Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Gin nationales Biihncnspicl. Je weniger aber das Stück an feinem Witz aufzuweisen hat, desto breiter Und zu alledem nun dieses Deutsch, und diese Verse! Der Dialog ist den Schneeball, Und wer soll Verse wie "Der junge Gelehrte." Copie nach dein Leben oder Ein jeder wahre Dichter heißt "Corinlanns" oder Hurrah sonst -- Hurrah hoch! Der edle Lessing lebe! als fünffüßige Jamben sprechen? An Druckfehler ist wohl in keinem der hier Aber thun wir dem harmlosen Gelegenheitsstttcke nicht bittres Unrecht an, Gin nationales Biihncnspicl. Je weniger aber das Stück an feinem Witz aufzuweisen hat, desto breiter Und zu alledem nun dieses Deutsch, und diese Verse! Der Dialog ist den Schneeball, Und wer soll Verse wie „Der junge Gelehrte." Copie nach dein Leben oder Ein jeder wahre Dichter heißt „Corinlanns" oder Hurrah sonst — Hurrah hoch! Der edle Lessing lebe! als fünffüßige Jamben sprechen? An Druckfehler ist wohl in keinem der hier Aber thun wir dem harmlosen Gelegenheitsstttcke nicht bittres Unrecht an, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/151002"/> <fw type="header" place="top"> Gin nationales Biihncnspicl.</fw><lb/> <p xml:id="ID_935" prev="#ID_934"> Je weniger aber das Stück an feinem Witz aufzuweisen hat, desto breiter<lb/> macht sich die ordinäre Tendenz; sie ist, wie schon aus den oben angeführten<lb/> ungeschickten Prophezeiungen ersichtlich ist, faustdick aufgetragen. Ohne Tendenz,<lb/> ohne Hindeutungen auf die weitere Entwicklung des Gefeierten ist nun freilich<lb/> ein solches Stück nicht denkbar; auch in Laubes „Karlsschülern," im „Königs-<lb/> lcutnant" Gutzkows — auf den Herr Keim im Vorwort einen verschämten Seiten¬<lb/> blick wirft und mit dem er wohl am Ende gar verglichen sein möchte? — fehlt<lb/> es nicht an Tendenzstellen, und niemand wird dem Dichter eines Gelegenheits¬<lb/> stückes dergleichen verübeln. Es kommt nur darauf an, wie's gemacht wird,<lb/> und hier im „Meisterschüler" ist es eben herzlich plump gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_936" next="#ID_937"> Und zu alledem nun dieses Deutsch, und diese Verse! Der Dialog ist<lb/> völlig unausgeglichen. Er schwankt fortwährend zwischen schwungvoller Diction,<lb/> in der man gelegentlich über Anklänge an bekannte Stellen aus Goethe und<lb/> Schiller stolpert, und banaler Alltagssprache, die im Jambentact sich wunderlich<lb/> genug ausnimmt. Aber wenn es das nur wäre. Nein, der Ausdruck wimmelt<lb/> geradezu von sprachlichen Verstößen, für welche die poetische Licenz schlechter¬<lb/> dings nicht als Entschuldigung gelten kann. Wer die oben citirten längeren<lb/> Stellen aufmerksam gelesen hat, dem werden Wendungen aufgefallen sein, die<lb/> in der That nicht klingen, als ob sie ein Deutscher, sondern ein „deutsches<lb/> Bruder unsriges" geschrieben hätte. Aber auch in den übrigen Partien trifft<lb/> man fortwährend auf Steine des Anstoßes. Ist es deutsch, zu schreiben: „Wir<lb/> gemeine Geister" (vgl. auch oben S. 270 „wir Deutsche"), „Du kannst ihm's<lb/> nicht vergessen," „so thu es ich," „dünkt mir," „wie wär' es, wenn sie mir<lb/> selber gilt" (anstatt „gälte"), „dann würdest Du nicht sagen, ich bin Dein Ver¬<lb/> lorner Sohn" (anstatt „ich sei")? Kann der Vers eine Construction entschul¬<lb/> digen wie</p><lb/> <quote> den Schneeball,<lb/> Den er Dir zu der (!) Kühlung Deiner Gluth<lb/> Und zu der (!) Löschung Deines heil'gen Eifers<lb/> Ju's schöne, neue Mieder gleiten ließ?</quote><lb/> <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936" next="#ID_938"> Und wer soll Verse wie</p><lb/> <quote> „Der junge Gelehrte." Copie nach dein Leben</quote><lb/> <p xml:id="ID_938" prev="#ID_937" next="#ID_939"> oder</p><lb/> <quote> Ein jeder wahre Dichter heißt „Corinlanns"</quote><lb/> <p xml:id="ID_939" prev="#ID_938" next="#ID_940"> oder</p><lb/> <quote> Hurrah sonst — Hurrah hoch! Der edle Lessing lebe!<lb/> Fräulein Justine — Wacker I wacker! Hurrah!</quote><lb/> <p xml:id="ID_940" prev="#ID_939"> als fünffüßige Jamben sprechen? An Druckfehler ist wohl in keinem der hier<lb/> angeführten Fälle zu denken, wiewohl wir auch deren eine Reihe aufzählen<lb/> könnten, darunter den sehr ergötzlichen, der die Fran Gottschedin zu einer ge-<lb/> bornen Calmus (anstatt Culmus) macht.</p><lb/> <p xml:id="ID_941" next="#ID_942"> Aber thun wir dem harmlosen Gelegenheitsstttcke nicht bittres Unrecht an,<lb/> wenn wir so streng mit ihm ins Gericht gehen? Kann man „unter sechs Tagen"</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
Gin nationales Biihncnspicl.
Je weniger aber das Stück an feinem Witz aufzuweisen hat, desto breiter
macht sich die ordinäre Tendenz; sie ist, wie schon aus den oben angeführten
ungeschickten Prophezeiungen ersichtlich ist, faustdick aufgetragen. Ohne Tendenz,
ohne Hindeutungen auf die weitere Entwicklung des Gefeierten ist nun freilich
ein solches Stück nicht denkbar; auch in Laubes „Karlsschülern," im „Königs-
lcutnant" Gutzkows — auf den Herr Keim im Vorwort einen verschämten Seiten¬
blick wirft und mit dem er wohl am Ende gar verglichen sein möchte? — fehlt
es nicht an Tendenzstellen, und niemand wird dem Dichter eines Gelegenheits¬
stückes dergleichen verübeln. Es kommt nur darauf an, wie's gemacht wird,
und hier im „Meisterschüler" ist es eben herzlich plump gemacht.
Und zu alledem nun dieses Deutsch, und diese Verse! Der Dialog ist
völlig unausgeglichen. Er schwankt fortwährend zwischen schwungvoller Diction,
in der man gelegentlich über Anklänge an bekannte Stellen aus Goethe und
Schiller stolpert, und banaler Alltagssprache, die im Jambentact sich wunderlich
genug ausnimmt. Aber wenn es das nur wäre. Nein, der Ausdruck wimmelt
geradezu von sprachlichen Verstößen, für welche die poetische Licenz schlechter¬
dings nicht als Entschuldigung gelten kann. Wer die oben citirten längeren
Stellen aufmerksam gelesen hat, dem werden Wendungen aufgefallen sein, die
in der That nicht klingen, als ob sie ein Deutscher, sondern ein „deutsches
Bruder unsriges" geschrieben hätte. Aber auch in den übrigen Partien trifft
man fortwährend auf Steine des Anstoßes. Ist es deutsch, zu schreiben: „Wir
gemeine Geister" (vgl. auch oben S. 270 „wir Deutsche"), „Du kannst ihm's
nicht vergessen," „so thu es ich," „dünkt mir," „wie wär' es, wenn sie mir
selber gilt" (anstatt „gälte"), „dann würdest Du nicht sagen, ich bin Dein Ver¬
lorner Sohn" (anstatt „ich sei")? Kann der Vers eine Construction entschul¬
digen wie
den Schneeball,
Den er Dir zu der (!) Kühlung Deiner Gluth
Und zu der (!) Löschung Deines heil'gen Eifers
Ju's schöne, neue Mieder gleiten ließ?
Und wer soll Verse wie
„Der junge Gelehrte." Copie nach dein Leben
oder
Ein jeder wahre Dichter heißt „Corinlanns"
oder
Hurrah sonst — Hurrah hoch! Der edle Lessing lebe!
Fräulein Justine — Wacker I wacker! Hurrah!
als fünffüßige Jamben sprechen? An Druckfehler ist wohl in keinem der hier
angeführten Fälle zu denken, wiewohl wir auch deren eine Reihe aufzählen
könnten, darunter den sehr ergötzlichen, der die Fran Gottschedin zu einer ge-
bornen Calmus (anstatt Culmus) macht.
Aber thun wir dem harmlosen Gelegenheitsstttcke nicht bittres Unrecht an,
wenn wir so streng mit ihm ins Gericht gehen? Kann man „unter sechs Tagen"
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