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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Lin nationales Bühnenspiel.

Das könnten andre auch -- Du bist's um Geist,
Wir aber sind Dein Troß, Du edler Ritter,
Die Dame aber, die Du Dir erwählt hast,
.Für die Du borgst und bürgst, das ist die Kunst.
Im Anfang eine eigcnsinn'ge Dame
Und spröd', verteufelt spröd'. -- Doch halt nur aus!
Dem echten Künstler wird sie sich entschleiern.
Hab' guten Muth! Wir sind nur einmal jung --

Worauf Lessing nicht etwa, wie man erwarten sollte, den plumpen Schmeichler
irgend wo andershin schlägt, sondern "sinnend" entgegnet: "Es ist wohl möglich,
Mylius, daß Du Recht hast," Hierauf neckt Mylius den Studiengenossen, der
nichts davon hören will und an die gemeinschaftlich unternommene Marivaux-
Ucbersetzung mahnt, mit seinem häufigen Besuch der Theaterproben bei der
Neuberischen Truppe, von denen man sich viel erzähle, und meint, er gehe wohl
gar der kleinen Lorenz zu liebe so oft hin. Da mengt sich Dämon ein und
bittet sich Ruhe zu seiner Arbeit aus, aber Mylius kehrt sich nicht im geringsten
daran, sondern setzt seine Schmeichelei gegen Lessing in folgender Weise fort,
indem er diesmal auch sich selber dabei nicht vergißt:


Glaubst Du im Ernst, ich wollte Dich nur necken?
Du bist mein Freund, Du theilst mit mir Dein Brod,
Dein Kämmerlein und Deinen Schatz, die Bücher;
Und wenn mein Rock auch schlecht zur Mode paßt,
Mein Strumpf durchlöchert und mein Schuh verbraucht ist,
Ich bin Dir dankbar und ich geb' Dir Wahrheit,
Das eiuz'ge Gut, das ich Dir geben kann.

Diese "Wahrheit" läuft dann auf den guten Vorschlag hinaus, Lessing möge
seinen Vater von dem Gedanken abbringen, einen Pfarrer aus Hin zu machen:


Sanct Augustinus taugt nicht viel für Dich,
Du gehst zu Gast bei Molwrc und Shakespeare.

Lessing findet auch dies wieder ganz in der Ordnung, verräth, weil Mylius
"von einer Probe da gesprochen" (was gar nicht wahr ist, denn Mylius hat
von "Proben" geredet), daß diese Probe seinem eignen Stücke gelte: "Der
junge Gelehrte," wobei er verstohlen aus Dämon deutet. Mylius beglückwünscht
ihn dazu und -- begiebt sich dann schleunigst zum Frühschoppen: "Ich geh'
und trink' auf Dein Genie."

Nachdem Mylius das Zimmer verlassen, entspinnt sich ein Gespräch zwischen
Dämon und Lessing, das mit folgender äußerst witzigen Stichvmythie anhebt:


Und nun erst haben wir zwei was zu reden.

Dämon.

Sie reden also auch, das ist mir neu,

Lessing.

Wir sind ein Jahr nun Stubcnkamernden --

Dämon. Lessing.

Ein Jahr? Es kommt mir völlig auch so vor.


Dämon beschwert sich bitter über den frechen Eindringling, der sich seit einiger
Zeit in ihrer Wohnung eingenistet habe, verlangt, daß , Mylius spätestens in


Lin nationales Bühnenspiel.

Das könnten andre auch — Du bist's um Geist,
Wir aber sind Dein Troß, Du edler Ritter,
Die Dame aber, die Du Dir erwählt hast,
.Für die Du borgst und bürgst, das ist die Kunst.
Im Anfang eine eigcnsinn'ge Dame
Und spröd', verteufelt spröd'. — Doch halt nur aus!
Dem echten Künstler wird sie sich entschleiern.
Hab' guten Muth! Wir sind nur einmal jung —

Worauf Lessing nicht etwa, wie man erwarten sollte, den plumpen Schmeichler
irgend wo andershin schlägt, sondern „sinnend" entgegnet: „Es ist wohl möglich,
Mylius, daß Du Recht hast," Hierauf neckt Mylius den Studiengenossen, der
nichts davon hören will und an die gemeinschaftlich unternommene Marivaux-
Ucbersetzung mahnt, mit seinem häufigen Besuch der Theaterproben bei der
Neuberischen Truppe, von denen man sich viel erzähle, und meint, er gehe wohl
gar der kleinen Lorenz zu liebe so oft hin. Da mengt sich Dämon ein und
bittet sich Ruhe zu seiner Arbeit aus, aber Mylius kehrt sich nicht im geringsten
daran, sondern setzt seine Schmeichelei gegen Lessing in folgender Weise fort,
indem er diesmal auch sich selber dabei nicht vergißt:


Glaubst Du im Ernst, ich wollte Dich nur necken?
Du bist mein Freund, Du theilst mit mir Dein Brod,
Dein Kämmerlein und Deinen Schatz, die Bücher;
Und wenn mein Rock auch schlecht zur Mode paßt,
Mein Strumpf durchlöchert und mein Schuh verbraucht ist,
Ich bin Dir dankbar und ich geb' Dir Wahrheit,
Das eiuz'ge Gut, das ich Dir geben kann.

Diese „Wahrheit" läuft dann auf den guten Vorschlag hinaus, Lessing möge
seinen Vater von dem Gedanken abbringen, einen Pfarrer aus Hin zu machen:


Sanct Augustinus taugt nicht viel für Dich,
Du gehst zu Gast bei Molwrc und Shakespeare.

Lessing findet auch dies wieder ganz in der Ordnung, verräth, weil Mylius
„von einer Probe da gesprochen" (was gar nicht wahr ist, denn Mylius hat
von „Proben" geredet), daß diese Probe seinem eignen Stücke gelte: „Der
junge Gelehrte," wobei er verstohlen aus Dämon deutet. Mylius beglückwünscht
ihn dazu und — begiebt sich dann schleunigst zum Frühschoppen: „Ich geh'
und trink' auf Dein Genie."

Nachdem Mylius das Zimmer verlassen, entspinnt sich ein Gespräch zwischen
Dämon und Lessing, das mit folgender äußerst witzigen Stichvmythie anhebt:


Und nun erst haben wir zwei was zu reden.

Dämon.

Sie reden also auch, das ist mir neu,

Lessing.

Wir sind ein Jahr nun Stubcnkamernden —

Dämon. Lessing.

Ein Jahr? Es kommt mir völlig auch so vor.


Dämon beschwert sich bitter über den frechen Eindringling, der sich seit einiger
Zeit in ihrer Wohnung eingenistet habe, verlangt, daß , Mylius spätestens in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/271>, abgerufen am 15.01.2025.