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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance.

Mantua mit einer wohlgesetzten lateinischen Ansprache begrüßt habe, und von
Battista Montefeltro. der Gattin des Galeazzo Malatesta. erzählt derselbe Ge¬
währsmann, daß sie Papst Martin und König Sigismund lateinisch hnranguirte
und lebhafteste Anerkennung dafür erntete. Die schöne Costanza Varano, Ge¬
mahlin des Alessandro Sforza von Pesaro, die täglich Ciceros und Seneeas
Schriften wie die christlichen Kirchenväter las und lateinische Hexameter und
Distichen zu componiren verstand, besaß auch die Gabe der Improvisation in
gebundener und ungebundener Rede. Auch die Veroneserin Jsvtta Nugarvla
(-f 1466), die selbst in Theologie und Philosophie gründlich bewandert war und
bei den Päpsten Nicolaus V. und Pius II. mit ihren Schriften lauten Beifall
fand, erfreute sich hohen Ruhmes wegen ihres rednerischen Talentes; sie blieb
unvcrmcihlt, obwohl sie, wie berichtet wird, von bedeutenden Männern umfreit
worden war. Daß jedoch dergleichen gelehrte Beschäftigungen, wie man viel¬
leicht aus dieser Thatsache zu schließen geneigt sein könnte, die Frauen, die sich
ihnen Hingaben, in den Augen der Welt keineswegs zu dem machte, was man
heutzutage Blaustrumpf nennt, geht aus dem achtungsvollen, ja oft enthusiastischen
Ton hervor, in welchem die Zeitgenossen von ihnen reden. Nirgends begegnet
man einer Andeutung, daß die Leistungen einer Frau als solche geringer sein
müßten als die eines Mannes. Selbst ein erklärter Misogyn wie Clmidio To-
lvmei von Siena stellt seiner Landsmännin Onorata Pecei das Zeugniß aus,
sie verstehe über die verborgensten Gegenstände der Philosophie in einer Weise
zu sprechen, daß die vornehmsten Geister sich darüber verwunderten und freuten.
Jenes in neuerer Zeit verbreitete Vorurtheil, daß eine ernsten geistigen Dingen
obliegende Frau nothwendigerweise den Reiz der Weiblichkeit einbüße, scheint
während der Renaissance, soweit sich aus der gleichzeitigen Literatur schließen
läßt, nicht vorhanden gewesen zu sein, und zwar vermuthlich deshalb nicht, weil
jene Frauen die Gefahren zu umgehen wußten, die mit wissenschaftlicher Arbeit
verbunden sind, indem sie sich in ihrem persönlichen Auftreten von jedem pedan¬
tischen und prätentiösen Anflug freizuhalten, ein anmuthiges, gefälliges Wesen
mit gediegenem Wissen zu vereine" verstanden. Verbindet man im Norden mit
dem Begriff einer gelehrten oder -- was höchst unberechtigter Weise so oft
identificirt wird -- einer schriftstellernden Frau unwillkürlich die Vorstellung
eines von den Grazien nicht eben verschwenderisch bedachten Wesens, so findet
man dagegen bei italienischen Autoren des vierzehnten und fünfzehnten Jahr¬
hunderts gerade den Liebreiz , die Schönheit vieler hochgebildeter Frauen aus¬
drücklich hervorgehoben. So rühmt der mehrfach citirte Jacob von Bergamo
an der Venezianerin Cnssandra Fedele. daß sie, bei ihrem reichen Wissen be¬
scheiden und schamhaft, durch die Anmuth ihrer Stimme und ihrer Bewegungen
die Hörer zur Bewunderung hinriß, wenn sie im Gymnasium zu Pcidua über
gelehrte Themata disputirte. Und an der Mailänderin Damisella Trivnlzia
(1- 1479), die sich schon als zwölfjähriges Kind unter größtem Beifall öffentlich


Die Frauen der italienischen Renaissance.

