadel, keine Verleumdung
an sie heranwagte. Ihr höchster Genuß war der Umgang mit bedeutenden
Männern wie den Dichtern Bojardo, Francesco Ciecv und dem ältern Strozzi,
und die größte Sorgfalt verwandte sie auf die Erziehung ihrer Kinder, von
denen wir weiterhin Jsabella als eine begeisterte Freundin von Kunst und Wissen¬
schaft zu Mantua werden walten sehen. Und dieselbe Frau rettete durch ihre
Geistesgegenwart und Unerschrockenheit, während ihr Gatte krank darniederlag,
ihr Land vor dem Ansturm der Venezianer, indem sie durch eine markige An¬
sprache die Bürgerschaft zu tapferer Vertheidigung der heimischen Mauern ent¬
flammte. Noch stärkere Proben mannhaften Sinnes gab eine andre virile-,
Katarina Sforza, die Gräfin von Forli und Jmola, die, wie ein neuerer Ge¬
schichtschreiber mit Recht sagt, als Ideal jener heroischen Weiber Italiens gelten
kann, welche nicht nur in den romantischen Dichtungen Bojardvs und Arivsts,
sondern in der Wirklichkeit angetroffen wurden. Nachdem ihr herrschsüchtiger
und roher Gatte Girolamo Riario im Jahre 1488 als Opfer einer Verschwö¬
rung gefallen und sein Leichnam durch die Straßen Fortis geschleift worden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/368>, abgerufen am 15.01.2025.