Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.trage, um ein dauerndes Einvernehmen zwischen der kirchlichen und staatlichen Gewalt Etwaigen Zweifeln in dieser Beziehung machte eine Depesche Ninas vom Noch ehe die Depesche Ninas bekannt geworden, bereits am 17. März, hatte Trotzdem beschloß die Regierung, den Gesetzentwurf über die discretionnre Zu weiterer Beurtheilung der Sachlage ließ der Reichskanzler einen Theil der trage, um ein dauerndes Einvernehmen zwischen der kirchlichen und staatlichen Gewalt Etwaigen Zweifeln in dieser Beziehung machte eine Depesche Ninas vom Noch ehe die Depesche Ninas bekannt geworden, bereits am 17. März, hatte Trotzdem beschloß die Regierung, den Gesetzentwurf über die discretionnre Zu weiterer Beurtheilung der Sachlage ließ der Reichskanzler einen Theil der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150952"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_760" prev="#ID_759"> trage, um ein dauerndes Einvernehmen zwischen der kirchlichen und staatlichen Gewalt<lb/> im deutschen Reiche zu beschleunigen, zu dulden, daß der preußischen Staatsregierung<lb/> von der kanonischen Institution die Namen jener Priester angezeigt würden, welche<lb/> die Bischöfe der Diöcesen zu Theilnehmern ihrer Sorgen in der Ausübung der<lb/> Seelsorge wählten." Mit diesem für die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben stellte<lb/> das Oberhaupt der katholischen Kirche, wie es schien, in Aussicht, daß die Haupt¬<lb/> quelle des ganzen Streites zwischen Staat und Kirche verstopft werden solle; doch<lb/> durste man sich immerhin fragen, warum hier nur von „dulden," nicht von „an¬<lb/> ordnen" die Rede sei, und ob mit der Anzeigepflicht auch das Einspruchsrecht des<lb/> Staates gegen die Anstellung bedenklicher Priester zugestanden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_761"> Etwaigen Zweifeln in dieser Beziehung machte eine Depesche Ninas vom<lb/> 23. März ein Ende, die an den Prouuutius Jneobini in Wien gerichtet war, und<lb/> in der die Bedeutung jener Anzeigepflicht dahin beschränkt wurde, daß dieselbe sich<lb/> nur auf die Ernennung unabsetzbarer Pfarrer, nicht auf die Suceursalpriester und<lb/> Kapläne beziehe«, und daß bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Bischof und<lb/> Regierung über die Person des anzustellenden Pfarrers die Entscheidung dem Bischöfe<lb/> und in oberster Instanz dem Papste zustehen sollte. Damit war der Werth des<lb/> päpstlichen Zugeständnisses vom 24. Februar erheblich vermindert, und doch ver¬<lb/> langte die Curie vom Staate dafür: Amnestie für die mit Strafe bestimmte Geist¬<lb/> lichkeit, Wiedereinsetzung aller durch Richterspruch von ihren Aemtern entfernten<lb/> Kleriker, und schließliche Leitung der Erziehung der Geistlichen und des Religions¬<lb/> unterrichts der katholischen Jugend dnrch die Kirche, überhaupt Revision der Mai¬<lb/> gesetze nach den Grundsätzen des Katholicismus, d. h. Aufhebung dieser Gesetze.<lb/> Das Ergebniß der langen Verhandlungen zwischen der preußischen Regierung und<lb/> der Curie war also, daß diese vom Staate ungefähr alles verlangte und diesem<lb/> dafür so gut wie nichts bot. Die Regierung sah in der Ninaschen Depesche eine<lb/> Zurücknahme der früher in Aussicht gestellten Concessionen und brach die Be¬<lb/> sprechungen in Wien als zwecklos ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_762"> Noch ehe die Depesche Ninas bekannt geworden, bereits am 17. März, hatte<lb/> das preußische Staatsministerium angesichts des Nothstandes der katholischen Kirche<lb/> und auf Grund des an Melchers ergnugenen Breve und der Wiener Verhandlungen<lb/> den Beschluß gefaßt, sich vom Landtage in Betreff der Handhabung der kirchen-<lb/> politischen Gesetze discrctivnüre Vollmachten ertheilen zu lassen, um besondere Härten<lb/> derselben mildern oder ganz beseitigen zu können. Doch sollte mit der bezüglichen<lb/> Gesetzvorlage gewartet werdeu, bis der Papst seiner Erklärung praktisch nachkäme<lb/> und die Anzeigepflicht in aller Form nicht bloß anerkennte, sondern anordnete.