Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Rubens in Italien. in der Volksnatur seiner Heimat keine Vorbilder findet, angeknüpft? Zuerst In Mantua, in der Galerie des Herzogs, konnte Rubens seine venetianischen Die Stellung, welche Rubens am Hofe des Herzogs von Mantua bekleidete, In den Urkunden des mantnanischen Archivs erscheint Rubens zuerst am Rubens in Italien. in der Volksnatur seiner Heimat keine Vorbilder findet, angeknüpft? Zuerst In Mantua, in der Galerie des Herzogs, konnte Rubens seine venetianischen Die Stellung, welche Rubens am Hofe des Herzogs von Mantua bekleidete, In den Urkunden des mantnanischen Archivs erscheint Rubens zuerst am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150942"/> <fw type="header" place="top"> Rubens in Italien.</fw><lb/> <p xml:id="ID_725" prev="#ID_724"> in der Volksnatur seiner Heimat keine Vorbilder findet, angeknüpft? Zuerst<lb/> eng und in schüchterner Abhängigkeit, wie auf dem Altarbilde in G renoble, auf<lb/> das wir später zurückkommen werden, dann immer freier ummodelnd und um¬<lb/> schaffend, bis eine neue Gestaltenreihe daraus emporwuchs?</p><lb/> <p xml:id="ID_726"> In Mantua, in der Galerie des Herzogs, konnte Rubens seine venetianischen<lb/> Studien ungestört fortsetzen. Hatte doch Federigo Gonzaga, der Ahn des Herzogs<lb/> Vincenzo, bis an sein Lebensende mit Tizian in Verkehr gestanden und unter<lb/> andern Werken von seiner Hand die berühmte Grablegung erworben, welche in<lb/> den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts in die Sammlung Karls I. von<lb/> England kam und sich jetzt im Lenore befindet. In Mantua kam jedoch noch<lb/> ein zweites Element hinzu, welches auf Rubens' Stil bildend einwirkte, die Be¬<lb/> kanntschaft mit Giulio Romano, dessen umfangreiche Frescvmalereien ihm im<lb/> herzoglichen Palast, wo Rubens als Diener des Herzogs wohnte, und im Palazzo<lb/> del Ts auf Schritt und Tritt begegneten. Was Rubens von diesen Werken<lb/> profitirte, kam weniger seiner malerischen Technik zu gute, da er sich niemals<lb/> in der Frescomalerei versuchte, als daß es seine geistige Richtung bestimmte.<lb/> Hier mag dem für die classische Literatur ohnehin schon begeisterten Jüngling<lb/> der Sinn sür die antike Mythe aufgegangen sein, wenn er auch vor der Hand<lb/> keine Gelegenheit erhielt, dieser Neigung nachzugeben. Auch wird der wilde, fast<lb/> ans groteske streifende Gigantenkampf im Palazzo del To auf die jugendliche<lb/> Phantasie Eindrücke gemacht haben, die erst später durch die nähere Bekannt¬<lb/> schaft mit Michelangelo geläutert und gemäßigt wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_727"> Die Stellung, welche Rubens am Hofe des Herzogs von Mantua bekleidete,<lb/> war eine untergeordnete. Auch der Hofmaler, der einen Jahrgehalt von 409<lb/> Ducaten bekam, war ein Mitglied der iNiülig,, der Dienerschaft, und wurde als<lb/> solches behandelt. Daß diese Behandlung, was speciell Rubens betrifft, keine<lb/> unwürdige und erniedrigende war, wissen wir aus seinem eignen Munde. Als<lb/> sich im Frühjahr 1628 nach der Besitznahme des Herzogthums Mantua durch<lb/> den Herzog von Repres ein Kriegsungewitter gegen die Stadt zusammenzog,<lb/> schrieb Rubens am 20. April an seinen Freund Pierre Dupuy: „Ich danke<lb/> Ihnen für die interessanten Nachrichten über die italienischen Angelegenheiten,<lb/> an welchen ich einen großen Antheil nehme, weil ich dem Hause der Gonzaga<lb/> an die sechs Jahre gedient und von diesen erlauchten Fürsten eine durchaus gute<lb/> Behandlung erfahren habe." Daß aber der Herzog trotzdem nicht in ihm den<lb/> Künstler ehrte, sondern nur einen Diener sah, der dazu da war, seine Laune zu<lb/> befriedigen, geht aus manchem der Briefe hervor, die Rubens an seinen Gönner<lb/> Chieppio schrieb. Auf der andern Seite war Rubens aber auch nicht der Mann,<lb/> der seine künstlerische Ehre um niedriger Vortheile willen Preis gab. Wo es<lb/> galt, wußte er seinen Willen gegen den des Herzogs durchzusetzen. Es hieße<lb/> jedoch die Verhältnisse falsch auffassen, wenn man nach Anecdoten, die Michel<lb/> und andere erzählen, einen vertraulichen Verkehr zwischen dem Herzoge und dem<lb/> Maler annehmen wollte. Eines Tages soll der erstere, der Rubens' Atelier gern<lb/> zu besuchen Pflegte, im Nebenzimmer gehört haben, wie der Maler einige auf<lb/> die Gründung Mantuas bezügliche Verse der Aeneide Vcrgils mit lauter Stimme<lb/> citirte. Unbemerkt sei er eingetreten und habe, als Rubens geendigt, ihm ein<lb/> gnädiges Lob gespendet. Es ist das eine Anecdote, gemacht, um einerseits die<lb/> Gelehrsamkeit des Künstlers, andrerseits die Liebenswürdigkeit seines Wesens zu<lb/> illustriren, mit welcher er jedermann, selbst die höchstgestellten Personen, bezanberte-</p><lb/> <p xml:id="ID_728" next="#ID_729"> In den Urkunden des mantnanischen Archivs erscheint Rubens zuerst am</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
Rubens in Italien.
in der Volksnatur seiner Heimat keine Vorbilder findet, angeknüpft? Zuerst
eng und in schüchterner Abhängigkeit, wie auf dem Altarbilde in G renoble, auf
das wir später zurückkommen werden, dann immer freier ummodelnd und um¬
schaffend, bis eine neue Gestaltenreihe daraus emporwuchs?
In Mantua, in der Galerie des Herzogs, konnte Rubens seine venetianischen
Studien ungestört fortsetzen. Hatte doch Federigo Gonzaga, der Ahn des Herzogs
Vincenzo, bis an sein Lebensende mit Tizian in Verkehr gestanden und unter
andern Werken von seiner Hand die berühmte Grablegung erworben, welche in
den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts in die Sammlung Karls I. von
England kam und sich jetzt im Lenore befindet. In Mantua kam jedoch noch
ein zweites Element hinzu, welches auf Rubens' Stil bildend einwirkte, die Be¬
kanntschaft mit Giulio Romano, dessen umfangreiche Frescvmalereien ihm im
herzoglichen Palast, wo Rubens als Diener des Herzogs wohnte, und im Palazzo
del Ts auf Schritt und Tritt begegneten. Was Rubens von diesen Werken
profitirte, kam weniger seiner malerischen Technik zu gute, da er sich niemals
in der Frescomalerei versuchte, als daß es seine geistige Richtung bestimmte.
Hier mag dem für die classische Literatur ohnehin schon begeisterten Jüngling
der Sinn sür die antike Mythe aufgegangen sein, wenn er auch vor der Hand
keine Gelegenheit erhielt, dieser Neigung nachzugeben. Auch wird der wilde, fast
ans groteske streifende Gigantenkampf im Palazzo del To auf die jugendliche
Phantasie Eindrücke gemacht haben, die erst später durch die nähere Bekannt¬
schaft mit Michelangelo geläutert und gemäßigt wurden.
Die Stellung, welche Rubens am Hofe des Herzogs von Mantua bekleidete,
war eine untergeordnete. Auch der Hofmaler, der einen Jahrgehalt von 409
Ducaten bekam, war ein Mitglied der iNiülig,, der Dienerschaft, und wurde als
solches behandelt. Daß diese Behandlung, was speciell Rubens betrifft, keine
unwürdige und erniedrigende war, wissen wir aus seinem eignen Munde. Als
sich im Frühjahr 1628 nach der Besitznahme des Herzogthums Mantua durch
den Herzog von Repres ein Kriegsungewitter gegen die Stadt zusammenzog,
schrieb Rubens am 20. April an seinen Freund Pierre Dupuy: „Ich danke
Ihnen für die interessanten Nachrichten über die italienischen Angelegenheiten,
an welchen ich einen großen Antheil nehme, weil ich dem Hause der Gonzaga
an die sechs Jahre gedient und von diesen erlauchten Fürsten eine durchaus gute
Behandlung erfahren habe." Daß aber der Herzog trotzdem nicht in ihm den
Künstler ehrte, sondern nur einen Diener sah, der dazu da war, seine Laune zu
befriedigen, geht aus manchem der Briefe hervor, die Rubens an seinen Gönner
Chieppio schrieb. Auf der andern Seite war Rubens aber auch nicht der Mann,
der seine künstlerische Ehre um niedriger Vortheile willen Preis gab. Wo es
galt, wußte er seinen Willen gegen den des Herzogs durchzusetzen. Es hieße
jedoch die Verhältnisse falsch auffassen, wenn man nach Anecdoten, die Michel
und andere erzählen, einen vertraulichen Verkehr zwischen dem Herzoge und dem
Maler annehmen wollte. Eines Tages soll der erstere, der Rubens' Atelier gern
zu besuchen Pflegte, im Nebenzimmer gehört haben, wie der Maler einige auf
die Gründung Mantuas bezügliche Verse der Aeneide Vcrgils mit lauter Stimme
citirte. Unbemerkt sei er eingetreten und habe, als Rubens geendigt, ihm ein
gnädiges Lob gespendet. Es ist das eine Anecdote, gemacht, um einerseits die
Gelehrsamkeit des Künstlers, andrerseits die Liebenswürdigkeit seines Wesens zu
illustriren, mit welcher er jedermann, selbst die höchstgestellten Personen, bezanberte-
In den Urkunden des mantnanischen Archivs erscheint Rubens zuerst am
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