Mantua mit einer wohlgesetzten lateinischen Ansprache begrüßt habe, und von
Battista Montefeltro. der Gattin des Galeazzo Malatesta. erzählt derselbe Ge¬
währsmann, daß sie Papst Martin und König Sigismund lateinisch hnranguirte
und lebhafteste Anerkennung dafür erntete. Die schöne Costanza Varano, Ge¬
mahlin des Alessandro Sforza von Pesaro, die täglich Ciceros und Seneeas
Schriften wie die christlichen Kirchenväter las und lateinische Hexameter und
Distichen zu componiren verstand, besaß auch die Gabe der Improvisation in
gebundener und ungebundener Rede. Auch die Veroneserin Jsvtta Nugarvla
(-f 1466), die selbst in Theologie und Philosophie gründlich bewandert war und
bei den Päpsten Nicolaus V. und Pius II. mit ihren Schriften lauten Beifall
fand, erfreute sich hohen Ruhmes wegen ihres rednerischen Talentes; sie blieb
unvcrmcihlt, obwohl sie, wie berichtet wird, von bedeutenden Männern umfreit
worden war. Daß jedoch dergleichen gelehrte Beschäftigungen, wie man viel¬
leicht aus dieser Thatsache zu schließen geneigt sein könnte, die Frauen, die sich
ihnen Hingaben, in den Augen der Welt keineswegs zu dem machte, was man
heutzutage Blaustrumpf nennt, geht aus dem achtungsvollen, ja oft enthusiastischen
Ton hervor, in welchem die Zeitgenossen von ihnen reden. Nirgends begegnet
man einer Andeutung, daß die Leistungen einer Frau als solche geringer sein
müßten als die eines Mannes. Selbst ein erklärter Misogyn wie Clmidio To-
lvmei von Siena stellt seiner Landsmännin Onorata Pecei das Zeugniß aus,
sie verstehe über die verborgensten Gegenstände der Philosophie in einer Weise
zu sprechen, daß die vornehmsten Geister sich darüber verwunderten und freuten.
Jenes in neuerer Zeit verbreitete Vorurtheil, daß eine ernsten geistigen Dingen
obliegende Frau nothwendigerweise den Reiz der Weiblichkeit einbüße, scheint
während der Renaissance, soweit sich aus der gleichzeitigen Literatur schließen
läßt, nicht vorhanden gewesen zu sein, und zwar vermuthlich deshalb nicht, weil
jene Frauen die Gefahren zu umgehen wußten, die mit wissenschaftlicher Arbeit
verbunden sind, indem sie sich in ihrem persönlichen Auftreten von jedem pedan¬
tischen und prätentiösen Anflug freizuhalten, ein anmuthiges, gefälliges Wesen
mit gediegenem Wissen zu vereine» verstanden. Verbindet man im Norden mit
dem Begriff einer gelehrten oder — was höchst unberechtigter Weise so oft
identificirt wird — einer schriftstellernden Frau unwillkürlich die Vorstellung
eines von den Grazien nicht eben verschwenderisch bedachten Wesens, so findet
man dagegen bei italienischen Autoren des vierzehnten und fünfzehnten Jahr¬
hunderts gerade den Liebreiz , die Schönheit vieler hochgebildeter Frauen aus¬
drücklich hervorgehoben. So rühmt der mehrfach citirte Jacob von Bergamo
an der Venezianerin Cnssandra Fedele. daß sie, bei ihrem reichen Wissen be¬
scheiden und schamhaft, durch die Anmuth ihrer Stimme und ihrer Bewegungen
die Hörer zur Bewunderung hinriß, wenn sie im Gymnasium zu Pcidua über
gelehrte Themata disputirte. Und an der Mailänderin Damisella Trivnlzia
(1- 1479), die sich schon als zwölfjähriges Kind unter größtem Beifall öffentlich


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[0367] Die Frauen der italienischen Renaissance. Mantua mit einer wohlgesetzten lateinischen Ansprache begrüßt habe, und von Battista Montefeltro. der Gattin des Galeazzo Malatesta. erzählt derselbe Ge¬ währsmann, daß sie Papst Martin und König Sigismund lateinisch hnranguirte und lebhafteste Anerkennung dafür erntete. Die schöne Costanza Varano, Ge¬ mahlin des Alessandro Sforza von Pesaro, die täglich Ciceros und Seneeas Schriften wie die christlichen Kirchenväter las und lateinische Hexameter und Distichen zu componiren verstand, besaß auch die Gabe der Improvisation in gebundener und ungebundener Rede. Auch die Veroneserin Jsvtta Nugarvla (-f 1466), die selbst in Theologie und Philosophie gründlich bewandert war und bei den Päpsten Nicolaus V. und Pius II. mit ihren Schriften lauten Beifall fand, erfreute sich hohen Ruhmes wegen ihres rednerischen Talentes; sie blieb unvcrmcihlt, obwohl sie, wie berichtet wird, von bedeutenden Männern umfreit worden war. Daß jedoch dergleichen gelehrte Beschäftigungen, wie man viel¬ leicht aus dieser Thatsache zu schließen geneigt sein könnte, die Frauen, die sich ihnen Hingaben, in den Augen der Welt keineswegs zu dem machte, was man heutzutage Blaustrumpf nennt, geht aus dem achtungsvollen, ja oft enthusiastischen Ton hervor, in welchem die Zeitgenossen von ihnen reden. Nirgends begegnet man einer Andeutung, daß die Leistungen einer Frau als solche geringer sein müßten als die eines Mannes. Selbst ein erklärter Misogyn wie Clmidio To- lvmei von Siena stellt seiner Landsmännin Onorata Pecei das Zeugniß aus, sie verstehe über die verborgensten Gegenstände der Philosophie in einer Weise zu sprechen, daß die vornehmsten Geister sich darüber verwunderten und freuten. Jenes in neuerer Zeit verbreitete Vorurtheil, daß eine ernsten geistigen Dingen obliegende Frau nothwendigerweise den Reiz der Weiblichkeit einbüße, scheint während der Renaissance, soweit sich aus der gleichzeitigen Literatur schließen läßt, nicht vorhanden gewesen zu sein, und zwar vermuthlich deshalb nicht, weil jene Frauen die Gefahren zu umgehen wußten, die mit wissenschaftlicher Arbeit verbunden sind, indem sie sich in ihrem persönlichen Auftreten von jedem pedan¬ tischen und prätentiösen Anflug freizuhalten, ein anmuthiges, gefälliges Wesen mit gediegenem Wissen zu vereine» verstanden. Verbindet man im Norden mit dem Begriff einer gelehrten oder — was höchst unberechtigter Weise so oft identificirt wird — einer schriftstellernden Frau unwillkürlich die Vorstellung eines von den Grazien nicht eben verschwenderisch bedachten Wesens, so findet man dagegen bei italienischen Autoren des vierzehnten und fünfzehnten Jahr¬ hunderts gerade den Liebreiz , die Schönheit vieler hochgebildeter Frauen aus¬ drücklich hervorgehoben. So rühmt der mehrfach citirte Jacob von Bergamo an der Venezianerin Cnssandra Fedele. daß sie, bei ihrem reichen Wissen be¬ scheiden und schamhaft, durch die Anmuth ihrer Stimme und ihrer Bewegungen die Hörer zur Bewunderung hinriß, wenn sie im Gymnasium zu Pcidua über gelehrte Themata disputirte. Und an der Mailänderin Damisella Trivnlzia (1- 1479), die sich schon als zwölfjähriges Kind unter größtem Beifall öffentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/367>, abgerufen am 15.01.2025.