Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.18. Juli 1601. Von diesem Tage ist nämlich ein Brief des Herzogs an den Die Bilder wurden 1811 nach England gebracht und im nächsten Jahre Rubens kam gerade zu einer Zeit in Rom an, als die dortige Künstler¬ Sandrart erzählt das Detail, daß der Körper Christi mit den Füßen noch frei in
Lust hing. 18. Juli 1601. Von diesem Tage ist nämlich ein Brief des Herzogs an den Die Bilder wurden 1811 nach England gebracht und im nächsten Jahre Rubens kam gerade zu einer Zeit in Rom an, als die dortige Künstler¬ Sandrart erzählt das Detail, daß der Körper Christi mit den Füßen noch frei in
Lust hing. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150943"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_729" prev="#ID_728"> 18. Juli 1601. Von diesem Tage ist nämlich ein Brief des Herzogs an den<lb/> Cardinal Allessandro Montalto in Rom datirt, worin er demselben „Peter<lb/> Paul, den Flamländer, seinen Maler," empfiehlt, welcher in Rom für ihn einige<lb/> Gemälde copiren sollte. Wie Baglione erzählt, der Verfasser der ältesten Rubens-<lb/> bivgraphie, die nur besitzen, hatte Rubens schon vor seiner Ankunft in Rom<lb/> einige sehr schöne Porträts gemalt. Nach Bellori wären darunter die des herzog¬<lb/> lichen Paares gewesen. In Rom selbst bekam er bald einen Auftrag von seinem<lb/> Landessiirsten, dem Erzherzog Albert, welcher als Titular-Cardinal der Kirche<lb/> von Santa Croce in Gerusalemme die Altäre in der Kapelle der heiligen Helena<lb/> mit Gemälden ausschmücken wollte. Daß er sich gerade an den jungen Rubens<lb/> wandte, beweist einerseits, daß der letztere dem Erzherzog bekannt war, andrer¬<lb/> seits, daß er bereits in der Heimat eine künstlerische Thätigkeit entfaltet haben<lb/> mußte, welche das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte. Für den Hauptaltar<lb/> malte Rubens die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, wie sie<lb/> in inbrünstiger Andacht das aufgefundene Kreuz des Erlösers umarmt, während<lb/> verschiedene Engelsknäblein sie umspielen. Tizian und Veronese liebten es, ihre<lb/> Andnchtsbildcr mit solche» „Pudel," den directen Abkömmlingen der heidnischen<lb/> Genien, zu bevölkern, und Rubens war auch in diesem Punkte ihr gelehriger<lb/> Schüler, der gerade in der Schilderung dieser Engelskinder eine unübertreffliche<lb/> Naivetät und eine erstaunliche Vielseitigkeit der Charakteristik offenbarte, die ihren<lb/> höchsten Triumph in der herrlichen Madonna der unschuldigen Kindlein im<lb/> Louvre feiern. Auf dem Altar zur Linken war die Dornenkrönung dargestellt,<lb/> und zwar als Nachtstück in dunklem Colorit. Der Altar zur Rechten zeigte die<lb/> Kreuzigung, und zwar den Moment, wie das Kreuz von den Henkersknechten<lb/> aufgerichtet wird, während die drei Marien zugegen sind.*) Baglione rühmt<lb/> do Kraft und den guten Geschmack der Darstellung.</p><lb/> <p xml:id="ID_730"> Die Bilder wurden 1811 nach England gebracht und im nächsten Jahre<lb/> dort verkauft. Sie sind dann spurlos verschwunden, bis sie kürzlich von Alfred<lb/> Michiels in Graste in Südfrankreich entdeckt worden sind. Indessen ist die<lb/> kurze Bättheilung, welche Michiels über seinen Fund gemacht hat, noch so lange<lb/> mit einem gewissen Mißtrauen aufzunehmen, bis zuverlässigere Männer als der<lb/> phantasiereiche und unkritische Schönredner die Gemälde untersucht haben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_731" next="#ID_732"> Rubens kam gerade zu einer Zeit in Rom an, als die dortige Künstler¬<lb/> gesellschaft in großer Gährung begriffen war. Eklektikern wie den Carracci und<lb/> Manicristcn wie den Znechari war in Michelangelo da Caravaggio ein urwüchsig<lb/> »aturalistisches Talent gegenübergetreten, welches förmliche Revolutionen hervor-<lb/> ?ef, in die auch Rubens mit hineingezogen wurde. Die ungewöhnliche Schärfe<lb/> einer oft ans niedrige und gemeine streifenden Charakteristik, die dramatische<lb/> Lebendigkeit seiner Compositionen und die frappante Beleuchtung seiner Bilder<lb/> übten aus Rubens einen Einfluß aus, der für seine Kunstweise maßgebend wurde.<lb/> Es wird von Bellori ausdrücklich berichtet, daß gerade Caravciggivs eigenthüm-<lb/> uche Art der Beleuchtung, welche einige Theile des Bildes in ein grelles Licht<lb/> setzte, andere in tiefem Schatten ließ, für die naturalistische Kunstweise unter den<lb/> jungern Künstlern die lebhafteste Propaganda machte, und es ist gar nicht un-<lb/> wnhrscheiulich, daß Rubens solche Bilder, wie den „Winter" in Dresden — drei<lb/> Personen um ein Kohlenfeuer versammelt, in welches eine hineinbläst — oder die</p><lb/> <note xml:id="FID_35" place="foot"> Sandrart erzählt das Detail, daß der Körper Christi mit den Füßen noch frei in<lb/> Lust hing.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
18. Juli 1601. Von diesem Tage ist nämlich ein Brief des Herzogs an den
Cardinal Allessandro Montalto in Rom datirt, worin er demselben „Peter
Paul, den Flamländer, seinen Maler," empfiehlt, welcher in Rom für ihn einige
Gemälde copiren sollte. Wie Baglione erzählt, der Verfasser der ältesten Rubens-
bivgraphie, die nur besitzen, hatte Rubens schon vor seiner Ankunft in Rom
einige sehr schöne Porträts gemalt. Nach Bellori wären darunter die des herzog¬
lichen Paares gewesen. In Rom selbst bekam er bald einen Auftrag von seinem
Landessiirsten, dem Erzherzog Albert, welcher als Titular-Cardinal der Kirche
von Santa Croce in Gerusalemme die Altäre in der Kapelle der heiligen Helena
mit Gemälden ausschmücken wollte. Daß er sich gerade an den jungen Rubens
wandte, beweist einerseits, daß der letztere dem Erzherzog bekannt war, andrer¬
seits, daß er bereits in der Heimat eine künstlerische Thätigkeit entfaltet haben
mußte, welche das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigte. Für den Hauptaltar
malte Rubens die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, wie sie
in inbrünstiger Andacht das aufgefundene Kreuz des Erlösers umarmt, während
verschiedene Engelsknäblein sie umspielen. Tizian und Veronese liebten es, ihre
Andnchtsbildcr mit solche» „Pudel," den directen Abkömmlingen der heidnischen
Genien, zu bevölkern, und Rubens war auch in diesem Punkte ihr gelehriger
Schüler, der gerade in der Schilderung dieser Engelskinder eine unübertreffliche
Naivetät und eine erstaunliche Vielseitigkeit der Charakteristik offenbarte, die ihren
höchsten Triumph in der herrlichen Madonna der unschuldigen Kindlein im
Louvre feiern. Auf dem Altar zur Linken war die Dornenkrönung dargestellt,
und zwar als Nachtstück in dunklem Colorit. Der Altar zur Rechten zeigte die
Kreuzigung, und zwar den Moment, wie das Kreuz von den Henkersknechten
aufgerichtet wird, während die drei Marien zugegen sind.*) Baglione rühmt
do Kraft und den guten Geschmack der Darstellung.
Die Bilder wurden 1811 nach England gebracht und im nächsten Jahre
dort verkauft. Sie sind dann spurlos verschwunden, bis sie kürzlich von Alfred
Michiels in Graste in Südfrankreich entdeckt worden sind. Indessen ist die
kurze Bättheilung, welche Michiels über seinen Fund gemacht hat, noch so lange
mit einem gewissen Mißtrauen aufzunehmen, bis zuverlässigere Männer als der
phantasiereiche und unkritische Schönredner die Gemälde untersucht haben werden.
Rubens kam gerade zu einer Zeit in Rom an, als die dortige Künstler¬
gesellschaft in großer Gährung begriffen war. Eklektikern wie den Carracci und
Manicristcn wie den Znechari war in Michelangelo da Caravaggio ein urwüchsig
»aturalistisches Talent gegenübergetreten, welches förmliche Revolutionen hervor-
?ef, in die auch Rubens mit hineingezogen wurde. Die ungewöhnliche Schärfe
einer oft ans niedrige und gemeine streifenden Charakteristik, die dramatische
Lebendigkeit seiner Compositionen und die frappante Beleuchtung seiner Bilder
übten aus Rubens einen Einfluß aus, der für seine Kunstweise maßgebend wurde.
Es wird von Bellori ausdrücklich berichtet, daß gerade Caravciggivs eigenthüm-
uche Art der Beleuchtung, welche einige Theile des Bildes in ein grelles Licht
setzte, andere in tiefem Schatten ließ, für die naturalistische Kunstweise unter den
jungern Künstlern die lebhafteste Propaganda machte, und es ist gar nicht un-
wnhrscheiulich, daß Rubens solche Bilder, wie den „Winter" in Dresden — drei
Personen um ein Kohlenfeuer versammelt, in welches eine hineinbläst — oder die
Sandrart erzählt das Detail, daß der Körper Christi mit den Füßen noch frei in
Lust hing.
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