Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.daß er das Lessingsche Trinklied "Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben." anstatt Welch naives Machwerk auf diese Weise entstanden ist, hat der Leser ge¬ Braunschweigcrmuhme ist ein gutes Bier, Beiläufig: Die Brauuschweigermuhme (anstatt Mumme) findet sich zweimal im Gebrannten Geist? Ja wohl, der Geist ist brennend! daß er das Lessingsche Trinklied „Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben." anstatt Welch naives Machwerk auf diese Weise entstanden ist, hat der Leser ge¬ Braunschweigcrmuhme ist ein gutes Bier, Beiläufig: Die Brauuschweigermuhme (anstatt Mumme) findet sich zweimal im Gebrannten Geist? Ja wohl, der Geist ist brennend! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151001"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_932" prev="#ID_931"> daß er das Lessingsche Trinklied „Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben." anstatt<lb/> es in Lessings Gedichten aufzuschlagen, in der greulich verballhornten Form<lb/> mittheilt, wie es in den studentischen Commersbüchern steht!</p><lb/> <p xml:id="ID_933" next="#ID_934"> Welch naives Machwerk auf diese Weise entstanden ist, hat der Leser ge¬<lb/> sehen. Die Hälfte des Stückes hat überhaupt keine Handlung, Ganze Strecken<lb/> werden ausgefüllt durch bloßes Gerede, welches die austretenden Personen nicht<lb/> sowohl an einander — denn ihnen müssen das ja alles bekannte Dinge sein —<lb/> als an uns, die Zuhörer, adressiren. Die Handlung aber, die sich wirklich aus<lb/> dem Stücke Herausscheiden läßt, ist läppisch und voller Unwahrscheinlichsten.<lb/> Die Charaktere sind bloße Skizzen und zum Theil unangenehm verzeichnet. Aus<lb/> dem alten Pastor, der ein strenger, unbeugsamer Zelot war, ist ein pathetischer<lb/> Theatervater geworden, Lessing selbst würde sich im Grabe umdrehen, wenn er<lb/> den unklaren Phrasenschwall läse, der ihm hier in den Mund gelegt ist, und<lb/> Mhlius scheint nur dazu da zu sein, um die krampfhafte Bewunderung für den<lb/> jungen Lessing, in welche der Zuhörer versetzt werden soll, ihm vorzumachen.<lb/> An Dämon ist vor allem der Name wunderlich. Bei Lessing im „Jungen Ge¬<lb/> lehrten" heißt der Träger der Titelrolle Damis (nach den Lorinons inäisorsts<lb/> des Marivaux). Bekanntlich entlehnte Lessing in seinen Jugendtraum, in denen<lb/> er noch auf französischem Boden steht, nach französischem Vorgange selbst die<lb/> Namen vielfach dem Alterthume. Herr Keim wollte uns jedenfalls mit seinem<lb/> Dämon recht lebendig in die Zeit versetzen, die Lessing hat zu Grabe tragen<lb/> helfen. Aber wurden denn die Leute damals im Leben mit antiken Namen ge¬<lb/> nannt? Im Lustspiel hießen sie Adrast, Thcophcm, Dämon, Valer, Leander,<lb/> im Leben aber Friedrich, Johann, Gottfried, Christoph, allerhöchstens Thomas<lb/> oder Zacharias. Was ist dieser Dämon aber auch sür ein lahmer Geselle!<lb/> Lessings Damis ist ein Ausbund von Geist gegen ihn. Leider fehlt es freilich<lb/> dem ganzen „Lustspiel" an dem nöthigen Witz. Auf zwei Seiten von Lessings<lb/> „Jungen Gelehrten" ist mehr wirklicher Witz zu finden als in dem ganzen<lb/> „Meisterschüler." So oft die Leute mit einander scherzen wollen, verfallen sie<lb/> in Kalauer. Die Mutter sagt: „Mach heiß den Thee, die Post wird sogleich<lb/> kommen" (inCzernowitz scheint man sogleich zu betonen). Was antwortet Justine?<lb/> „O, er verbrennt sich früh genug den Mund." Wie paßt das überhaupt hier¬<lb/> her? Was heißt denn „sich den Mund verbrennen?" Ein andermal sagt Cantor<lb/> Fuchs zu Dämon:</p><lb/> <quote> Braunschweigcrmuhme ist ein gutes Bier,<lb/> Ein Gläschen Rheinwein, rothen oder weißen,<lb/> Vielleicht ein Tröpfchen von gebranntem Geist?</quote><lb/> <p xml:id="ID_934" prev="#ID_933" next="#ID_935"> Beiläufig: Die Brauuschweigermuhme (anstatt Mumme) findet sich zweimal im<lb/> Texte; solchen Unsinn stehen zu lassen, ist doch eine einfache Correetorbvsheit.<lb/> Was entgegnet aber Dämon wieder?</p><lb/> <quote> Gebrannten Geist? Ja wohl, der Geist ist brennend!<lb/> Allein mein Durst ist nicht von dieser Welt.</quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
daß er das Lessingsche Trinklied „Gestern, Brüder, könnt ihr's glauben." anstatt
es in Lessings Gedichten aufzuschlagen, in der greulich verballhornten Form
mittheilt, wie es in den studentischen Commersbüchern steht!
Welch naives Machwerk auf diese Weise entstanden ist, hat der Leser ge¬
sehen. Die Hälfte des Stückes hat überhaupt keine Handlung, Ganze Strecken
werden ausgefüllt durch bloßes Gerede, welches die austretenden Personen nicht
sowohl an einander — denn ihnen müssen das ja alles bekannte Dinge sein —
als an uns, die Zuhörer, adressiren. Die Handlung aber, die sich wirklich aus
dem Stücke Herausscheiden läßt, ist läppisch und voller Unwahrscheinlichsten.
Die Charaktere sind bloße Skizzen und zum Theil unangenehm verzeichnet. Aus
dem alten Pastor, der ein strenger, unbeugsamer Zelot war, ist ein pathetischer
Theatervater geworden, Lessing selbst würde sich im Grabe umdrehen, wenn er
den unklaren Phrasenschwall läse, der ihm hier in den Mund gelegt ist, und
Mhlius scheint nur dazu da zu sein, um die krampfhafte Bewunderung für den
jungen Lessing, in welche der Zuhörer versetzt werden soll, ihm vorzumachen.
An Dämon ist vor allem der Name wunderlich. Bei Lessing im „Jungen Ge¬
lehrten" heißt der Träger der Titelrolle Damis (nach den Lorinons inäisorsts
des Marivaux). Bekanntlich entlehnte Lessing in seinen Jugendtraum, in denen
er noch auf französischem Boden steht, nach französischem Vorgange selbst die
Namen vielfach dem Alterthume. Herr Keim wollte uns jedenfalls mit seinem
Dämon recht lebendig in die Zeit versetzen, die Lessing hat zu Grabe tragen
helfen. Aber wurden denn die Leute damals im Leben mit antiken Namen ge¬
nannt? Im Lustspiel hießen sie Adrast, Thcophcm, Dämon, Valer, Leander,
im Leben aber Friedrich, Johann, Gottfried, Christoph, allerhöchstens Thomas
oder Zacharias. Was ist dieser Dämon aber auch sür ein lahmer Geselle!
Lessings Damis ist ein Ausbund von Geist gegen ihn. Leider fehlt es freilich
dem ganzen „Lustspiel" an dem nöthigen Witz. Auf zwei Seiten von Lessings
„Jungen Gelehrten" ist mehr wirklicher Witz zu finden als in dem ganzen
„Meisterschüler." So oft die Leute mit einander scherzen wollen, verfallen sie
in Kalauer. Die Mutter sagt: „Mach heiß den Thee, die Post wird sogleich
kommen" (inCzernowitz scheint man sogleich zu betonen). Was antwortet Justine?
„O, er verbrennt sich früh genug den Mund." Wie paßt das überhaupt hier¬
her? Was heißt denn „sich den Mund verbrennen?" Ein andermal sagt Cantor
Fuchs zu Dämon:
Braunschweigcrmuhme ist ein gutes Bier,
Ein Gläschen Rheinwein, rothen oder weißen,
Vielleicht ein Tröpfchen von gebranntem Geist?
Beiläufig: Die Brauuschweigermuhme (anstatt Mumme) findet sich zweimal im
Texte; solchen Unsinn stehen zu lassen, ist doch eine einfache Correetorbvsheit.
Was entgegnet aber Dämon wieder?
Gebrannten Geist? Ja wohl, der Geist ist brennend!
Allein mein Durst ist nicht von dieser Welt.
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