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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Die Frauen der italienischen Renaissance,

Schon im 15. Jahrhundert hatte der Augustinermönch Jcicobus von Bergamo
ein umfangreiches Buch über berühmte Frauen veröffentlicht*) und darin rede"
Vertreterinnen des Alterthums auch eine Reihe hervorragender italienischer Frauen
in mehr oder weniger ausführlichen Biographien behandelt. Besonders häufig
wurden Schriften ähnlicher Tendenz im Laufe des nächsten Jahrhunderts, an
dessen Eingang Benedetto da Cesena einen Tractat of ncmors mulisrnm (Ve¬
nedig 1500) herausgab; daran schließen sich, um nur das Wichtigste anzuführen,
der LortiMno Castigliones und Bembvs ^sol-un, zwei Werke, auf die wir noch
näher einzugehen haben werden, und verschiedene Schriften des Agnolo Firenzuola,
des Abtes von Vallombrosa, der mit besondrer Vorliebe die Sache der Frauen
verfocht; in einem Schreiben, welches er an einen Gegner derselben, den Seuchen
Claudio Tolomci richtete (üxistolil in tous MIs äonns), stellt er die Ansicht
auf, daß die Seelenkräfte der Frau, da sie ebensowohl wie die des Mannes
von Gott herkommen, nothwendigerweise auch dieselben Wirkungen hervorbringen
müßten, und führt zum Beweise ihrer geistigen Ebenbürtigkeit Beispiele aus dem
Alterthume, wie Sappho, Corinna, Aspasia, und aus der neuern Zeit ins Feld.
Und in der Einleitung zu jenem Dialog, in dem das Wesen der weiblichen
Schönheit ausführlich definirt wird,**) sagt er zu den Prateserinnen, denen er
das Werk widmet: "Wenn, meine schönen Frauen, diese Bösen, eure wie meine
Feinde, behaupten, daß ich übles von euch geredet habe, so erwiedert ihnen das,
was ich alle Tage zu sagen Pflege, daß nämlich derjenige, der durch Wort und
That oder auch nur in Gedanken der geringsten Frau die geringste Beleidigung
zufügt, nicht ein Mensch ist, sondern ein unvernünftiges Wesen, das heißt ein
Thier."

Schärfer uoch als Firenzuola weist Baldassare Castiglione im dritte" Buche
seines LortiAiimo durch den Mund des Giuliano de' Medici die Ansicht zurück,
daß das Weib von Natur unvollkommener als der Mann sei. Wie ein Fels
-- so lautet seine Argumentation -- seiner Substanz nach nicht vollkommener sein
kann als ein andrer Fels oder ein Baum vollkommener als ein andrer Baum,
so kann ein Mensch seiner formalen Substanz nach nicht vollkommener sein als
ein andrer; ihre Verschiedenheiten können nur aceidentielle sein, nicht essentielle.
Die größere Körperstärke des Mannes ist kein Beweis für seine größere Voll¬
kommenheit, denn unter den Männern selbst sind diejenigen, welche diese Eigen¬
schaft in höherem Grade als andre besitzen, deshalb keineswegs mehr geachtet.
Geistige Dinge aber, welche die Männer verstehen, sind auch dem weiblichen
Fassungsvermögen zugänglich. Gegen den EinWurf, daß der höhere Werth des
Mannes durch den Wunsch der Frauen bewiesen werde, Männer zu sein, wird
geltend gemacht, daß bloß nichtsnutzige Weiber (cloims mssoliins) dieses Ver-




*) of xwrimis oliu-is MootisHns mnlisrilms, Frrrara 1497.
**) öl-üoso teils dollMüs actis äonns. Oxsrs vol. I, Mailand 1302,
Die Frauen der italienischen Renaissance,

Schon im 15. Jahrhundert hatte der Augustinermönch Jcicobus von Bergamo
ein umfangreiches Buch über berühmte Frauen veröffentlicht*) und darin rede»
Vertreterinnen des Alterthums auch eine Reihe hervorragender italienischer Frauen
in mehr oder weniger ausführlichen Biographien behandelt. Besonders häufig
wurden Schriften ähnlicher Tendenz im Laufe des nächsten Jahrhunderts, an
dessen Eingang Benedetto da Cesena einen Tractat of ncmors mulisrnm (Ve¬
nedig 1500) herausgab; daran schließen sich, um nur das Wichtigste anzuführen,
der LortiMno Castigliones und Bembvs ^sol-un, zwei Werke, auf die wir noch
näher einzugehen haben werden, und verschiedene Schriften des Agnolo Firenzuola,
des Abtes von Vallombrosa, der mit besondrer Vorliebe die Sache der Frauen
verfocht; in einem Schreiben, welches er an einen Gegner derselben, den Seuchen
Claudio Tolomci richtete (üxistolil in tous MIs äonns), stellt er die Ansicht
auf, daß die Seelenkräfte der Frau, da sie ebensowohl wie die des Mannes
von Gott herkommen, nothwendigerweise auch dieselben Wirkungen hervorbringen
müßten, und führt zum Beweise ihrer geistigen Ebenbürtigkeit Beispiele aus dem
Alterthume, wie Sappho, Corinna, Aspasia, und aus der neuern Zeit ins Feld.
Und in der Einleitung zu jenem Dialog, in dem das Wesen der weiblichen
Schönheit ausführlich definirt wird,**) sagt er zu den Prateserinnen, denen er
das Werk widmet: „Wenn, meine schönen Frauen, diese Bösen, eure wie meine
Feinde, behaupten, daß ich übles von euch geredet habe, so erwiedert ihnen das,
was ich alle Tage zu sagen Pflege, daß nämlich derjenige, der durch Wort und
That oder auch nur in Gedanken der geringsten Frau die geringste Beleidigung
zufügt, nicht ein Mensch ist, sondern ein unvernünftiges Wesen, das heißt ein
Thier."

Schärfer uoch als Firenzuola weist Baldassare Castiglione im dritte» Buche
seines LortiAiimo durch den Mund des Giuliano de' Medici die Ansicht zurück,
daß das Weib von Natur unvollkommener als der Mann sei. Wie ein Fels
— so lautet seine Argumentation — seiner Substanz nach nicht vollkommener sein
kann als ein andrer Fels oder ein Baum vollkommener als ein andrer Baum,
so kann ein Mensch seiner formalen Substanz nach nicht vollkommener sein als
ein andrer; ihre Verschiedenheiten können nur aceidentielle sein, nicht essentielle.
Die größere Körperstärke des Mannes ist kein Beweis für seine größere Voll¬
kommenheit, denn unter den Männern selbst sind diejenigen, welche diese Eigen¬
schaft in höherem Grade als andre besitzen, deshalb keineswegs mehr geachtet.
Geistige Dinge aber, welche die Männer verstehen, sind auch dem weiblichen
Fassungsvermögen zugänglich. Gegen den EinWurf, daß der höhere Werth des
Mannes durch den Wunsch der Frauen bewiesen werde, Männer zu sein, wird
geltend gemacht, daß bloß nichtsnutzige Weiber (cloims mssoliins) dieses Ver-




*) of xwrimis oliu-is MootisHns mnlisrilms, Frrrara 1497.
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[0364] Die Frauen der italienischen Renaissance, Schon im 15. Jahrhundert hatte der Augustinermönch Jcicobus von Bergamo ein umfangreiches Buch über berühmte Frauen veröffentlicht*) und darin rede» Vertreterinnen des Alterthums auch eine Reihe hervorragender italienischer Frauen in mehr oder weniger ausführlichen Biographien behandelt. Besonders häufig wurden Schriften ähnlicher Tendenz im Laufe des nächsten Jahrhunderts, an dessen Eingang Benedetto da Cesena einen Tractat of ncmors mulisrnm (Ve¬ nedig 1500) herausgab; daran schließen sich, um nur das Wichtigste anzuführen, der LortiMno Castigliones und Bembvs ^sol-un, zwei Werke, auf die wir noch näher einzugehen haben werden, und verschiedene Schriften des Agnolo Firenzuola, des Abtes von Vallombrosa, der mit besondrer Vorliebe die Sache der Frauen verfocht; in einem Schreiben, welches er an einen Gegner derselben, den Seuchen Claudio Tolomci richtete (üxistolil in tous MIs äonns), stellt er die Ansicht auf, daß die Seelenkräfte der Frau, da sie ebensowohl wie die des Mannes von Gott herkommen, nothwendigerweise auch dieselben Wirkungen hervorbringen müßten, und führt zum Beweise ihrer geistigen Ebenbürtigkeit Beispiele aus dem Alterthume, wie Sappho, Corinna, Aspasia, und aus der neuern Zeit ins Feld. Und in der Einleitung zu jenem Dialog, in dem das Wesen der weiblichen Schönheit ausführlich definirt wird,**) sagt er zu den Prateserinnen, denen er das Werk widmet: „Wenn, meine schönen Frauen, diese Bösen, eure wie meine Feinde, behaupten, daß ich übles von euch geredet habe, so erwiedert ihnen das, was ich alle Tage zu sagen Pflege, daß nämlich derjenige, der durch Wort und That oder auch nur in Gedanken der geringsten Frau die geringste Beleidigung zufügt, nicht ein Mensch ist, sondern ein unvernünftiges Wesen, das heißt ein Thier." Schärfer uoch als Firenzuola weist Baldassare Castiglione im dritte» Buche seines LortiAiimo durch den Mund des Giuliano de' Medici die Ansicht zurück, daß das Weib von Natur unvollkommener als der Mann sei. Wie ein Fels — so lautet seine Argumentation — seiner Substanz nach nicht vollkommener sein kann als ein andrer Fels oder ein Baum vollkommener als ein andrer Baum, so kann ein Mensch seiner formalen Substanz nach nicht vollkommener sein als ein andrer; ihre Verschiedenheiten können nur aceidentielle sein, nicht essentielle. Die größere Körperstärke des Mannes ist kein Beweis für seine größere Voll¬ kommenheit, denn unter den Männern selbst sind diejenigen, welche diese Eigen¬ schaft in höherem Grade als andre besitzen, deshalb keineswegs mehr geachtet. Geistige Dinge aber, welche die Männer verstehen, sind auch dem weiblichen Fassungsvermögen zugänglich. Gegen den EinWurf, daß der höhere Werth des Mannes durch den Wunsch der Frauen bewiesen werde, Männer zu sein, wird geltend gemacht, daß bloß nichtsnutzige Weiber (cloims mssoliins) dieses Ver- *) of xwrimis oliu-is MootisHns mnlisrilms, Frrrara 1497. **) öl-üoso teils dollMüs actis äonns. Oxsrs vol. I, Mailand 1302,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/364>, abgerufen am 15.01.2025.