<lb/> Jacobini wurde von diesem Beschlusse in Kenntniß gesetzt. Als jedoch die Depesche<lb/> Ninas bekannt wurde, und am 22. März aus Rom die Nachricht eintraf, daß der<lb/> Papst die erwähnte Landtagsvurlage mißbillige, da sie nnr ein facultatives Vor¬<lb/> gehen im Ange habe, erkannte man in Berlin, daß die Curie vorerst nicht um<lb/> ernstliches Nachgeben dachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_763"> Trotzdem beschloß die Regierung, den Gesetzentwurf über die discretionnre<lb/> Gewalt bei der Ausführung der Maigesetze, der dem Landtage jetzt bereits vor¬<lb/> gelegt war, nicht zurückzuziehen, sondern aufrecht zu erhalten, um, absehend von<lb/> dem guten oder üblen Willen der Curie, dem Nothstande der katholischen Kirche,<lb/> womöglich auf eigue Hand abzuhelfen und der Bevölkerung zu zeigen, daß es<lb/> nicht an ihr liege, wenn sich bisher kein Wandel habe schaffen lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Zu weiterer Beurtheilung der Sachlage ließ der Reichskanzler einen Theil der<lb/> während der Wiener Besprechungen zwischen dem auswärtigen Amte und dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
trage, um ein dauerndes Einvernehmen zwischen der kirchlichen und staatlichen Gewalt
im deutschen Reiche zu beschleunigen, zu dulden, daß der preußischen Staatsregierung
von der kanonischen Institution die Namen jener Priester angezeigt würden, welche
die Bischöfe der Diöcesen zu Theilnehmern ihrer Sorgen in der Ausübung der
Seelsorge wählten." Mit diesem für die Öffentlichkeit bestimmten Schreiben stellte
das Oberhaupt der katholischen Kirche, wie es schien, in Aussicht, daß die Haupt¬
quelle des ganzen Streites zwischen Staat und Kirche verstopft werden solle; doch
durste man sich immerhin fragen, warum hier nur von „dulden," nicht von „an¬
ordnen" die Rede sei, und ob mit der Anzeigepflicht auch das Einspruchsrecht des
Staates gegen die Anstellung bedenklicher Priester zugestanden sei.
Etwaigen Zweifeln in dieser Beziehung machte eine Depesche Ninas vom
23. März ein Ende, die an den Prouuutius Jneobini in Wien gerichtet war, und
in der die Bedeutung jener Anzeigepflicht dahin beschränkt wurde, daß dieselbe sich
nur auf die Ernennung unabsetzbarer Pfarrer, nicht auf die Suceursalpriester und
Kapläne beziehe«, und daß bei einer Meinungsverschiedenheit zwischen Bischof und
Regierung über die Person des anzustellenden Pfarrers die Entscheidung dem Bischöfe
und in oberster Instanz dem Papste zustehen sollte. Damit war der Werth des
päpstlichen Zugeständnisses vom 24. Februar erheblich vermindert, und doch ver¬
langte die Curie vom Staate dafür: Amnestie für die mit Strafe bestimmte Geist¬
lichkeit, Wiedereinsetzung aller durch Richterspruch von ihren Aemtern entfernten
Kleriker, und schließliche Leitung der Erziehung der Geistlichen und des Religions¬
unterrichts der katholischen Jugend dnrch die Kirche, überhaupt Revision der Mai¬
gesetze nach den Grundsätzen des Katholicismus, d. h. Aufhebung dieser Gesetze.
Das Ergebniß der langen Verhandlungen zwischen der preußischen Regierung und
der Curie war also, daß diese vom Staate ungefähr alles verlangte und diesem
dafür so gut wie nichts bot. Die Regierung sah in der Ninaschen Depesche eine
Zurücknahme der früher in Aussicht gestellten Concessionen und brach die Be¬
sprechungen in Wien als zwecklos ab.
Noch ehe die Depesche Ninas bekannt geworden, bereits am 17. März, hatte
das preußische Staatsministerium angesichts des Nothstandes der katholischen Kirche
und auf Grund des an Melchers ergnugenen Breve und der Wiener Verhandlungen
den Beschluß gefaßt, sich vom Landtage in Betreff der Handhabung der kirchen-
politischen Gesetze discrctivnüre Vollmachten ertheilen zu lassen, um besondere Härten
derselben mildern oder ganz beseitigen zu können. Doch sollte mit der bezüglichen
Gesetzvorlage gewartet werdeu, bis der Papst seiner Erklärung praktisch nachkäme
und die Anzeigepflicht in aller Form nicht bloß anerkennte, sondern anordnete.
Jacobini wurde von diesem Beschlusse in Kenntniß gesetzt. Als jedoch die Depesche
Ninas bekannt wurde, und am 22. März aus Rom die Nachricht eintraf, daß der
Papst die erwähnte Landtagsvurlage mißbillige, da sie nnr ein facultatives Vor¬
gehen im Ange habe, erkannte man in Berlin, daß die Curie vorerst nicht um
ernstliches Nachgeben dachte.
Trotzdem beschloß die Regierung, den Gesetzentwurf über die discretionnre
Gewalt bei der Ausführung der Maigesetze, der dem Landtage jetzt bereits vor¬
gelegt war, nicht zurückzuziehen, sondern aufrecht zu erhalten, um, absehend von
dem guten oder üblen Willen der Curie, dem Nothstande der katholischen Kirche,
womöglich auf eigue Hand abzuhelfen und der Bevölkerung zu zeigen, daß es
nicht an ihr liege, wenn sich bisher kein Wandel habe schaffen lassen.
Zu weiterer Beurtheilung der Sachlage ließ der Reichskanzler einen Theil der
während der Wiener Besprechungen zwischen dem auswärtigen Amte und dem
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |