Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Karl der Aweite, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Braun dem Benehmen des Generalleutnants von Herzberg, des Befehlshabers v. Bursicm a. a. O. S. 119.
Karl der Aweite, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg, Braun dem Benehmen des Generalleutnants von Herzberg, des Befehlshabers v. Bursicm a. a. O. S. 119.
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Karl der Aweite, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg,
Braun dem Benehmen des Generalleutnants von Herzberg, des Befehlshabers
der Truppen, zu Theil werden läßt. Als der Herzog vor dem Andringen der
Aufrührer sich feige zur Flucht bereitete, vertraute er das Schloß dem Schutze
des Generalleutnants von Herzberg an. Dieser that nichts, das ehrwürdige
Gebäude zu retten, das reiche Kunst- und Bücherschätze, werthvolle Regierungs¬
acten, vor allem erst seit wenigen Stunden das bisher im Stifte Se. Blasii
verwahrte, unschätzbare gemeinschaftliche Archiv des durchlauchtigsten Gesammt-
hauses enthielt. Er verließ den Ort der Gefahr, um sich mit dem Stadtdircctvr
Bode zu besprechen; er befahl den Rückzug der Soldaten, die nur mit ver¬
haltenem Ingrimm seinem Befehle Folge leisteten. Das Schloß gab er, ohne
Widerstand auch nnr versucht zu haben, den Empörern zur Brandstiftung und
Plünderung preis. Nicht einmal eine blinde Salve ließ er in die tobende
Menge feuern; kein einziges Menschenleben ist erwiesenermaßen bei dem ganzen
Aufstau^" zu Grunde gegangen.*) Mögen auch nur menschenfreundliche Be¬
weggründe den General von entschiedenen Schritten zurückgehalten haben, die
Pflicht und die Soldatenehre hätten gebieterisch von seiner Seite ein energisches
Handeln gefordert, das auch bei der geringen Truppenzahl, die ihm zeitweise
nur zur Verfügung stand, zweifellos von Erfolg gewesen wäre. Doch stelle
man sich auf den weitherzigen Standpunkt, den Braun pflichtvergessenen Sol¬
daten gegenüber einzunehmen scheint, gebe man zu, daß dem Generale das Ge¬
wissen nicht gestattet habe, für die Sache dieses Herzogs Bürgerblut zu ver¬
gießen, so trifft ihn dennoch eine schwere Schuld, daß er den Grüueln der
Verwüstung im Schlosse keinen Einhalt that, daß er den wüsten Pöbelrotten
bei ihren wilden Ausschweifungen völlig die Zügel schießen ließ. Ein werth¬
volles Gebäude ward dadurch von Grund aus vernichtet; unzählige Kostbar¬
keiten wurden zerstört oder verschleppt. Welch ein Verlust ist durch diesen argen
Unfug nicht allein der Geschichtschreibung, speciell der braunschweigischen, zu¬
gefügt worden. Braun rechnet sich ja auch zu diesen Geschichtschreibern, aber
er verliert über alles dies kein Wort. Mit einem jener kläglichen Witze, die
er sich niemals versagen zu können scheint, fertigt er die ganzen empörenden
Ereignisse ab, die für das spätere Geschick des Herzogs von größter Bedeutung,
vielleicht ausschlaggebend waren. Er führt den Ausspruch eines Nassau-Usin-
gischen Soldaten an, der vor dem Anrücken der Franzosen aus der Festung
Mainz elend ausreißt und seine feige Flucht damit entschuldigt: „Was brauche
ich mich zu schämen oder gar mich todt schießen zu lassen, wenn der schlechte
Pfaffe selber davon läuft." So wird gewiß im gegebenen Falle ein erbärm¬
licher Feigling sprechen und handeln; wer aber auch nur einen Funken mili¬
tärischen Ehrgefühls im Leibe hat, wird solche Gesinnung von Grund aus ver¬
achten. Die treffenden Worte Brauns (S. 39) über den Vorzug militärischer
v. Bursicm a. a. O. S. 119.
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